Technik

Spur führt nach Somalia "Söldner" schulen BF3-Spieler

Auch mit Scharfschützengewehren nehmen Spieler die Gegner ins Fadenkreuz.

Auch mit Scharfschützengewehren nehmen Spieler die Gegner ins Fadenkreuz.

Ego-Shooter wie Battlefield 3 dürfen vieles sein, nur nicht unrealistisch. Deswegen engagieren immer mehr Spielehersteller Ex-Militärs als Berater. Electronic Arts geht einen Schritt weiter und lässt Zocker in Kriegstaktiken schulen. Die Spuren der kooperierenden Sicherheitsfirma gehen nach Somalia - und möglicherweise illegalen Waffengeschäften.

Es sind Sekunden, die über Leben und Tod entscheiden können: Die Tür fliegt auf, eine Blendgranate wird geworfen und vermummte Krieger in schwerer Montur stürmen mit der Waffe im Anschlag den Raum. Schüsse fallen, es wird gebrüllt. Dann ist Ruhe - und nicht selten jemand tot.

So sieht im Ernstfall der Job von Elitesoldaten aus, zum Beispiel beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr oder Spezialisten der Polizei, wenn sie in Kriegsgebieten Häuser erobern oder Geiselnahmen mit Gewalt beenden. "Zugriff" heißt das in der Fachsprache, vom "Säubern eines Raumes" ist dann die Rede. Für diese Momente wird lange trainiert, sie erfordern höchste Disziplin und sorgen selbst bei abgebrühten Experten für Schweißperlen auf der Stirn.

Panzer in London

Diesen Adrenalinschub können sich allerdings auch zivile Kämpfernaturen am heimischen PC holen. Zum Beispiel mit Battlefield 3, dem neuesten Teil der weltweit erfolgreichen Ego-Shooter-Reihe aus dem Hause Electronic Arts (EA). Das Geschäft mit den Kriegsspielen boomt, entsprechend gigantisch ist inzwischen der PR-Aufwand geworden. Für Battlefield 3 hatte sich EA eine ganze Menge bildstarker Werbemaßnahmen ausgedacht: So rollten etwa Panzer durch die Londoner Innenstadt, und auf der Spielemesse Gamescom stand ein echter Kampfjet, um auf den Blockbuster aufmerksam zu machen.

Mit einem Panzer in London hatte Electronic Arts für das Computerspiel geworben..

Mit einem Panzer in London hatte Electronic Arts für das Computerspiel geworben..

(Foto: dpa)

Für eine Community-Veranstaltung in Köln hatten die PR-Verantwortlichen dann eine andere Idee: Sie wollten Battlefield-Spielern offenbar noch ein Quäntchen mehr Einsatzrealität liefern und engagierten Experten der deutschen Sicherheitsfirma Asgaard GSG. Die ist nach eigenen Angaben in Krisengebieten aktiv und hatte zwei ehemalige "Elitesoldaten" geschickt.

In ihrem Seminar "Battle Tactics" sollten sie den Zockern Einsatztaktiken aus dem realen Häuserkampf beibringen – zusätzliches Knowhow für die Netzwerk-Schlacht mit anderen Spielern. Im Video von der Veranstaltung sieht man detaillierte Power-Point-Präsentationen mit diversen Angriffsschemata, taktischen Plänen und Informationen zu realen Waffen. "Diese Taktik können sie nicht im Waldkampf anwenden", doziert einer der beiden Asgaard-Vertreter, "sondern nur im Orts- und Häuserkampf."

Firma schickt Taktik-"Lehrer"

In Einzelgesprächen mit Spielern wurden Feinheiten geklärt. Die "Ausbilder" waren sichtlich zufrieden. "Die Jungs sind super drauf. Die setzen auch schon Taktiken ein, die man im realen Leben auch schon einsetzt", so einer der Experten. Der Moderator berichtete von Tipps aus der "harten und kalten Realität". Man habe "Taktiken ausprobiert, die auch wirklich funktionieren". Vom Spiel selbst waren offenbar alle Anwesenden restlos begeistert.

Was in den Ohren von Ego-Shooter-Fans nach einem gelungenen PR-Event klingen mag, wirft Fragen auf. Da wäre zunächst die Firma Asgaard - das wohl bekannteste deutsche Sicherheitsunternehmen, und das umstrittenste. Die Staatsanwaltschaft Münster durchleuchtet Asgaards Geschäfte bereits seit über einem Jahr wegen diverser Verstöße im Zusammenhang mit einem Vertrag, den Asgaard 2009 mit einem dubiosen Politiker aus Somalia geschlossen hatte.

Der Vertrag beinhaltete offenbar eine Vereinbarung über die Entsendung von bewaffneten Sicherheitskräften nach Somalia, die meisten von ihnen ehemalige Bundeswehrsoldaten. Auftraggeber war der Somalier Abdinur Darman, ein Geschäftsmann mit fragwürdiger Biografie und unklaren Verbindungen zu den islamistischen Al-Schabaab-Milizen, die das Land seit Jahren terrorisieren. Der Deal wurde nie in die Realität umgesetzt, denn Asgaard wäre nach eigenen Angaben nur für den Fall von Darmans Machtübernahme in Somalias Hauptstadt Mogadischu zum Einsatz gekommen. Trotzdem ermitteln deutschen Behörden weiter, unter anderem wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das internationale Waffenembargo gegen das Land.

Asgaard für eine Lachnummer?

Asgaard will den Vorwurf der Söldnerei nicht gelten lassen und möchte sich zum Engagement bei EA nicht äußern. Die Firma hat aus dem PR-Desaster nach dem Somalia-Geschäft offenbar gelernt: Statt sich wie früher offensiv ins Rampenlicht zu drängen, gibt man sich nun eher wortkarg: Kein Kommentar. Den ehemaligen Chef von Asgaard, einen Unteroffizier der Bundeswehr, habe man inzwischen "entsorgt", wie ein Sprecher auf Anfrage von n-tv.de erklärte: "Mit ihm haben wir nichts mehr zu tun."

Szene aus "Battlefield 3"

Szene aus "Battlefield 3"

(Foto: Electronic Arts)

Auf die Frage, wer die beiden "Elitekämpfer" waren, die Asgaard nach Köln geschickt hat, antwortet der Sprecher ausweichend. Im Video trägt einer der Experten ein Hemd mit dem Logo der Branche und dem Schriftzug "Südafrika". Das Land gehört neben den USA und Großbritannien zu den größten Märkten für private Sicherheitsdienstleister. Asgaard selbst hatte in der Vergangenheit versucht, nach Irland und in die USA zu expandieren. Diese Versuche wurden nun eingestellt, so ein Sprecher der Firma. Wo Asgaard zurzeit aktiv sei, wollte er nicht sagen. Verschwiegenheit ist eine der wichtigsten Regeln der Branche.

Ob Asgaard jedoch tatsächlich ehemalige Elitesoldaten in seinen Reihen hat, also zum Beispiel Mitglieder des KSK oder der Spezialeinheit GSG 9 vom Bundesgrenzschutz, ist unklar. Bei Brancheninsidern genießt die Telgter Firma jedoch keinen guten Ruf. Im größten Internetforum der privaten Sicherheitsdienste, die im Hochrisikobereich arbeiten, gilt Asgaard eher als Lachnummer. Vor den Jobangeboten wird dort ausdrücklich gewarnt. "Die waren nie in Krisengebieten und werden es nie sein", schreibt ein erfahrener User.

EA hätte lieber Ex-SAS-Soldat gehabt

Auch bei EA war Asgaard offenbar nur zweite Wahl. Eigentlich habe man den britischen Ex-Elitesoldaten Andy McNab holen wollen, erklärt EA-Sprecher Martin Lorber auf Anfrage von n-tv.de. Der hatte bereits bei der Entwicklung von Battlefield 3 als Berater fungiert, um das Spiel "möglichst authentisch und realistisch zu gestalten". "Leider konnte Andy McNab für diese Veranstaltung nicht gewonnen werden, so dass wir uns kurzfristig um Ersatz bemüht haben und zu diesem Zweck Vertreter der Firma Asgaard eingeladen haben."

Vom Somalia-Vertrag Asgaards und den laufenden Ermittlungen gegen die Firma habe man nichts gewusst, so Lorber.

Quelle: ntv.de

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