Ruf nach Sozialsystem-Reform Arbeitgeberpräsident wünscht sich "Entfesselung"
11.12.2022, 16:37 Uhr
BDA-Präsident Rainer Dulger: "Wir brauchen die Grundrenovierung des Sozialsystems."
(Foto: Sven Hoppe/dpa)
"Zu behäbig, zu unflexibel, zu teuer" - so sieht Arbeitgeberpräsident Dulger Deutschland. Er fordert daher eine Grundrenovierung des Sozialsystems. Das Renteneintrittsalter müsse an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden. Der Trend geht allerdings in eine andere Richtung.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hält umfassende Reformen im Bereich der Sozialversicherungen für notwendig. "Wir brauchen die Grundrenovierung des Sozialsystems, ähnlich wie sie Gerhard Schröder vor 20 Jahren mutig angepackt hat", sagte er der "Rheinischen Post" mit Blick auf die damaligen Hartz-Reformen.
Es sei bereits klar, "dass wir das Rentenniveau ab 2025 nicht bei 48 Prozent halten können", führte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) aus. Das Renteneintrittsalter müsse "dynamisiert und an die steigende Lebenserwartung gekoppelt" werden. "Auch das Leistungsniveau in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung werden wir ohne Reformen nicht halten können", zeigte sich Dulger überzeugt.
Deutschland sei insgesamt "zu behäbig, zu unflexibel, zu teuer geworden", sagte er weiter. "Wir brauchen eine Entfesselungsoffensive bei Regeln und Gesetzen." Die Bundesregierung habe zwar ein Belastungsmoratorium für die Wirtschaft angekündigt, "aber geliefert hat sie bisher nicht."
Dulger beschrieb es als Verantwortung seines Verbandes, sich mahnend zu Wort zu melden. "Unsere Aufgabe ist, immer wieder zu sagen: Achtung Leute, uns fliegt unser Sozialstaat um die Ohren, wenn wir so weitermachen", sagte er der Zeitung.
Deutsche gehen früher in Rente
Bundeskanzler Olaf Scholz will indes erreichen, dass weniger Menschen vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente gehen. "Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können. Das fällt vielen heute schwer", sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe und der französischen Zeitung "Ouest-France".
Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hatte am Samstag Zahlen vorgelegt, wonach die Menschen in Deutschland immer häufiger früh in Rente gehen. Viele scheiden demnach bereits mit 63 oder 64 Jahren aus dem Arbeitsmarkt aus - und damit deutlich vor der Regelaltersgrenze. Der noch Anfang des Jahrtausends beobachtete rasante Anstieg der Erwerbstätigenquote bei den über 60-Jährigen sei in den vergangenen fünf Jahren weitgehend zum Stillstand gekommen, teilte das Institut in Wiesbaden mit.
Eine Ursache dafür sei die "Rente mit 63", also die seit 2014 bestehende Möglichkeit eines frühzeitigen Rentenbezugs ohne Abschläge für Menschen, die 45 Versicherungsjahre aufweisen können. Im damaligen Gesetzgebungsverfahren war von 200.000 bis 240.000 dieser Rentenanträge pro Jahr ausgegangen worden. Im vergangenen Jahr nutzten nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung vom November fast 270.000 Neurentner den abschlagsfreien Weg. Das waren 26,3 Prozent aller neuen Renten.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa