Wirtschaft

Eskalation im Tech-Streit Chinas Rohstoffkontrollen sind "zu unser aller Nachteil"

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Da China die Exporte der beiden Rohstoffe bislang nur kontrolliere und nicht beschränkt, sind die Auswirkungen auf die deutschen Abnehmer noch nicht absehbar.

Da China die Exporte der beiden Rohstoffe bislang nur kontrolliere und nicht beschränkt, sind die Auswirkungen auf die deutschen Abnehmer noch nicht absehbar.

(Foto: imago images / Christian Ohde)

Im Handelskonflikt mit den USA zieht Peking mit Exportbeschränkungen ein vermeintliches Ass aus dem Ärmel. Auch wenn die Auswirkungen der Rohstoffkontrollen bei Gallium und Germanium ihr Ziel verfehlen, stellen sie laut China-Experte Löchel eine neue Eskalationsstufe dar.

Auge um Auge, Zahn um Zahn? Die Antwort aus Peking auf US-Exportbeschränkungen von Halbleitern aus China hat nicht lange auf sich warten lassen: Ab dem 1. August müssen Firmen für die Ausfuhr vom Gallium- und Germanium-Produkten eine Lizenz beantragen.

Das Handelsministerium beteuert zwar, mit den Maßnahmen "kein Land im Visier" zu haben. Experten sehen in der Ankündigung allerdings eine Vergeltungsmaßnahme. "Vergeltungsmaßnahme ist ein starkes Wort. Aber natürlich: Mit den Ausfuhrkontrollen reagiert China auf die Beschränkungen, die von den USA auferlegt worden sind und sendet das Zeichen: Was ihr könnt, können wir schon lange", sagt Horst Löchel, der das Sino-German Center an der Frankfurt School of Finance & Management leitet, ntv.de.

Im Technologie-Streit zieht China mit den Exportbeschränkungen auf Gallium und Germanium den nächsten Trumpf. Die Volksrepublik ist Hauptproduzentin der wichtigen Rohstoffe. Beide Elemente sind sogenannte Halbleiter - was sie vor allem für die Chipindustrie attraktiv macht. Sie werden in Hochleistungsrechnern, in der Rüstungsindustrie und in Solaranlagen verwendet.

Die Auswirkungen der von China angekündigten Rohstoffkontrollen sind noch schwer einzuschätzen. "Gallium und Germanium sind zwar beide wichtige Rohstoffe, aber selbst ein wirkliches Verbot, das sehr unwahrscheinlich ist, hätte einen deutlich geringeren Effekt als die amerikanischen Restriktionen im High-End Chip-Bereich", sagt Antonia Hmaidi, Analystin beim Mercator Institut für Chinastudien, ntv.de. Es gebe nicht-chinesische Alternativen zu den beiden Rohstoffen oder die Möglichkeit zum Recycling. "Mit ausreichend Anreizen könnten sich auch Lieferketten abseits von China bilden", so Hmaidi. Dem stimmt auch Löchel zu: "Die Beschränkungen bei den Chip-Exporten sind deutlich schwerwiegender für China als die Beschränkungen auf den Export von Gallium und Germanium für die USA."

"Wir laufen Gefahr, auf einen Wirtschaftskrieg zu zusteuern"

Bei der Lizenzvergabe achtet das Handelsministerium darauf, dass die Exporte geltenden Regeln entsprechen. Dabei geht es unter anderem um Angaben zum Ziel der Exporte und zur geplanten Nutzung der Rohstoffe. Hmaidi stuft die verpflichtenden Lizenzen als relativ milde ein. "Ein de-facto Verbot wäre eine deutlich höhere Eskalationsstufe", sagt sie ntv.de. Die Tatsache, dass die Lizenzen allerdings schon ab August verpflichtend sind, könnten aber durchaus kurzfristig zu Problemen führen. "Chinas Regierung hat allerdings wenig Gründe, nicht zumindest den meisten chinesischen Exporteuren diese Lizenzen zu gewähren", gibt sie zu Bedenken.

Löchel sieht das kritischer. Für ihn stellt die Maßnahme hingegen schon eine neue Eskalationsstufe dar. "Wir laufen Gefahr, auf einen Wirtschaftskrieg zu zusteuern - zu unser aller Nachteil", sagt der China-Experte. Jede weitere Maßnahme schade nicht nur der Volkswirtschaft, sondern auch Unternehmen und Verbrauchern. "Das ist eine klassische Lose-Lose-Situation für alle Beteiligten."

Und tatsächlich schlägt die Ankündigung bereits Wellen: Einem Manager eines chinesischen Germanium-Produzenten zufolge haben sich bei ihm bereits mehrere Kunden aus Japan, Europa und den USA gemeldet. Sie wollten bis zum Stichtag so viele Rohstoffe wie möglich bunkern. Der Grund: Sie rechnen damit, dass die Bearbeitungszeit für die Exportanträge bis zu zwei Monate dauert.

Die gestiegene Nachfrage hat Germanium-Preise zuletzt um knapp zehn Prozent auf umgerechnet 1380 Dollar je Kilogramm in die Höhe getrieben. Die Aktien einiger chinesischer Bergbaufirmen wie Yunnan Lincang Xinyuan oder Yunnan Chihong gewannen ebenfalls bis zu zehn Prozent.

Da China die Exporte der beiden Rohstoffe bislang nur kontrolliere und nicht beschränkt, sind die Auswirkungen auf die deutschen Abnehmer noch nicht absehbar. Wirtschaftsminister Robert Habeck ist trotzdem schon besorgt: Die Volksrepublik habe nun begonnen Ernst zu machen bei zwei Metallen, sagte der Grünen-Politiker diese Woche. Wenn die Exportkontrollen ausgedehnt werden würde, etwa auf Lithium, hätte Deutschland ein ganz anderes Problem. China wird laut Löchel voraussichtlich nicht davor zurückschrecken, auch die Lithium-Ausfuhr zu beschränken. Ob die Situation weiter eskaliert, hängt seiner Einschätzung nach nicht nur von China ab, sondern auch davon, wie sich der Westen verhält. "Ich glaube nicht, dass China proaktiv Lithium und Seltene Erden sanktionieren wird."

Alternative Lieferanten stehen bereit

Weltweit suchen Unternehmen bereits nach alternativen Bezugsquellen für wichtige Materialien, um ihre Abhängigkeit zu verringern. Bei Gallium und Germanium ist laut Löchel die sogenannte Substitutionselastizität allerdings zum Glück sehr hoch. Das heißt: Auch in anderen Ländern sind diese beiden Rohstoffe relativ leicht zu beschaffen und zu produzieren.

Als alternativer Germanium-Lieferant hat sich so etwa schon die Demokratische Republik Kongo angeboten. Wir werden Germanium produzieren, um Material zu ersetzen, das auf dem Markt nicht verfügbar ist", sagte Guy Robert Lukama, Chef des staatlichen Bergbaukonzerns Gecamines. Sein Unternehmen hatte sich bereits im Frühjahr die Finanzierung für ein neues Werk zur Gewinnung von Rohmaterialien für die Halbleiter-Herstellung gesichert.

Die Beziehung zwischen den beiden weltgrößten Volkswirtschaften hat sich zuletzt drastisch verschlechtert. "Wirtschaft und Finanzen werden als Waffe eingesetzt. Eine solche Politisierung der Ökonomie, wie wir sie gerade beobachten, habe ich so noch nicht erlebt", sagt Löchel. Bei ihrem Besuch in Peking bemüht sich die US-Finanzministerin Janet Yellen derzeit um Schadensbegrenzung und um eine bessere Beziehung zwischen den beiden Großmächten. Die USA strebten einen gesunden wirtschaftliche Wettbewerb an. "Eine Abkopplung der beiden größten Volkswirtschaften der Welt wäre destabilisierend für die Weltwirtschaft", sagte sie. "Und es wäre praktisch unmöglich."

Quelle: ntv.de, mit rts

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