Wirtschaft

Kritik von Ökonomen Darum gerät die Gasumlage ins Wanken

 Die Gasumlage soll eigentlich am 1. Oktober eingeführt werden.

Die Gasumlage soll eigentlich am 1. Oktober eingeführt werden.

(Foto: picture alliance / Fotostand)

Die hohen Gaspreise für Bürger und Unternehmen müssen runter - da sind sich Bundesregierung und Ökonomen einig. Doch über den Weg dahin wird gestritten. Eigentlich soll am 1. Oktober die Gasumlage von rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde eingeführt werden. Zahlen sollen sie private Haushalte und Firmen, um Energieimporteure zu stützen, die wegen des Ausfalls von russischem Gas nun teurer auf anderen Märkten einkaufen müssen. Während die Bundesregierung prüft, ob die Umlage nach der Uniper-Verstaatlichung überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist, stellen einige Ökonomen die Maßnahme längst infrage. Ein Überblick:

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sieht in der Verstaatlichung des Gasimporteurs Uniper eine "bittere Pille, die Deutschland schlucken muss" und fordert gleichzeitig ein Aus der Gasumlage. "Die Notwendigkeit der Gasumlage ist so nicht mehr gegeben, sie sollte abgeschafft werden, da sonst praktisch doppelt bezahlt werden würde", erklärte DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert. Sie plädierte für ein Aufweichen der Schuldenbremse, damit Deutschland die dringend notwendige Transformation hin zur Klimaneutralität bezahlen könne. Zudem sollten die Einnahmen der Übergewinnsteuer dafür genutzt und fossile Subventionen abgeschafft werden. "Diese Entwicklungen sind allesamt unglaublich bitter, aber unausweichlich", so Kemfert.

DIW-Chef Marcel Fratzscher pflichtet seiner Kollegin bei und kritisierte die ab Oktober geplante Gasumlage, mit der Gas-Importeure stabilisiert werden sollen, indem Verbraucher mehr zahlen müssen. "Die Gasumlage ist ein Fehler." Die Verbraucher würden hier in die Pflicht genommen für unternehmerische Risiken. Gewinne blieben bei den Unternehmen, hohe Verluste würden auf den Steuerzahler abgewälzt.

Aus Sicht von Ökonom Jens Südekum, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Wirtschaftsministerium und Professor an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, macht die Gasumlage nach der Verstaatlichung von Uniper keinen Sinn mehr. "Zwar fallen die hohen Ersatzbeschaffungskosten für Gas weiterhin an, aber die können nun auch direkt aus dem Bundeshaushalt bestritten werden." So ließe sich auch mit den Kosten für die anderen Gasimporteure wie VNG verfahren", sagt Südekum der Nachrichtenagentur Reuters.

Durch die hundertprozentige Übernahme durch die Bundesregierung sei zwar erst mal Ruhe am Gasmarkt eingekehrt. Im Gespräch mit ntv.de geht Südekum allerdings davon aus, dass die Umlage verschwindet. Schließlich bekäme Uniper zwei Drittel der Mittel aus der Umlage. Beim restlichen Drittel sei, mit der Gazprom Germania, ein weiteres Unternehmen dabei, bei dem der Staat schon die treuhänderische Verwaltung habe. "Wenn die Umlage Bestand haben soll, muss sie stark reduziert werden. Es wäre besser, die Verluste von Uniper aus dem Bundeshaushalt zu decken", sagt Südekum.

Auch aus der Industrie gibt Kritik. Die Chemiebranche, einer der größten Gasverbraucher in Deutschland, forderte das Aus für die Umlage: Nach Ankündigung der Uniper-Verstaatlichung sollte die geplante Gasumlage aus Sicht des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) nicht eingeführt werden. "Die Gasumlage muss vom Tisch. Unsere Unternehmen können auch kurzfristig keinerlei weitere Belastungen mehr verkraften", sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. "Allein die geplante Gasumlage wäre so hoch wie der komplette US-Gaspreis. Die Energiekosten müssen besser heute als morgen sinken, die Lage wird immer dramatischer." Im Gespräch mit ntv.de rief Entrup die Bundesregierung dazu auf, jetzt aktiv einzuschreiten. "Lieber jetzt gezielt Geld in die Hand nehmen und die Industrie am Leben erhalten, als in einem halben Jahr großflächig die Arbeitslosigkeit zu finanzieren", sagte Große Entrup ntv.de.

Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie rechnete vor, dass die Gasumlage einen industriellen Arbeitsplatz mit zusätzlich bis zu 20.000 Euro belaste. "Solche Kostensteigerungen lassen sich nicht auf die Preise umlegen, mit der Folge, dass Firmen ihre Produktion herunterfahren, dichtmachen müssen oder ins Ausland abwandern", warnte der Verband.

Auch der Eigentümerverband Haus & Grund hält die geplante Umlage für "obsolet". "In der aktuellen Situation muss der Staat alles unterlassen, was Energie weiter verteuert", erklärte Verbandspräsident Kai Warnecke.

Etwas weniger kritisch als seine Kollegen sieht hingegen Ökonomen Stefan Kooths die Gasumlage. Die Größenordnung sei gesamtwirtschaftlich zwar bedeutsam, aber kein Konsum-Killer. Die Gasumlage verteile die höheren Bezugspreise für Erdgas nur um, sei ihrerseits aber kein Kostentreiber, erklärte der Vizepräsident und Konjunkturchef des Kiel Instituts für Weltwirtschaft. Verzichte man auf die Umlage, stiege seitens der Versorger die Gefahr von Insolvenzen. "Kunden müssten dann zu den viel höheren tagesaktuellen Preisen Neuverträge abschließen." Von daher sei der inflationäre Effekt wie auch der Kaufkraftentzug letztlich nicht der Gasumlage geschuldet, sondern den höheren Importpreisen für Erdgas. "Sollten die Gasversorger eine Gasumlage in Höhe von brutto 2,419 Cent pro Kilowattstunde in der Breite an die Kunden weitergeben, dürfte dies die Inflationsrate gegen Jahresende um knapp einen Prozentpunkt (0,9 Prozentpunkte) anheben", rechnete Kooths vor.

In der "Bild am Sonntag" hat nun auch Finanzminister Christian Lindner wirtschaftliche Bedenken geäußert. "Es stellt sich mir bei der Gasumlage weniger die Rechtsfrage, sondern immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage", sagte Lindner. "Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbremse, die den Preis senkt." Bislang galt Lindner eher als Verteidiger des Umlagemodells, da die naheliegende Alternative eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt wäre, was wiederum die Schuldenbremse gefährden würde. In Habecks Ministerium, das die Umlage selbst entwickelt hatte, gibt es inzwischen ebenfalls nicht nur rechtliche Zweifel an dem unpopulären Projekt.

Ebenso wie bei der Gasumlage gibt es aber auch bereits Stimmen, die sich gegen die Einführung einer Gaspreisbremse aussprechen. "Die Gaspreisbremse ist nicht das optimale Instrument dafür, weil sie eben vielen zugutekommt, die die Lasten eigentlich selbst tragen müssen", sagte IFO-Präsident Clemens Fuest dem Fernsehsender ntv. Ihm wären direkte Einkommenshilfen, insbesondere für einkommensschwache Haushalte und Kredite an besonders leidende Unternehmen lieber.

Ein "Heruntersubventionieren" des Gaspreises sei der falsche Weg. Es wäre "sehr schlecht", wenn man dem Beispiel einiger anderer Länder folgte und Anreize setzte, wieder mehr Gas zu verbrauchen. Nötig seien aber Sparanreize. "Allen Energiekunden werden wir nicht helfen können. Menschen und Unternehmen, die sich selbst helfen können, die Reserven haben, müssen das selber durchstehen", forderte Fuest. Wichtig sei es nun, das Angebot von Strom zu verbessern und alle Kraftwerke ans Netz zu bringen.

Quelle: ntv.de, mit dpa/rts

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