Schmidt lädt zum Treffen in Berlin Der Milchgipfel soll's richten
30.05.2016, 09:44 Uhr
(Foto: dpa)
Die Niedrigpreise für den Liter Milch ruinieren deutschen Landwirten das Geschäft. Ein Milchgipfel soll schnelle Lösungen bringen. Doch der Erwartungsdruck an das Treffen in Berlin ist enorm - und die Zeit drängt.
Deutschlands rund 4,3 Millionen Kühe geben fast 33 Millionen Tonnen Milch. Das ist zu viel, das Angebot ist größer als die Nachfrage nach deutscher Milch. Der Preis fällt, viele Milchbauern können so langfristig nicht überleben. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt hat daher zum Milchgipfel geladen - das Treffen in Berlin soll rasch Lösungen bringen.
Wer ist beim Milchgipfel dabei?
Vertreter des Deutschen Bauernverbands (DBV) für die Erzeuger, des Deutschen Handels (HDE) für die Supermarkt- und Discounterketten sowie des Milchindustrieverbands und des Raiffeisenverbands für die Molkereien. Dazu kommt der Verband der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft, der rund 40 kleinere Molkereien vertritt, die nicht im Industrieverband sind.
Was wird herauskommen?
Minister Schmidt hat schon Bürgschaften, Kredite sowie steuerliche Erleichterungen angekündigt. Laut Unionsfraktion im Bundestag sind etwa Zuschüsse zur Unfallversicherung in Höhe von 80 Millionen Euro und ein Programm für Kreditbürgschaften in Höhe von 150 Millionen Euro zuletzt im Gespräch gewesen, dazu steuerliche Hilfen wie Freibeträge für die Tilgung von Krediten.
Schmidt und der Bauernverband fordern außerdem eine Unterstützung des Handels - sprich: Preiserhöhungen im Milchregal. Die gab es nach dem Milchgipfel 2008 schon einmal, und zwar für die Trinkmilch. Lidl hat schon Zustimmung signalisiert. Allerdings müssten alle mitmachen.
Was wünschen sich viele Bauern?
Die im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) organisierten Bauern fordern staatliche Ausgleichszahlungen für eine Mengenreduzierung. Pro Liter nicht produzierter Milch sollte es ihrer Ansicht nach 30 Cent geben. In ganz Europa würde das bei einer Reduzierung um drei Prozent 1,3 Milliarden Euro im Jahr kosten. Um die Milchmenge um drei Prozent zu senken, genüge es, den Kühen weniger Kraftfutter zu geben - sterben müssen Tiere deswegen nicht.
Was schlagen Länderminister vor?
Die Minister der Länder sind nicht eingeladen. Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) und sein schleswig-holsteinischer Kollege Robert Habeck (Grüne) haben beide eine Milliarde Euro gefordert. Brunner will das Geld für Betriebe verwenden, "die existenzielle Sorgen haben". Habeck will die Milliarde wie der BDM für Entschädigungszahlungen für Bauern einsetzen, die weniger Milch anliefern.
Was ist die Folge anhaltend niedriger Milchpreise?
Der Strukturwandel beschleunigt sich. Er ist bereits in vollem Gang: Die Zahl der Höfe mit mehr als 100 Kühen lag 1990 bei 4900, im vergangenen Jahr gab es schon doppelt so viele solcher Großbetriebe.
Minister Brunner fürchtet für Bayern - hier stehen 32.000 der insgesamt rund 70.000 deutschen Milchbetriebe - bereits verheerende Folgen für Arbeitsplätze, Tourismusregionen und die Kulturlandschaft. In Nordrhein-Westfalen sind laut Landwirtschaftsverband Rheinland schon fünf Prozent der Betriebe in Existenznot. Habeck prophezeit gar, dass in fünf Jahren die Hälfte der Milchbetriebe verschwunden sein wird.
Was sind die Ursachen der Krise?
Deutschland ist der größte Milchproduzent in der EU, und die EU der größte Produzent weltweit vor den USA und Indien. Nicht nur hier, überall wird mehr produziert - in manchen Ländern auch zu deutlich geringeren Kosten als in Deutschland, wo die Bauern die Kühe im Winter im Stall halten und sie mit teurem Kraftfutter zufüttern müssen.
Die seit Jahren ständig steigende Nachfrage dagegen hat einen Stopp eingelegt: Schwellenländer wie China kaufen wegen der Konjunkturschwäche weniger Milchpulver und Käse. Den Westen trifft zudem das vom russischen Präsidenten Wladimir Putin verhängte Embargo.
Quelle: ntv.de, Mingo Isolde Lorenzen, AFP