Studie zum CO2-Preis Der große Klima-Preishammer könnte erst noch kommen
24.05.2023, 16:58 Uhr
Ab 2026 kommt der europaweite Emissionshandel auch für Heizungsenergie. Dann droht ein ähnlicher Preisschock wie auf dem Höhepunkt der Energiekrise 2022.
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Das Heizungsgesetz von Robert Habeck stößt auf heftigen Widerstand. Viele Haushalte haben Angst vor einem teuren Modernisierungszwang. Klimaökonomen hingegen warnen vor der alten Technik. Denn ab 2026 wird das Verbrennen von Gas und Öl erst richtig teuer.
Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, muss der CO2-Ausstoß drastisch reduziert werden. Ein besonders großer Brocken: Rund drei Viertel aller Wohnungen in Deutschland werden mit fossilen Brennstoffen beheizt. Wärmepumpen sind auf dem Vormarsch, setzen sich aber nur langsam durch. Mit dem Gebäudeenergiegesetz will die Bundesregierung die Heizwende vorantreiben. Kritikerinnen und Kritiker warnen vor einem teuren Modernisierungszwang, den viele Haushalte nicht aus eigener Kraft stemmen könnten.
Doch was ist die Alternative? Eine Untersuchung des Klima- und Wirtschaftsforschungsinstituts MCC Berlin warnt: Der Weiterbetrieb einer fossilen Heizung könnte die Haushalte noch teurer zu stehen kommen als der Einbau einer Wärmepumpe. Denn ab 2026 soll die CO2-Bepreisung von Öl, Gas und Kraftstoffen auf einen europaweiten Emissionshandel umgestellt werden. Dabei wird nicht mehr der Preis festgelegt, sondern die Menge der Emissionen, die höchstens ausgestoßen werden dürfen, sodass die von der EU gesetzten Klimaziele erreicht werden. Anbieter fossiler Brennstoffe müssen für die von ihnen verkaufte Menge CO2-Zertifikate erwerben. Der Preis ergibt sich dann aus der Balance von Angebot und Nachfrage.
"Es ist noch nicht ganz durchgesickert, was das für die Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet", befürchtet der MCC-Studienleiter Matthias Kalkuhl. Sein Team hat es durchgerechnet und stellt in mehreren Beispielrechnungen dar, welche Haushalte die Klimaabgabe am härtesten treffen könnte - und wer von Ausgleichszahlungen wie dem Klimageld am meisten profitiert.
Ab 2027 droht der große Preisschock
Bisher zahlen die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher auf fossile Brennstoffe wie Gas, Heizöl, Benzin oder Diesel eine Emissionssteuer, deren Preis auf 25 Euro pro Tonne festgelegt ist. Das entsprach zum Start 2021 für Superbenzin etwa sieben Cent pro Liter, für Diesel und Heizöl acht Cent. Bei Erdgas fielen etwa 0,5 Cent pro Kilowattstunde an. Diese Steuer steigt bis 2025 schrittweise auf 55 Euro pro Tonne CO2, also auf etwas mehr als das Doppelte.
Wie es danach weitergeht, lässt sich schwer vorhersagen. Vieles hängt davon ab, wie schnell fossile Energieträger durch klimafreundliche Alternativen ersetzt und die Emissionen deutlich gesenkt werden - oder aber, wie viele Zertifikate die EU auf den Markt bringt. Expertinnen und Experten gehen jedoch davon aus, dass der CO2-Preis ab 2027 sprunghaft ansteigen wird.
In Modellrechnungen haben Forschende ermittelt, in welcher Preisspanne die Tonne CO2 theoretisch gehandelt werden müsste, damit das Klimaschutzkonzept aufgeht. Der Anreiz zum CO2-Sparen soll groß genug sein, dass sich Investitionen in klimaschonende Technologien lohnen.
Auf diese Überlegungen stützt sich auch das MCC-Team und kommt zu dem Schluss: Ohne Förderprogramme und wirksame Klimaschutzmaßnahmen könnte der CO2-Preis bis 2030 auf 200 bis 300 Euro pro Tonne steigen. Die Folge wäre ein Preisschock ähnlich wie zu Beginn der Energiekrise 2022, sagen die Forschenden voraus.
Demnach müsste ein Vier-Personen-Haushalt mit Gasheizung in den nächsten 20 Jahren zwischen 15.300 und 16.200 Euro mehr aufbringen. Bei einer Ölheizung summieren sich die Mehrkosten sogar auf rund 18.500 bis 23.500 Euro. In Ein- oder Mehrfamilienhäusern lebende Singles tragen Zusatzbelastungen von 13.500 bis gut 21.000 Euro, wenn sie mit Öl heizen, und 9.700 bis 16.800 Euro, wenn sie eine Gastherme betreiben.
Alleinstehende in großen Häusern werden stark belastet
Aus Sicht der Klimaökonomen müssten diese CO2-Kosten ausreichen, um den Privathaushalten den Umstieg auf Wärmepumpen, E-Auto oder öffentlichen Nahverkehr schmackhaft zu machen - auch ohne staatliche Zuschüsse. Allerdings können die Betroffenen auf Ausgleichszahlungen hoffen. Laut Koalitionsvertrag sollen die Einnahmen aus der CO2-Abgabe nämlich als sogenanntes Klimageld an die Bürgerinnen und Bürger zurückgezahlt werden. Angedacht ist eine einkommensunabhängige Pro-Kopf-Pauschale.
Davon würden vor allem Mehrpersonenhaushalte profitieren. Ihre CO2-Ausgaben würden laut den MCC-Berechnungen zeitweise sogar überkompensiert. In anderen Fällen übersteigen die CO2-Ausgaben die Rückzahlungen. Das ist gewollt: Wer in großen Häusern wohnt und schwere Autos mit hohem Spritverbrauch fährt, soll mehr ins System einzahlen als zurückbekommen. Dieser verbrauchsabhängige Ansatz treffe allerdings nicht nur wohlhabende Singles, sondern auch alleinstehende Rentnerinnen und Rentner, mahnt das MCC. Hier reicht das Klimageld kaum aus, um die gestiegenen Heizkosten auszugleichen, zeigen die Berechnungen.
Die Expertinnen und Experten sprechen sich deshalb für eine stärkere Gewichtung aus: Statt die Einnahmen aus dem Zertifikatehandel nach dem Gießkannenprinzip auszuschütten, sollte der Staat jene in den Blick nehmen, die den Fossil-Ausstieg nicht aus eigener Kraft bewältigen können: Menschen, die es sich aufgrund ihres Einkommens oder ihrer Lebenssituation nicht aussuchen können, womit sie heizen oder zur Arbeit fahren.
Wer sich eine Wärmepumpe leisten kann, profitiert doppelt
Das MCC-Papier weist auf einen weiteren Effekt hin, der in der Konzeption des Klimagelds bedacht werden sollte: Wer es sich leisten kann und frühzeitig in eine energieeffiziente, klimafreundliche Ausstattung investiert, hat später nicht nur geringere CO2-Ausgaben, sondern streicht obendrein auch noch die Klimapauschale ein, die weniger privilegierte Haushalte zur Kostendeckung brauchen.
Das Geschäft mit Wärmepumpen boomt bereits. Kurzfristig scheint das angekündigte Einbauverbot für fossile Heizungen aber auch die Nachfrage nach Gasheizungen anzukurbeln, legen Zahlen des Branchenverbands der Heizungstechnik nahe. Kalkuhl kann davon nur abraten, in einer Art Torschlusspanik auf eine neue Gastherme zu setzen, um für die nächsten Jahrzehnte von einem Zwangsumstieg befreit zu sein: "Es muss den Leuten klar sein, welche hohen Folgekosten auf sie zukommen", sagt er. Es sei Aufgabe der Politik, diese Kosten klar zu kommunizieren.
Allerdings handelt es sich um eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Unklar ist beispielsweise, wie sich die Marktpreise für Strom, Gas und Heizöl entwickeln werden. Vieles hängt außerdem davon ab, ob es gelingt, den steigenden Strombedarf für die vielen neu gekauften Wärmepumpen und E-Autos aus "grüner" Energie zu decken. Bleibt der Bedarf nach fossiler Energie unverändert hoch, werden die notwendigen Zertifikate dementsprechend teuer. Werden die Emissionsrechte hingegen zu billig gehandelt, entfällt auch der Spar-Anreiz.
Wirtschaftsexperten wie Kalkuhl warnen die Politik schon jetzt vor Preissignalen, die den Klimaschutz aushebeln. Um Bürgerinnen und Bürgern mehr Planungssicherheit zu verschaffen, könnte beispielsweise auch ein Mindestpreis festgelegt werden, erklärt Kalkuhl. Damit könnte jeder selbst ausrechnen, wie groß der garantierte Spareffekt in jedem Fall ausfällt.
Alles zurück auf Anfang?
Noch habe die Politik Zeit, um Wirtschaft und Bevölkerung auf die Umbrüche auf dem Energiemarkt vorzubereiten. Dem Gebäudeenergiegesetz könnte dabei eine wichtige Rolle zukommen: "Solche ordnungspolitischen Maßnahmen sollen Bürgerinnen und Bürger eigentlich dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen", sagt der MCC-Forscher.
Doch selbst innerhalb der Koalition ist man sich uneinig, ob das der richtige Weg ist. Die FDP spricht sich inzwischen sogar mehr oder weniger offen dafür aus, das Vorhaben zu kippen. Auch Fachleute wie der Klimaforscher Ottmar Edenhofer oder die Wirtschaftsweise Veronika Grimm empfehlen den Koalitionspartnern, noch einmal von vorne anzufangen - und dabei den CO2-Preis stärker in den Fokus zu rücken.
MCC-Forscher Kalkuhl sieht es ähnlich, fügt aber hinzu: "Ich wäre vorsichtig damit, zu sagen: Der CO2-Preis reicht als Maßnahme." Zu groß sei das Risiko, dass das Marktprinzip die unteren Einkommensgruppen übermäßig stark belaste und das soziale Ungleichgewicht verstärke. Wer trägt die Hauptlast bei Mietverhältnissen? Wer bekommt günstige Kredite oder Zuschüsse für den Öko-Heizungsbau? „Solche Dinge löst der CO2-Preis nicht automatisch", sagt Kalkuhl. Auch die Klimageldpauschale schafft nicht den nötigen Ausgleich. Das Gebäudeenergiegesetz könnte also eine Lücke füllen. Doch dazu müssten die Koalitionspartner an einem Strang ziehen.
Quelle: ntv.de