CDU setzt auf Emissionshandel "Das Heizungsgesetz ist überflüssig"
23.05.2023, 08:41 Uhr
Mit steigenden Preisen für energieintensive Produkte oder das Verbrennen von Gas sollen Produzenten und Konsumenten zu klimafreundlicherem Verhalten angeregt werden.
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Der europäische Emissionshandel sorgt dafür, dass es immer teurer wird, klimaschädliche Produkte herzustellen oder zu kaufen. Der CDU-Politiker Peter Liese sieht darin einen Vorteil gegenüber gesetzlichen Regelungen. Im Gegensatz zum Heizungsgesetz sei der Emissionshandel sehr technologieneutral, so Liese. "Der Emissionshandel hat den Vorteil, dass jede Technologie gefördert wird, auch Biomasse, aber zugleich auch Maßnahmen, die ein Gebäude energieeffizienter machen und mit der Heizung erst mal nichts zu tun haben. Dann können die Menschen selbst entscheiden. Wird Zwang ausgeübt, ist das psychologisch immer kontraproduktiv."

Peter Liese ist umwelt- und gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, der auch CDU und CSU angehören. Er war Berichterstatter für die im April beschlossene Reform des europäischen Emissionshandels - also eine Art Verhandlungsführer für das Gesetz innerhalb des EU-Parlaments.
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ntv.de: Sie werben für den europäischen Emissionshandel (ETS) als Alternative zu Klimapolitik der Bundesregierung. Wie funktioniert der?
Peter Liese: Der europäische Emissionshandel funktioniert schon bisher für die energieintensive Industrie, den Stromsektor und die Luftfahrt. Im April haben wir im Europaparlament beschlossen, auch den Schiffsverkehr einzubeziehen. Und ab 2027 wird es in der Europäischen Union nach dem Vorbild Deutschlands einen zweiten Emissionshandel geben, der die Sektoren Verkehr und Gebäude umfasst. Generell gibt es beim Emissionshandel eine feste Grenze an Emissionen, die pro Jahr emittiert werden dürfen - also ein Deckel auf die Emissionen. Aber unterhalb dieses Deckels ist jeder frei, zu entscheiden, wo er emittiert und wo er einspart. Im Gegensatz zum deutschen Heizungsgesetz ist das sehr technologieneutral.
Die Idee hinter dem ETS ist, dass CO2-Emissionen teurer werden, damit Produzenten und Konsumenten zu klimafreundlicherem Verhalten angeregt werden?
Ja.
Aus Ihrer Sicht macht der ETS die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes überflüssig?
Absolut. Ich bin überzeugt davon, dass wir auch im Heizungsbereich Emissionen reduzieren und Richtung Klimaneutralität gehen müssen. In Berlin wird ja auch nicht über das Ziel gestritten, sondern über den Weg. Der Emissionshandel hat den Vorteil, dass jede Technologie gefördert wird, auch Biomasse, aber zugleich auch Maßnahmen, die ein Gebäude energieeffizienter machen und mit der Heizung erst mal nichts zu tun haben. Dann können die Menschen selbst entscheiden. Wird Zwang ausgeübt, ist das psychologisch immer kontraproduktiv. Deswegen glaube ich, dass der Emissionshandel der richtige Weg ist. Aber das Ziel, dass auch der Gebäudesektor klimaneutral werden muss, das steht außer Zweifel. Das gilt übrigens auch für Friedrich Merz, der mich sehr unterstützt hat, als wir den Emissionshandel im Europaparlament beraten haben. In der Berliner Diskussion kommt das immer ein bisschen zu kurz, aber für die Positionsbestimmung der CDU war der Einsatz von Friedrich Merz extrem wichtig.
Im Moment liegt der Preis für eine Tonne CO2 bei knapp 90 Euro. Ist prognostizierbar, wie hoch er steigen muss, damit Europa seine Klimaziele erreicht?
Die 90 Euro gelten für das erste ETS, mit der energieintensiven Industrie, dem Kraftwerkssektor und dem Luftverkehr. Beim Brennstoffemissionshandelsgesetz, das in Deutschland den Emissionshandel für die Sektoren Wärme und Verkehr regelt, sind wir im Moment bei 30 Euro. In der Europäischen Union haben wir einen Preisdeckelmechanismus beschlossen, mit dem der Preis pro Tonne CO2 bis 2029 voraussichtlich nicht über 45 Euro steigen wird. Danach hängt es sehr davon ab, wie wir uns alle verhalten. Wenn wir als Bevölkerung die Heizungen und Gebäude effizienter machen, dann bleibt der Preis moderat. Wenn wir nichts tun, dann wird der Preis auch über 45 Euro steigen.
Das DIW hat eine Studie vorgelegt, nach der in einem Szenario eines CO2-Preises, der bis 2030 auf 180 Euro steigt, immer noch nicht genug CO2 eingespart wird.
Es kommt sehr auf die technologische Entwicklung an und eben auf die Frage, wie wir uns alle verhalten. Diese Studie ist aus dem Jahr 2019. Aus meiner Sicht ist alles, was vor dem Krieg in der Ukraine in diesem Bereich an Studien gemacht wurde, obsolet.
Warum?
Seither haben sich viele Menschen ganz ohne Zwang umorientiert - weil sie Putin nicht unterstützen wollten, weil sie gemerkt haben, wie gefährlich es ist, von fossilen Brennstoffen abhängig zu sein. Auch ohne gesetzliches Verbot rechne ich damit, dass Wärmepumpen einen großen Anteil an den neuen Heizungen ausmachen werden, weil sie ja auch besser und günstiger werden. Im Moment ist das leider noch nicht der Fall, auch deswegen ist das Datum 1. Januar 2024 so problematisch.
Dann soll die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes in Kraft treten.
Das ist noch aus einem weiteren Grund zu früh: Im März haben wir im Europaparlament entschieden, dass die sogenannten F-Gase immer stärker reduziert werden sollen. Das sind Kühlmittel, die im Moment noch unter anderem in Wärmepumpen verwendet werden, die aber klimaschädlich sind, wenn sie in die Atmosphäre gelangen. Bei Technologien, die ohne diese Gase auskommen, sind die deutschen Unternehmen führend und die Wärmepumpen werden immer besser. Aber zum 1. Januar 2024 können gerade die deutschen Hersteller den Hochlauf nicht schaffen, sodass wir von nicht so umweltfreundlichen chinesischen Herstellern abhängig wären.
Im Moment gibt es große Aufregung um die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes. Aber was wird los sein, wenn die Leute in ein paar Jahren merken, dass die Energiepreise wegen des europäischen Emissionshandels steigen?
Als Politik haben wir alle eine Verantwortung, die Menschen darauf vorzubereiten, dass fossile Brennstoffe knapp und teuer werden - im vergangenen Jahr haben wir darauf ja einen drastischen Vorgeschmack bekommen. Das muss man klar kommunizieren, und man muss die Alternativen in den Köpfen positiv besetzen. Deswegen ist dieses Heizungsverbot ja so gefährlich: Bis vor einem halben Jahr war die Wärmepumpe was Tolles. Es war klar, dass sie noch nicht überall funktioniert, aber grundsätzlich war das Thema positiv besetzt. Jetzt reden wir nur noch über die Nachteile der Wärmepumpe, die in zwei, drei Jahren wahrscheinlich nicht mehr so relevant sein werden.
Andere europäische Länder haben einen sehr viel höheren Anteil an Wärmepumpen als Deutschland. Das scheint doch zu funktionieren.
Ja, aber das hängt vom Gebäudebestand ab und vom Strommix. Wenn Frankreich zum Beispiel sehr viel Kernenergie hat und dort bisher viel mit Strom geheizt wurde, dann ist eine Wärmepumpe immer besser als eine Stromheizung. Bei unserem Strommix, der immer noch relativ viel Kohle beinhaltet, ist die Wärmepumpe nach dem heutigen Stand der Technik nur sinnvoll, wenn ich ein relativ gut isoliertes Haus habe - das ist schon besser als vor fünf Jahren, aber ich rechne damit, dass es in weiteren fünf Jahren noch besser sein wird.
Haben Sie nicht trotzdem die Befürchtung, dass ein Bundeskanzler, egal von welcher Partei, darauf reagieren wird, wenn die Umfragen in ein paar Jahren sagen, dass die Leute steigende Preise nicht gut finden?
Kein Bundeskanzler kann einfach mal eben den ETS außer Kraft setzen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, ihre Klimaziele zu erreichen. Ohne ETS müsste man also andere Maßnahmen ergreifen, die teurer und unpopulärer sind. Es kommt sehr darauf an, dass man die Menschen gut vorbereitet. Dafür braucht man eine einheitliche und positive Kommunikation. Die Ampel macht derzeit genau das Gegenteil.
Was würden Sie einem Freund raten, der sich gerade überlegt, noch schnell eine Gas- oder Ölheizung einzubauen?
Das ist tatsächlich schon passiert. Erst neulich hat mir ein Bekannter ganz stolz erzählt, dass er noch einen Termin für den Einbau einer Gasheizung bekommen hat. Da war es schon zu spät, aber ich hätte ihm abgeraten. Einmal aus Klimaschutzgründen, und weil eine Gasheizung auf Dauer sehr teuer werden wird. Aber es kommt auf die konkrete Situation an: Ein Freund hat ein altes, relativ schlecht isoliertes Haus mit einer alten Ölheizung und will eine Gasbrennwerttherme einbauen. Ich habe auch ihm davon abgeraten, aber guten Gewissens kann ich das nur machen, wenn dieses Gesetz komplett verschwindet oder zumindest substanziell geändert wird.
Mit Peter Liese sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de