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Kippt die FDP den Habeck-Plan? Ampel-Streit um das Heizungsgesetz eskaliert

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Lindner und Habeck haben beim GEG sehr unterschiedliche Auffassungen.

Lindner und Habeck haben beim GEG sehr unterschiedliche Auffassungen.

(Foto: picture alliance / Flashpic)

Ginge es nach SPD und Grünen, würde am Donnerstag das Heizungsgesetz erstmals im Bundestag gelesen. Doch die FDP stellt sich quer - mit markigen Worten. Damit macht sich die FDP aber auch die SPD zum Gegner - und womöglich erstmals auch den Bundeskanzler.

Das Heizungsgesetz wird zur großen Belastungsprobe für die Ampel-Regierung: SPD und Grüne peilen noch in der laufenden Woche die erste Lesung des Kabinettsentwurfs im Bundestag an, doch die FDP stellt sich quer. "Das ist eine so große Baustelle, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass wir in dieser Sitzungswoche, geschweige denn vor der Sommerpause da ein Ergebnis erzielen können", sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Montagmittag. Der Entwurf von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck enthalte "unfassbar viele Fehler", sagt Djir-Sarai. "Hier brauchen wir ein neues Gesetz im Prinzip, die Debatten um punktuelle Verbesserungen sind nicht hilfreich." Es ist ein Frontalangriff auf den Grünen-Minister, mit dem die FDP doch eigentlich gemeinsam regiert.

Bleibt die FDP bei ihrem Nein zur ersten Lesung in dieser Woche, wäre der von SPD und Grünen forcierte Zeitplan, das Gesetz bis zum 7. Juli zu verabschieden, wohl obsolet. Schon am Wochenende hatte der zuständige Sprecher der FDP-Fraktion für Energiepolitik, Michael Kruse, "einen neuen, realistischen Zeitplan für das Heizungsgesetz" sowie grundsätzliche Änderungen gefordert. Kruse sagte der "Rheinischen Post", Habeck solle zuerst einmal die "Umstrukturierung in der Führungsspitze seines Ministeriums" bewältigen.

SPD steht grundsätzlich hinter GEG

Während Habeck seit Wochen darum bittet, die Personal-Affäre und Berichte über privaten Verflechtungen an der Spitze seines Hauses nicht mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) zu vermengen, tut die FDP beharrlich das Gegenteil. Graichen gilt als Architekt des Heizungsgesetzes, musste aber im Zuge seiner Trauzeugen-Affäre in der vergangenen Woche gehen. Zumindest in der FDP trauert Graichen kaum jemand hinterher, weil er es sich mit ihren Fachpolitikern schon vor Bekanntwerden der Trauzeugen-Affäre verscherzt hatte. Zu arrogant und ideologisch verengt sei Habecks Vertrauter aufgetreten. Am Montag wurde bekannt, dass der hessische Staatssekretär Philipp Nimmermann den geschassten Graichen ersetzen soll.

Doch während die FDP mit ihrer Kritik am GEG eigentlich allein auf Habeck und die Grünen zielt, könnte sie sich diesmal auch die SPD zum Gegner machen. Diese fordert zwar wie die Liberalen, neben der Wärmepumpe andere Technologien stärker in den Blick zu nehmen und weder Eigentümer noch Mieter zu überfordern. Grundsätzlich wollen die Sozialdemokraten aber den auch mit Verboten arbeitenden Heizungstausch, also einen großen Heizungstausch mit den Mitteln des Ordnungsrechts. Ginge es dagegen allein nach der FDP, würde es möglichst gar kein Verbot, sondern nur Anreize geben - und eine marktwirtschaftliche Transformation der deutschen Heizungslandschaft über einen verlässlich und deutlich steigenden CO2-Preis.

"Wir wollen als SPD, dass dieses Gesetz vor dem Sommer im Parlament verabschiedet wird", macht SPD-Chef Lars Klingbeil am Sonntagabend in der ARD deutlich. Am Morgen legt Rolf Mützenich im selben Sender nach: "Das bedauere ich, das nervt mich", sagt der SPD-Fraktionschef über die angekündigte Blockade der FDP, die erste Lesung nicht schon am Donnerstag im Bundestag abzuhalten. "Die FDP muss in der Lage sein, auch zu belastbaren Beratungen im Deutschen Bundestag zu kommen. Das kann man nicht außerparlamentarisch machen. Wir sind in einer Koalition", ruft Mützenich die Liberalen zur Ordnung.

Habeck warnt vor Vertragsbruch

Habeck wird die Positionierungen der SPD-Spitze vernommen haben. Als er am Montagmittag seine Ideen zur Strompreisbremse erneut vorstellt, erinnert der Wirtschaftsminister an den epischen Koalitionsausschuss Ende März - Habeck nennt ihn eine "politische Meisterleistung" -, an dessen Ende auch die grundsätzliche Einigung über das Gebäudeenergiegesetz stand. "Wir haben im Koalitionsausschuss vereinbart, dass das Gebäudeenergiegesetz vor den parlamentarischen Sommerferien verabschiedet wird." Und: "So wie von uns Vertragstreue erwartet worden ist, erwarte ich das natürlich auch von den Koalitionspartnern."

Damit steht der Vorwurf des Wort- oder Vertragsbruchs im Raum, sollte die FDP auf einer grundsätzlichen Neujustierung des Gesetzes beharren. Doch bei der FDP sieht man das anders. Weder sei der Zeitplan von SPD und Grünen so mit Zustimmung der FDP vereinbart worden, noch das Gesetz als solches. Die FDP habe zwar viele Verbesserungen durchsetzen können, aber eben nicht genügend. Habecks Haus habe bislang zu wenig nachjustiert. Zudem habe ja der FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner nur mit einer Protestnote dem Kabinettsentwurf zugestimmt.

Scholz ohne Einfluss auf FDP-Fraktion

Habeck erinnert sich da anders: Es habe Einstimmigkeit im Kabinett gegeben. Er sei deshalb "optimistisch", dass es bei der Verabschiedung des GEG bis zum Sommer bleibe. Sowohl im Koalitionsausschuss als auch im Kabinett sei Bundeskanzler Olaf Scholz dabei gewesen, unterstreicht Habeck. Nachdem sich der Kanzler in der Vergangenheit in Konfliktfällen aus Grünen-Sicht zu oft auf die Seite der FDP geschlagen hatte, sieht Habeck den Kanzler diesmal auf seiner Seite.

Das Problem: Die Autorität des Regierungschefs greift nur bedingt, sollte er sich denn überhaupt öffentlich einschalten. Der Kabinettsentwurf liegt nun beim Parlament. Regierungsmitglieder können den Fraktionen schlecht Vorgaben machen. Auf diesen Umstand kann sich auch FDP-Chef Lindner berufen, weshalb Scholz den Konflikt nicht mit einem Anruf bei seinem Finanzminister beilegen kann.

Lindner könnte zwar hinter den Kulissen Einfluss nehmen auf das Verhalten seiner Parteikollegen im Bundestag, doch der Anreiz ist gering. Die FDP ist von dem Heizungsgesetz als Ganzes nicht überzeugt und sieht sich durch die Umfragen bestätigt. Während insbesondere die Grünen, aber auch die SPD in den Umfragen schwächeln, haben die Liberalen mit nunmehr acht Prozent im RTL/ntv-Trendbarometer einen Jahreshöchstwert erreicht.

Noch am Mittwoch könnte der öffentlich ohnehin schon angeschlagene Wirtschaftsminister weiter an Autorität verlieren: Die Union will Habeck und seinen Staatssekretär Udo Philipp in einer öffentlichen Ausschusssitzung zu möglichen Interessenskonflikten zwischen Philipps privaten Investments und seiner Tätigkeit im Ministerium befragen. Die Opposition wittert eine zweite Staatssekretärs-Affäre binnen eines Monats.

Quelle: ntv.de

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