Trotz der Wirtschaftspolitik Deutschland steht vor dem Aufschwung
10.04.2014, 11:37 Uhr
Sonniges Frühjahrsgutachten: Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute prophezeien Deutschland einen langen und kräftigen Aufschwung. Das Lob dafür gebührt nach Ansicht der Forscher allerdings nicht der Bundesregierung.
Führende Ökonomen gehen hart mit der Wirtschaftspolitik der großen Koalition ins Gericht. Die Institute kritisieren in ihrem vorgelegten Frühjahrsgutachten vor allem die Einführung des Mindestlohns und die Rentenpolitik. Im Zuge der gesetzlichen Lohnuntergrenze von 8,50 Euro würden allein 2015 rund 200.000 Arbeitsplätze wegfallen, in den drei Jahren darauf kämen weitere 150.000 Jobs dazu. Die Gemeinschaftsdiagnose der Forscher im Auftrag der Regierung trägt den Titel "Deutsche Konjunktur im Aufschwung - aber Gegenwind von der Wirtschaftspolitik".
Der flächendeckende Mindestlohn wird nach Ansicht der Experten die Beschäftigungschancen Geringqualifizierter insgesamt schmälern und kaum zum Rückgang von Armut beitragen. Rund vier Millionen Beschäftigte dürften 2015 von der Regelung betroffen sein.
Kritikpunkte Rente, Mietpreisbremse und Atomausstieg
Die Forscher kritisieren auch die Pläne der Regierung, Beitragszahlern nach 45 Versicherungsjahren im Alter von 63 Jahren eine Rente ohne Abzüge zu gewähren. Sie bezeichnen dies vor dem Hintergrund der alternden Gesellschaft als Rolle rückwärts. "Die abschlagsfreie Rente ab 63 konterkariert die Bemühungen, die Rentenversicherung an die steigende Lebenserwartung anzupassen." Stattdessen würde die Regelung das Potenzial der gesamten Wirtschaft dämpfen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hingegen verteidigte im Bundestag die Rentenpläne der Koalition von Union und SPD.
Auch andere Punkte wie die Mietpreisbremse und die Pläne für den Atomausstieg sehen die Forscher skeptisch. "Die Art und Weise, in der die Energiewende umgesetzt wird, beeinträchtigt aufgrund der mit ihr verbundenen Unsicherheit die Investitionen."
Konsum treibt die Wirtschaft
Erfreulicher ist für die Wirtschaftsforscher der Blick auf die Konjunkturdaten: Deutschland steht ihrer Ansicht nach vor einem kräftigen und längeren Aufschwung. "Treibende Kraft ist die Binnennachfrage", heißt es in dem Frühjahrsgutachten. Für 2014 erwarten die Institute ein Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent, das sich im nächsten Jahr auf 2,0 Prozent beschleunigen soll. Die Zahl der Beschäftigten werde in beiden Jahren jeweils auf einen Rekordwert steigen, heißt es weiter.
Das Thema Deflation in der Euro-Zone macht den Experten kein Kopfzerbrechen. Von einem solchen Preisverfall sei die Währungsunion "ein gutes Stück entfernt", hieß es. Die Teuerung dürfte im Zuge der Konjunkturerholung anziehen, prognostizieren die Forscher. Zuletzt lag die Teuerungsrate nur noch bei 0,5 Prozent. Die Europäische Zentralbank strebt aber knapp zwei Prozent an, quasi als Sicherheitspuffer. Denn eine deflationäre Spirale aus fallenden Preisen, Löhnen und sinkenden Investitionen kann eine Wirtschaft - wie im Falle Japans - lange lähmen.
Erstellt wurde das Gutachten von vier Konsortien, die vom Berliner DIW, dem Münchner Ifo, dem IWH aus Halle und dem Essener RWI angeführt werden. Die Gemeinschaftsdiagnose ist Grundlage für die Konjunktur-Prognose der Bundesregierung, auf der wiederum die Steuerschätzungen für die öffentlichen Haushalte basieren.
Quelle: ntv.de, sla/rts