Inflation und geringe Nachfrage EZB sieht längere Durststrecke für Wirtschaft
14.09.2023, 16:15 Uhr Artikel anhören
"Die Wirtschaft wird wahrscheinlich in den kommenden Monaten gedämpft bleiben."
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Die europäischen Währungshüter sehen auch in den kommenden Monaten keine nachhaltige Erholung der Konjunktur. Erst wenn die Inflation geringer ausfalle und so Reallohnzuwächse den Konsum anschieben, sei mit mehr Schwung zu rechnen. Und dies könne nach dauern.
Die Konjunktur im Euroraum kommt laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde vorerst nicht aus der Flaute heraus. Die wirtschaftliche Aktivität habe im ersten halben Jahr weitgehend stagniert, sagte sie nach der Zinssitzung in Frankfurt. Jüngste Indikatoren wiesen darauf hin, dass auch das dritte Quartal schwach ausfallen dürfte. "Die Wirtschaft wird wahrscheinlich in den kommenden Monaten gedämpft bleiben." Der Export leide unter schwacher Nachfrage. Zudem lasteten die verschärften Finanzierungsbedingungen auf dem Wachstum. Erst mit der Zeit sei konjunkturell mehr Schwung zu erwarten, wenn der Inflationsdruck nachlasse, die realen Löhne stiegen und der Konsum entsprechend anziehen könne.
Im Frühjahr war die Wirtschaft in der 20-Ländergemeinschaft lediglich minimal um 0,1 Prozent gewachsen. Der Euroraum hatte bereits zu Jahresbeginn nur ein minimales Wachstum von revidiert 0,1 Prozent erzielt, nach minus 0,1 Prozent Ende 2022. Die EU-Kommission blickt inzwischen skeptischer auf die Wirtschaftsentwicklung als noch im Frühjahr. Die Brüsseler Behörde erwartet für die Euro-Länder in diesem Jahr nur noch ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,8 Prozent. Im Mai hatte sie einen Zuwachs von 1,1 Prozent veranschlagt.
Zinsplateau erreicht?
Mit Blick auf die zehnte Zinsanhebung in Folge sagte Lagarde, dass die Entscheidung nicht einstimmig gefallen sei. Es habe eine "solide Mehrheit" der EZB-Räte gegeben. Einige Zentralbanker hätten sich aber dafür ausgesprochen, das bisherige Zinsniveau beizubehalten und die weitere Entwicklung abzuwarten.
Die Zentralbank ließ durchblicken, dass es sich voraussichtlich um die zunächst letzte Anhebung handelt. Die Leitzinsen hätten ein Niveau erreicht, "das - wenn es lange genug aufrechterhalten wird - einen erheblichen Beitrag zu einer zeitnahen Rückkehr der Inflation auf den Zielwert leisten wird", erklärte sie. Es werde weiterhin ein "datengestützter Ansatz" verfolgt, um die "angemessene Höhe und Dauer" des restriktiven Zinsniveaus zu bestimmen. Weitere Anhebungen schloss Lagarde dennoch nicht kategorisch aus. "Wir können noch nicht sagen, dass wir den höchsten Punkt erreicht haben", sagte sie. Kein Thema seien derweil Änderungen am PEPP- oder am APP-Programm gewesen. Auch über den aktiven Verkauf von Anleihen, die unter dem APP-Programm erworben wurden, sei nicht geredet worden, sagte sie.
Unterdessen aktualisierte der volkswirtschaftliche Stab der EZB seine Wachstumsprognosen und passte sie nach unten an. So erwarten die Experten nun einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,7 Prozent in diesem und 1,0 Prozent im nächsten Jahr. Für 2025 nehmen sie ein Plus von 1,5 Prozent an. Für 2023 und 2024 wird ein Anstieg der Verbraucherpreise um 5,6 und 3,2 Prozent prognostiziert.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/AFP/DJ