Wirtschaft

Dominoeffekt der US-Zölle Europa droht Dumping-Schock aus China

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Die Billig-Importwelle aus China rollt schon seit Jahren - unter anderem über die Elbe.

Die Billig-Importwelle aus China rollt schon seit Jahren - unter anderem über die Elbe.

(Foto: picture alliance / Chris Emil Janßen)

Trumps Zollkrieg stellt die EU vor ein Dilemma: Flüchten sich die Europäer in Chinas Arme, oder eröffnen sie eine neue Front im Handelskonflikt - obwohl sie das gar nicht wollen - um nicht selbst von Billigexporten aus China überschwemmt zu werden.

Donald Trump hat die USA und den Rest der Welt in einen Wirtschaftskrieg gestürzt, bei dem am Ende alle nur verlieren können. Der größte Widerstand gegen seine historischen Zölle kommt aus China: Die Führung in Peking hat angekündigt, in diesem "ökonomischen Atomkrieg (...) bis zum Ende zu kämpfen".

Der Teufelskreis der Eskalation ist in vollem Gange: Trumps globales Zollpaket, das 34-prozentige neue Zölle für China vorsieht, ist heute in Kraft getreten. Am Donnerstag will China mit Gegenzöllen in gleicher Höhe nachziehen. Trump hat auf diese Ankündigung hin bereits weiteren einen Aufschlag von noch einmal 50 Prozent erlassen. Peking legte nach - die Sonderzölle auf alle US-Einfuhren sollen nun 84 Prozent betragen.

Die Hürden für chinesische Exporte in die USA liegen damit extrem hoch. Zusammen mit den 20 Prozent, die Trump schon vorher erlassen hatte, und den 20 Prozent aus seiner ersten Amtszeit, die Joe Biden übernommen hat, summiert sich der Gesamtzoll nun auf sagenhafte 126 Prozent.

Auch für Waren aus Europa werden in den USA nun satte 20 Prozent Zoll fällig. Doch als größeres Problem für die EU könnte sich die Zollmauer für chinesische Einfuhren in die USA erweisen. Denn Chinas Exporteure können kaum anders, als sich andere Absatzmärkte zu suchen. Ein bedeutender Teil der Erzeugnisse der "Werkbank der Welt" wird künftig wahrscheinlich auf Abnehmer in Europa zusteuern. Der EU droht eine Welle von Billigexporten, die den bereits bestehenden Handelskonflikt mit der Volksrepublik weiter verschärfen könnte.

Wirtschaftliche Gretchenfrage für Europa

Die EU steht vor einem Dilemma: Soll sie sich gegenüber China mit eigenen Schutzzöllen abschotten und so den von Trump begonnenen Zollkrieg weitertragen? Oder soll sie als Antwort auf den US-Protektionismus den eigenen Handel mit Peking ausbauen - und riskieren, dass chinesische Billig-Produzenten Europas Märkte vollends überfluten? Es ist die Gretchenfrage im Zeitalter von Trumps Wirtschaftskrieg.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat bereits angekündigt, eine "Task Force zur Überwachung von Importen" einzurichten. "Wir werden genau beobachten, welche indirekten Folgen diese Zölle haben könnten", warnte von der Leyen bereits letzte Woche in ihrer Antwort auf Trumps "Liberation Day". "Wir können weder globale Überkapazität aufnehmen noch werden wir Dumping auf unseren Märkten akzeptieren."

Die potenzielle Warenwelle ist gigantisch. 2023 hat die EU Produkte für rund 516 Milliarden Euro aus China importiert. Die USA kauften im vergangenen Jahr für 440 Milliarden Dollar in China ein. Auch wenn nur ein kleiner Teil davon nach Europa umgeleitet wird, könnten Supermärkte und Onlinehändler hierzulande bald vollends von chinesischen Billigwaren überschwemmt werden.

China ist schon mit Abstand das wichtigste Importland der EU. Sie fährt genau wie Washington Jahr für Jahr ein gigantisches Handelsdefizit mit Peking ein. Und auch wenn es 2023 zurückgegangen ist, liegt dieses Defizit weiter auf dem zweithöchsten Niveau aller Zeiten. Die EU warnt zudem, dass "Importe aus China zwar im Wert zurückgegangen sind, aber mengenmäßig zugenommen haben". Die Welle aus China rollte schon vor Trumps Zollhammer.

Flatscreens, Maschinen und Billigspielzeug

Um die schwächelnde Industrie zu stützen und den Crash des Bau- und Immobiliensektors in seinem Land aufzuhalten, pumpt Chinas Präsident Xi Jinping seit Jahren immer mehr Geld in das verarbeitende Gewerbe. Die Umleitung von direkten chinesischen Exporten in die USA über Mexiko, Europa oder Vietnam - als Hintertür auf der Reise nach Amerika - ist seit Trumps erster Amtszeit für China eine effektive Strategie im Handelskrieg. Doch der Exportboom stößt an seine Grenzen, der Widerstand in den Zielmärkten wächst - auch in Europa. Deutlichstes Zeichen waren etwa die Zölle auf E-Autos, die die EU im vergangenen Jahr erließ.

Mit der neuen Zollmauer in den USA wächst der Ausfuhrdruck nach Europa. Denn zum Riesenmarkt USA gibt es nicht viele Alternativen: "Es gibt schlicht keine anderen großen Märkte, die die immensen Umfang von Chinas Produktionskapazität leicht aufnehmen können", zitiert das "Wall Street Journal" einen früheren Beamten des US-Finanzministeriums.

Als besonders verheerend könnte sich erweisen, dass Europa und die USA zum großen Teil die gleichen Dinge aus China einführen: Größter Posten der chinesischen Exporte sowohl in die USA (27 Prozent) als auch nach Europa (31 Prozent) ist Elektronik, gefolgt von Maschinen. Ähnlich sieht es bei Möbeln, Plastikprodukten, Spielzeug und Stahl aus. Lenkt China seine Exporte um, kommen also keine neuen Waren, die Europa noch nicht einführt. Sondern mehr von dem, das bereits nach Europa strömt.

Reicht Brüssel China die Hand?

Zwar ist denkbar, dass Europa in Reaktion auf Trumps Zölle die Türen für China weiter öffnet. Schließlich steckt die EU in der gleichen Zwickmühle: Wegen Trumps Zollmauer muss sie neue Exportmärkte suchen. Dafür brauchen die Europäer Partner. Sie könnten die Hand nach Indien, Südamerika, Mexiko und Kanada ausstrecken - und eben ins Reich der Mitte.

Doch wahrscheinlicher ist, dass Trumps Zollkrieg die ohnehin spannungsgeladenen Beziehungen zu Peking weiter verschlechtert. Denn in Brüssel macht man sich keine Illusionen über Chinas langfristige Ziele. Für die EU ist das Land ganz offiziell "Partner, wirtschaftlicher Wettbewerber und systemischer Rivale" zugleich. Auch die EU moniert "systematische Verzerrungen" und "unfaire Handelspraktiken", kritisiert vehement, dass China westliche Firmen offen gegenüber chinesischen Rivalen diskriminiert, mit Milliardensubventionen die Hand über seine Industrie hält und so Überkapazitäten schafft, die hierzulande Jobs kosten. Sie prangert regelmäßig Patentklau und das Datensammeln durch Chinas Staatssicherheit an. Faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen gibt es in China nicht - weder für europäische noch für US-Firmen.

Zudem gibt es noch eine ganze Reihe anderer Konfliktfelder, die einer Annäherung im Wege stehen, allen voran Chinas Unterstützung für Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Insofern kommt für die EU weder eine bedingungslose Umarmung der Volksrepublik noch eine völlige Abkehr von den USA infrage. Nur eines ist gewiss: "Es ist schwer sich ein Szenario vorzustellen, das für die Beziehung der EU zu China gut endet", zitiert die "New York Times" Noah Barkin vom German Marshall Fund in Berlin.

Quelle: ntv.de

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