"Wir verharren in Stagnation" Ifo-Index stoppt unerwartet Talfahrt
27.01.2025, 15:34 Uhr Artikel anhören
Die deutsche Wirtschaft kommt weiter nicht vom Fleck..
(Foto: picture alliance / Joko)
In den deutschen Chefetagen ist die Stimmung zu Jahresbeginn etwas gestiegen - vor allem bei den Dienstleistern. Doch eine nachhaltige Wirtschaftsbelebung signalisiert dies nicht. Geholfen haben wohl Vorzieheffekte angesichts der erwarteten US-Zölle. Die Hoffnungen ruhen auf einer neuen Regierung in Berlin.
Die trübe Stimmung in den Chefetagen der Unternehmen hat sich zum Jahresanfang überraschend etwas gebessert - bleibt aber auf niedrigem Niveau. "Die deutsche Wirtschaft kommt nicht vom Fleck", sagte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe. "Wir verharren in der Stagnation." Das gelte für fast alle Branchen. "Es ist nirgendwo ein klarer Aufwärtstrend zu sehen." Die auch wegen der geopolitischen Lage verunsicherten Firmen erwarten von der neuen Bundesregierung wirtschaftspolitische Impulse.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex als wichtigstes Barometer für die Konjunktur stieg im Januar um 0,4 auf 85,1 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut mitteilte. Für die Erhebung waren rund 9000 Führungskräften befragt worden. Zuletzt hatte es sieben Rückgänge in acht Monaten gegeben. Der Index war im Dezember auf den tiefsten Stand seit der Corona-Krise im Mai 2020 gestürzt. Ökonomen hatten für Januar mit einer Stagnation gerechnet. "Die deutsche Wirtschaft bleibt pessimistisch", betonte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
Denn die Unternehmen beurteilten ihre Geschäftslage zwar etwas optimistischer als zuletzt, ihre Aussichten allerdings skeptischer. Im Verarbeitenden Gewerbe verschlechterte sich das Geschäftsklima sogar erneut. "Die Zahl der Neuaufträge nimmt weiter ab", sagte Fuest. Zudem bleibe die Kapazitätsauslastung mit 76,5 Prozent deutlich unter dem langfristigen Mittelwert von 83,4 Prozent. Bei den Dienstleistern hellte sich die Stimmung spürbar auf, während sie im Handel unverändert blieb und sich im Bauhauptgewerbe wegen schlechterer Aussichten eintrübte.
Ökonomen sprachen bei den Ifo-Daten von einem erfreulichen Jahresauftakt. "Allerdings war das zunächst nur ein kleiner Hüpfer nach einem langen und tiefen Abstieg", sagte LBBW-Analyst Jens-Oliver Niklasch. "Geholfen haben mutmaßlich für die Lage Vorzieheffekte für die Exporte in die USA - bevor die US-Zölle wirklich steigen." Zudem gebe es wohl Hoffnung, "dass in Berlin demnächst eine handlungsfähige Regierung endlich Reformen und Entbürokratisierung liefert".
Michael Herzum von Union Investment erklärte mit Blick auf die erneut verschlechterten Geschäftsaussichten: "Deutsche Unternehmen starten verunsichert ins neue Jahr." Die nach wie vor insgesamt gedrückte Stimmung spreche nicht für ein kurzfristiges Beleben der kraftlosen Investitionen. Lichtblick sei der stabile Konsum.
Die Wirtschaft starte zwar weniger frostig gestimmt ins neue Jahr, aber man dürfe sich keiner Illusion hingeben, warnte KfW-Experte Klaus Borger. "Angesichts der inzwischen fünfjährigen Stagnation und dem immer lauter beklagten Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit ist das kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein." Politik und Firmen müssten die Herausforderungen zum Umbau der Wirtschaft angehen - vor allem in der Industrie. "Ohne deutliche Fortschritte bei der Bewältigung der Strukturprobleme ist in diesem Jahr bestenfalls ein Miniwachstum drin."
Quelle: ntv.de, jwu/rts