Drohende Deflation In China geht die Angst vor sinkenden Preisen um
10.07.2023, 17:29 Uhr Artikel anhören
Pause auf einer Baustelle in Peking. Fallende Immobilienpreise bringen nicht nur eine der wichtigsten Branchen des Landes in Schwierigkeiten, sondern auch viele Chinesen, die ihr Erspartes in Immobilien investiert haben. Das wiederum dämpft die Konsumnachfrage.
(Foto: REUTERS)
Die Sorge vor einem Kaufkraftverlust durch die Inflation ist in vielen Ländern das beherrschende Thema. In China hingegen deutet vieles auf eine Deflation - auf breiter Front fallende Preise - hin, deren Folgen verheerend sein können.
Während westliche Länder gegen eine hartnäckig hohe Inflation kämpfen, wächst in China die Sorge vor einer Deflation. Die chinesischen Hersteller senkten ihre Preise im Juni wegen der schwachen Nachfrage so stark wie seit siebeneinhalb Jahren nicht mehr. Die Erzeugerpreise fielen um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamt in Peking mitteilte. Das war nicht nur der neunte Rückgang in Folge, sondern zugleich der stärkste seit Dezember 2015. Besonders in den Bereichen Energie, Metalle und Chemikalien waren die Unternehmen zu Preissenkungen gezwungen, da sich die Nachfrage im In- und Ausland abschwächte.
Zudem ist die Inflationsrate im Juni auf null gefallen. Das heißt, die Verbraucherpreise stiegen bereits nicht mehr - erstmals seit fast zweieinhalb Jahren. Sie stagnierten im Juni auf dem Niveau des Vorjahresmonats, nachdem es im Mai noch einen leichten Anstieg von 0,2 Prozent gegeben hatte. Ein Grund dürfte die schleppende Nachfrage sein. Das wiederum erhöhte Analysten zufolge die Wahrscheinlichkeit, dass Regierung und Zentralbank mit neuen Konjunkturmaßnahmen die Nachfrage ankurbeln könnten.
Die Ökonomen des Finanzhauses Barclay sprachen angesichts dieser Daten von einem "schwierigen Deflationsumfeld". Als Deflation wird ein Preisverfall auf breiter Front bezeichnet, der eine Abwärtsspirale aus sinkenden Umsätzen, Löhnen und Investitionen auslösen kann - mit verheerenden Folgen für die Wirtschaft. Die meisten Ökonomen halten eine Deflation für gefährlicher für die Entwicklung einer Volkswirtschaft als leicht steigende Preise.
Währung und Aktienkurse fallen
Die Sorge vor einer Deflation in China geht auch an den Finanzmärkten um. Der Kurs der Landeswährung Yuan fiel, auch die asiatischen Aktien rutschten ins Minus. "Angesichts der schwachen Kreditnachfrage und der unter Druck stehenden Währung wird der Großteil der Unterstützung unserer Meinung nach durch die Finanzpolitik erfolgen", erwarten die Ökonomen von Capital Economics. Sie rechnen in diesem Jahr mit weiteren Zinssenkungen durch die Zentralbank. Auch Analyst Hu Yuexiao vom Finanzhaus Shanghai Securities geht davon aus, dass die Währungshüter die Kreditzinsen verbilligen dürften, um die Nachfrage anzuschieben.
Chinas Regierung strebt für dieses Jahr eine durchschnittliche Inflationsrate für die Verbraucher von etwa drei Prozent an. Im vergangenen Jahr, das noch stark durch die Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie geprägt war, lag die Teuerungsrate bei zwei Prozent. Die Zentralbank steht derzeit vor der Herausforderung, die schwächelnde Wirtschaft des Landes nach der langen Phase restriktiver Corona-Maßnahmen wieder auf Trab zu bringen. Das Problem etwa der Europäischen Zentralbank, die zeitgleich auch gegen hohe Inflationsraten kämpfen muss, haben die chinesischen Währungshüter allerdings nicht.
Fallende Immobilienpreise und die finanziellen Probleme zahlreicher Entwickler haben nicht nur die Bautätigkeit in China gedämpft, sondern wohl auch die Konsumbereitschaft. Außerdem macht dem Exportweltmeister zu schaffen, dass wichtige Absatzmärkte wie Deutschland und die Eurozone insgesamt in einer Rezession stecken. Ökonomen großer westlicher Banken haben zuletzt ihre Prognosen für das Wachstum der chinesischen Wirtschaft gesenkt. Das Bruttoinlandsprodukt der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt dürfte nach den Vorhersagen von UBS, Standard Chartered, Bank of America und JPMorgan in diesem Jahr zwischen 5,2 und 5,7 Prozent zulegen. Bislang lag die Spanne bei 5,7 bis 6,3 Prozent.
Quelle: ntv.de, mbo/rts