Vermögen wachsen sprunghaft Kriegstote bringen Russlands ärmsten Regionen Geldregen
02.03.2024, 13:19 Uhr Artikel anhören
Russische Rekrutierte bei ihrer Ausbildung in der durch Russland besetzten Region Donezk.
(Foto: IMAGO/SNA)
Ihre Söhne, Brüder und Ehemänner sterben in der Ukraine- für die Angehörigen in Russland bedeutet das viel Leid und viel Geld. Die Mobilisierung im September 2022 spült auf Bankkonten in den ärmsten russischen Regionen Hunderttausende Rubel, wie die finnische Zentralbank herausfindet.
Im August 2023 hat der russische Ökonom Wladislaw Inosemzew im Interview mit ntv.de erklärt, dass die Besoldung russischer Soldaten im Zusammenhang mit der Mobilisierungswelle für die Invasion in der Ukraine im Herbst 2022 deutlich gestiegen ist. Nun belegt eine Analyse der finnischen Zentralbank, dass Hunderttausende Rubel in den russischen Regionen ankommen, aus denen besonders viele der Mobilisierten stammen. Der "Spiegel" spricht gar von einem makabren Vermögensboom.
Spitzenreiter dieser Entwicklung sei nach Angaben des Nachrichtenmagazins die russische Teilrepublik Tuwa, eine ländliche und kaum besiedelte Region an der Grenze zur Mongolei. Nach Beginn der russischen Mobilisierung im September 2022 sollen die Bankeinlagen der Analyse zufolge um 53 Prozent gestiegen sein. Das hat die Ökonomin Laura Solanko errechnet.
Sie arbeitet am Forschungsinstitut der finnischen Zentralbank (Bofit), das sich auf die Analyse von Schwellenländern spezialisiert hat, unter anderem eben Russland. Basis für die Einschätzung sind monatlich veröffentlichte Berichte der russischen Zentralbank zu den Bankeinlagen.
Neben Tuwa, einer der ärmsten Regionen des Landes, stiegen die Werte auch in anderen strukturschwachen Regionen deutlich an. So weist Tschetschenien ein Plus von 30 Prozent und Burjatien eines von 33 Prozent aus.
700.000 Rubel nur für die Rekrutierung
Die Ursache dafür sind die hohen Zahlen Rekrutierter aus diesen Regionen gepaart mit den deutlichen Besoldungszuwächsen sowie den Entschädigungszahlungen des Verteidigungsministeriums im Falle von Verletzungen oder dem Tode, erklärt Inosemzew ntv.de im August. So erhielten Freiwillige seinerzeit zwischen 200.000 und 600.000 Rubel allein für ihre Unterschrift unter den Verpflichtungsvertrag, also umgerechnet 2000 bis 6000 Euro. Laut "Spiegel" beträgt diese "Sofortprämie" mittlerweile sogar 700.000 Rubel. In Tuwa entspreche dies dem 13-Fachen eines durchschnittlichen Monatslohns im Jahr 2022. Dazu kamen seinerzeit laut Inosemzew 200.000 Rubel Monatslohn.
Richtig lukrativ wird es -allerdings nur für die Angehörigen - wenn der rekrutierte Soldat im Krieg stirbt. Dann gibt es zahlreiche Entschädigungszahlungen. Aus diesem Grund spricht der Ökonom im ntv.de-Interview auch von "Deathnomics", also einer "Ökonomie des Todes". Im Todesfalle gab es, so berichtet er damals, drei Millionen Rubel für die Familien, also 30.000 Euro auf einen Schlag. Der Analyse der finnischen Zentralbank zufolge liegt diese Entschädigung aktuell sogar bei fünf Millionen Rubel, also 50.000 Euro, wenngleich Solanko betont, dass diese nicht in allen Fällen ausgezahlt werden. Nach aktuellen Zahlen ist der Tod von insgesamt mehr als 45.000 russischen Soldaten mittlerweile belegt. Die Kosten für Moskau sind also immens.
Inosemzew: Russland kann noch lange weitermachen
Solanko ergänzt in ihrer Berechnung, dass es keine eindeutigen Belege dafür gebe, dass das verzeichnete Wachstum der Bankeinlagen auf die Zahlungen des Verteidigungsministeriums zurückzuführen sind. "Kriegsbedingte Zusatzzahlungen" seien aber der plausibelste Grund für den Anstieg. Einer Übersicht zufolge wuchsen die Einlagen russlandweit ab Februar 2023 monatlich deutlich im zweistelligen Prozentbereich im Vergleich zum jeweiligen Vormonat. In den Jahren 2017 bis 2022 lag der Zuwachs in nur seltenen Fällen mal bei zehn Prozent. Im August 2023 ging es im Vergleich zum Juli sogar um 20 Prozent nach oben. Zudem, so Solanko weiter, wüchsen die Bankeinlagen in anderen Regionen ungefähr im gleichen Verhältnis wie allgemeine Löhne und Gehälter. In den Regionen Tuwa oder Tschetschenien hingegen übersteigt der Anstieg der Bankeinlagen diese um ein Vielfaches.
Die ärmsten Regionen Russlands profitieren daher finanziell gegenwärtig am stärksten, weil "der Tod die lukrativste Nutzung des Lebens ist", wie Inosemzew dem "Spiegel" jetzt sagt. Und ein Ende ist nicht in Sicht, wie der Ökonom gegenüber ntv.de erklärte. Auf die Frage, wie lange Russland diese Form der "Deathnomics" noch fortführen könne, sagte er: "Noch für eine ganze Weile. Es ist einzig und allein eine Frage des Preises. Wenn die Regierung die Zahlungen erhöht, werden sich viele Russen für den Einsatz melden. Bei der Mobilmachung wurden 300.000 Mann rekrutiert. Verglichen mit der Bevölkerung von insgesamt 145 Millionen Menschen ist das wenig. Mit höheren Zahlungen kann der Kreml bestimmt unkompliziert weitere 500.000 oder 600.000 Menschen mobilisieren."
Quelle: ntv.de