Wirtschaft

Show statt Selbstkritik Paul Achleitner strickt an seiner Legende

Auf der Hauptversammlung schiebt Chefaufseher Paul Achleitner den Abstieg der Deutschen Bank anderen in die Schuhe.

Auf der Hauptversammlung schiebt Chefaufseher Paul Achleitner den Abstieg der Deutschen Bank anderen in die Schuhe.

(Foto: picture alliance / Arne Dedert/d)

Milliardenverluste, Kurscrash und nun der Abbau von mindestens 7000 Jobs: Am Abstieg der Deutschen Bank ist auch ihr Chefaufseher schuld. Doch statt zur Fehlersuche nutzt er das Aktionärstreffen für Propaganda in eigener Sache.

Paul Achleitner weiß genau, was auf ihn zukommt. Um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, versucht der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank die Stimmung zu Beginn der Hauptversammlung mit Fußballsprüchen zu lockern. "Als Münchner ist es mir ein besonderes Bedürfnis, Ihnen zum Pokal zu gratulieren", sagt er an die Eintracht-Fans in der Frankfurter Festhalle gerichtet. "Auch im Zusammenhang mit der Deutschen Bank werden des Öfteren Fußball-Analogien bemüht", witzelt Achleitner. "Champions-League versus Europa-League, Team- versus Einzelspieler und Spieler- versus Trainerwechsel".

Achleitners Versuch, eine friedliche Kulisse zu schaffen, wirkt angestrengt. Die Lage der Deutschen Bank ist so dramatisch, dass auch Achleitner sie nicht mehr beschönigen kann. "Ich freue mich auf die Aussprache mit ihnen. Natürlich wird sie kritisch verlaufen", gibt sich der Chefaufseher des größten deutschen Geldhauses demütig. "Wenn man den Aktienkurs anschaut, kann das auch gar nicht anders sein".

Schon das dritte Jahr in Folge schreibt die Bank tiefrote Zahlen. Im Herbst wird sie wohl aus dem Eurostoxx-Index der wichtigsten 50 europäischen Aktien fliegen. Mindestens 7000 Jobs will sie bis Ende 2019 kappen und das Investmentbanking, das in den Boomjahren ihre Gewinnmaschine war, zusammenstreichen. Die Schuld für die lebensbedrohliche Krise sucht Achleitner bei anderen: Um den Abstieg in die zweite Liga der Finanzwelt aufzuhalten, hat er es bisher mit Spielerwechseln versucht und drei Chefs in fünf Jahren verschlissen. Doch immer mehr Aktionäre fliehen, weil sie erkennen, dass das Problem auch die Strategie des Trainers ist: Paul Achleitner, der die Bank schon seit 2012 von der Spitze des Aufsichtsrats lenkt.

Geschichtsklitterung vor den Aktionären

Unter seiner Ägide als Chefaufseher hat sich der Aktienkurs mehr als halbiert, während der Dax sich mehr als verdoppelt hat (siehe Grafik). In seiner Amtszeit hat die Bank ihr selbstgestecktes Ziel von zehn Prozent Eigenkapitalrendite in jedem Jahr krachend verfehlt. Doch Achleitner lässt keine Anzeichen von Selbstkritik erkennen. Stattdessen versucht er die Geschichte des Niedergangs der Bank umzuschreiben.

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Zwar dankt er Ex-Chef John Cryan, den er über Ostern fristlos gefeuert hat, mit den üblichen Abschiedsformeln für seine Verdienste. Er sei "der richtige Mann für diese Phase der Bank" gewesen, habe seine Mission "hervorragend erfüllt". Doch gleichzeitig schiebt er ihm unverhohlen den schwarzen Peter zu.

In der Chefetage habe ein "Entscheidungs- und Umsetzungsdefizit" bestanden, das "trotz zahlreicher Diskussionen mit dem Vorstandsvorsitzenden nicht geringer wurde". "Gute Pläne" seien "nicht diszipliniert und konsequent genug angegangen" worden. Soll heißen: Die Strategie des Trainers hat gestimmt. Der Spieler hat sie auf dem Platz nur nicht richtig umgesetzt.

Dabei war es Achleitner selbst, der sich an der Spitze des Aufsichtsrats über Jahre gegen die Abkehr von den Investmentbankern gestemmt hat, die den Ruf der Bank völlig ruiniert haben. Er war es, der schon Cryans Vorgängern Anshu Jain und Jürgen Fitschen Rückendeckung dabei gab, den nötigen Kurswechsel zu verschleppen. Die Bank bekommt jetzt die Quittung dafür. Die Konkurrenten haben die Kehrtwende viel früher vollzogen.

Kritiker stellt Achleitner vom Platz

Achleitners stilles Eingeständnis seines Scheiterns ist die Tatsache, dass er dem neuen Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing nun offenbar freie Hand gegeben hat, das Investmentbanking zu stutzen. Doch auch bei dieser Entscheidung verbiegt Achleitner nachträglich die Wirklichkeit.

Im Aufsichtsrat hätte es beim plötzlichen Führungswechsel über Ostern "von Anfang an eine klare Präferenz für einen internen Nachfolger" gegeben, behauptet der Chefkontrolleur gegenüber den Aktionären. Christian Sewing sei dabei "unsere erste Wahl" gewesen. Dabei hatte die Bank laut Berichten des "Wall Street Journal", der britischen "Times" und "Spiegel" mehrere externe Kandidaten wie Unicredit-Chef Jean Pierre Mustier und Goldman-Banker Richard Gnodde angesprochen. Erst als die abwinkten, hob Achleitner Christian Sewing in den Chefsessel.

Interne Kritiker seiner Strategie machte der Trainer dagegen mundtot: Als IT-Chefin Kim Hammonds auf einer Führungskräftetagung die Deutsche Bank als das "dysfunktionalste Unternehmen" bezeichnete, für das sie je gearbeitet habe, feuerte Achleitner sie ohne mit der Wimper zu zucken. "Wir wünschen ihr weiterhin viel Erfolg in ihrer Karriere", verabschiedet der Aufseher seine Widersacherin nun schmallippig in der Festhalle.

Die ersten Großaktionäre meutern

Achleitner ist sichtlich nervös, als er seine Entscheidungen Revue passieren lässt. Mehrmals verhaspelt er sich in seiner Rede, spricht von Unternehmensspritze statt Unternehmensspitze. Als er den Aktionären fälschlicherweise gar 11 Euro Dividende statt der geplanten 11 Cent Ausschüttung je Aktie verspricht, brandet Applaus im Saal auf. Denn viele Aktionäre wollen sich nicht länger mit Fußballsprüchen abspeisen lassen.

Man werde "gegen die Entlastung des Aufsichtsrats stimmen, da der Umbau der Bank nun schon sechs Jahre andauert - erschwert durch diverse Strategiewechsel und immer erst sehr spätem Eingreifen", kündigt der Vertreter von Deka Investment an. "Der Aktienkurs gleicht der Fahrt in einer Geisterbahn, bei der hinter jeder Kurve eine unangenehme Überraschung lauert", beschwert sich der Vermögensverwalter der Sparkassen.

"Die Deutsche Bank ist ein Koloss auf tönernen Füßen", warnt auch Portfoliomanager Ingo Speich von Union Investment. Der Deutschen Bank laufe die Zeit davon. "In einem Stress-Szenario könnte der Druck so groß werden, dass eine Zerschlagung oder eine 'Not-Fusion' mit einer anderen Bank unumgänglich wird."

Achleitner setzt dagegen weiter auf Zweckoptimismus. "Die Gleise sind gelegt, jetzt muss nur der Zug Geschwindigkeit aufnehmen", sagt er voraus. Er muss es wissen. Als Chefkontrolleur ist er dafür verantwortlich, dass die Deutsche Bank nicht vor die Wand fährt.

Quelle: ntv.de

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