Wirtschaft

Platz für über 100.000 GrafikchipsSchwarz-Gruppe baut riesiges KI-Rechenzentrum im Spreewald

17.11.2025, 11:41 Uhr
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Ab heute wird auf der Baustelle für das neue Schwarz Digits Rechenzentrum gearbeitet. (Foto: picture alliance/dpa/Frank Hammerschmidt)

Vor allem bei Lidl und Kaufland sammelt der Mutterkonzern, die Schwarz-Gruppe, eine Menge Daten: die von Waren, aber auch die von Kunden. Das Unternehmen möchte nicht, dass diese Informationen unbeabsichtigt abfließen. Dafür errichtet der Konzern jetzt ein Rechenzentrum.

Die Schwarz-Gruppe, der Konzern hinter Lidl und Kaufland, baut in Lübbenau im Spreewald auf rund 13 Hektar Fläche ein riesiges Rechenzentrum für elf Milliarden Euro. Es handele sich um die größte Einzelinvestition in der Unternehmensgeschichte. Die beiden Chefs der Digitalsparte der Gruppe, Rolf Schumann und Christian Müller, sagten beim Spatenstich für das Projekt, das Rechenzentrum diene "in erster Linie" dem eigenen Bedarf. Die Schwarz-Gruppe wolle selbst entscheiden, was mit ihren Daten passiere.

Der erste Bauabschnitt des Schwarz Digits Datacenter soll bis Ende 2027 fertiggestellt werden. Das Rechenzentrum wird nach Angaben des Unternehmens im Regelbetrieb mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben. Die Anlage wurde mit einer Anschlussleistung von zunächst rund 200 Megawatt geplant und ist in zwei Bauabschnitten modular erweiterbar. Die im Rechenzentrum entstehende Abwärme kann demnach 75.000 Haushalte mit Fernwärme versorgen.

Es würden "mehr als hunderttausend Grafikchips der neuesten Generation Platz finden, einer allein circa so groß wie ein Pizzakarton", sagte Schumann. Zum Vergleich: Das neue Rechenzentrum, das die Deutsche Telekom und Nvidia derzeit in München bauen, soll mit 10.000 GPUs laufen. In dem Rechenzentrum in Lübbenau sollen die Spezialchips auch für das Training großer Modelle mit KI-Inferenz eingesetzt werden. Das sind Computermodelle, die darauf trainiert wurden, viele Informationen zu verstehen und daraus sinnvolle Vorhersagen oder Antworten zu machen.

Arbeitsplätze entstehen nach dem Bau nicht in Größenordnung: "Vor Ort brauchen wir überwiegend Sicherheitspersonal und Gärtner", sagte Schumann zur "Bild"-Zeitung. "Die meisten Arbeitsplätze entstehen durch das, was mit den Daten gerechnet wird."

Digitalminister Karsten Wildberger von der CDU sagte beim Spatenstich, Deutschland brauche Rechenpower, um in der ersten Liga bei Künstlicher Intelligenz mitzuspielen. "Nur mit leistungsfähigen Rechenzentren können wir KI-Anwendungen im großen Stile einsetzen und unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken." Dieses Projekt zeigt, Deutschland verfüge über das Können und die Kompetenzen, seine digitale Souveränität voranzubringen. "Heute ist ein guter Auftakt für eine Woche, in der wir die Stärkung unserer eigenen technologischen Fähigkeiten und unsere Unabhängigkeit in den Fokus rücken."

Datenschutz im Fokus

Müller sagte der Zeitung, Daten seien "das Öl des 21. Jahrhunderts, der neue Code, in dem alles Wissen steckt". Das Unternehmen möchte, "dass Daten dort gespeichert sind, wo Gesetze und Werte identisch sind mit ihren Unternehmenswerten". Die Schwarz-Gruppe habe 2017 angefangen, eine eigene Cloud zu entwickeln, sagte Schumann. In dieser Cloud seien Waren, Preise und Kundendaten gespeichert.

"Jeder will zu Recht wissen, wer auf seine Daten zugreift und was mit den Daten passiert", führte Müller aus. Mit Daten würden KI-Modelle trainiert, "und somit fließt Wissen ab und Schutz fällt weg". Die Schwarz-Gruppe wolle ihren Kunden versprechen, dass mit ihren Einkaufsdaten nur das passiert, was zuvor vereinbart wurde, wie beispielsweise personalisierte Angebote. "Da kommt dann eben nicht irgendwann Werbung von anderen."

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Müller (l.) und Schumann stellen ihre Pläne der Öffentlichkeit vor. (Foto: picture alliance/dpa/Frank Hammerschmidt)

Schumann sagte der Zeitung, Wissen und Bildung sei die größte Ressource, die Deutschland habe. "Wenn man diese Bildung nutzt, Wissen generiert, Geschäftsideen hat - dann sollte man dies nie aus der Hand geben." Gerade in der aktuellen geopolitischen Lage heiße das große Thema Überlebensfähigkeit. "Einfach gesprochen: Wenn ich 100 Prozent abhängig bin und jemand schaltet etwas ab - dann ist es nicht mehr da, dann sind die Daten weg." Für diesen Fall der Fälle gelte es, vorbereitet zu sein.

Müller lobte den in Deutschland geltenden Datenschutz. "Die Regulierungen helfen, unsere Grundwerte zu schützen." Sie könnten "ein Exportschlager" werden.

Schwarz-Gruppe beschreitet Amazons Weg

Die Schwarz-Gruppe verfolgt mit seinen Rechenzentren eine ähnliche Strategie wie der weltweit größte Onlinehändler Amazon. Mitte der 2000er-Jahre begann Amazon damit, eigene IT-Infrastruktur auch extern als Service anzubieten. Heute sind die Amazon Web Services (AWS) weltweit führend im Bereich Cloud-Infrastruktur - noch vor Microsoft Azure und Google Cloud. Im vergangenen Monat kam es zu einem großflächigen Ausfall der AWS-Server.

Cloud bedeutet, dass Speicherplatz, Datenbanken und verschiedenste Rechenleistungen aus vernetzten Rechenzentren über das Internet angeboten werden. Cloud-Anwender müssen sich dabei nicht selbst um die Wartung der Hard- und Software kümmern.

Als Muttergesellschaft von Kaufland und Lidl ist die Schwarz-Gruppe selbst ein großer IT-Anwender. Die beiden Supermarktketten haben in den vergangenen Jahren ihr Filialnetz stetig ausgebaut. Insgesamt betreiben sie nun rund 14.200 Geschäfte in 32 Ländern. Die Gruppe beschäftigt inzwischen rund 595.000 Mitarbeiter. Im neuen Rechenzentrum in Lübbenau werden aber nicht nur eigene Daten erarbeitet - also Daten aus Liefer- und Bestellprozessen, Bezahlvorgängen und Kundenbindungsprogrammen. Vielmehr sollen Speicher und Rechenleistung auch externen Kunden angeboten werden.

Deshalb fällt die Standortwahl auf Lübbenau

Für den Standort Lübbenau spricht, dass es dort eine exzellente Stromversorgung gibt. Die Schwarz-Gruppe kann dabei die Infrastruktur nutzen, die einst für ein Braunkohlekraftwerk gebaut wurde. Das Kraftwerk wurde im Sommer 1996 stillgelegt. Die Anbindung an das Stromverteilung- und Übertragungsnetz ist aber noch vorhanden und funktioniert bestens.

Gut versorgt ist die Stadt auch mit einer Glasfaseranbindung. So betreibt die Deutsche Telekom einen größeren Verteilknoten in der Lübbenauer Neustadt. Und da sich die Daten in einer Glasfaserleitung in Lichtgeschwindigkeit bewegen, spielen auch Entfernungen wie die 100 Kilometer nach Berlin keine größere Rolle.

Der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen zufolge ist Deutschland der führende Rechenzentrumsstandort in Europa. Demnach verfügen deutsche Rechenzentren derzeit über eine Gesamtleistung von rund 2,4 Gigawatt. Im internationalen Vergleich bleibe die Bundesrepublik aber deutlich hinter USA und China zurück. Demnach kommt die USA auf etwa 40 Gigawatt Rechenzentrumsleistung. Die zentrale Lage in Europa, die Nähe zum Internetknoten in Frankfurt am Main und die stabilen Netze mit geringer Ausfallgefahr machten Deutschland attraktiv. Ein Minus sind laut der Allianz die hohen Stromkosten und die lang dauernden Genehmigungsverfahren.

Quelle: ntv.de, mpa/dpa/AFP

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