
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg will sich am liebsten selbst regulieren.
(Foto: REUTERS)
Mark Zuckerbergs Entschuldigung für das Datenleak beweist: Facebook wird sich nie selbst regulieren. Die Bürger, mit deren Daten der Konzern Milliarden scheffelt, müssen endlich bestimmen, was er damit tun darf und was nicht.
Der Datenskandal bei Facebook ist endlich da angekommen, wo er von Anfang an hingehört hätte: in der Chefetage. Die Firma Cambridge Analytica saugte Facebook-Profile von mehr als 50 Millionen Menschen unerlaubt ab und fütterte dann gezielt Trump-Unterstützer im US-Wahlkampf mit Hassbotschaften. Nach fünf Tagen ohrenbetäubender Stille entschuldigte sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg dafür nun im US-Fernsehen.
"Das war ein großer Vertrauensbruch. Es tut mir wirklich leid, dass das passiert ist", bekennt Zuckerberg reumütig auf CNN. Als Lehre aus dem Datenskandal will er ein paar technische Veränderungen umsetzen und den Zugriff von App-Entwicklern auf Facebooks Datenschatz stärker einschränken. "Ich will etwas schaffen, für das meine Mädchen stolz auf mich sind", erklärt er mit feuchten Augen seinen Sinneswandel. Doch das ist blanke Heuchelei.
Legionen von Kritikern warnen seit Jahren vor der Überwachungsmaschine, die der Facebook-Chef geschaffen hat. Und während Zuckerberg öffentlich totale digitale Transparenz predigt, hat er im Stillen alle Nachbarhäuser um sein Grundstück aufgekauft, damit ihm niemand in den Garten schaut. Während er uns alle zu gläsernen Bürgern macht, hat er auf seinem Laptop die Webcam abgeklebt.
Wie bisher handelt Zuckerberg aus Eigennutz und nicht aus gesellschaftlicher Verantwortung. Erst als die Facebook-Aktie zehn Prozent abstürzt und seine Firma 50 Milliarden Dollar Börsenwert verliert, entdeckt Zuckerberg sein Gewissen. Er tritt offensichtlich nur vor die Kameras, um einer Regulierung zuvor zu kommen. Doch von allein wird Facebook nie zu dem werden, was es sein sollte: ein Konzern, der endlich Verantwortung für seine Geschäfte übernimmt. Der einzige Weg dahin führt über klare Gesetze.
Unser Leben gehört uns, nicht Facebook
Seit Jahren schert sich Facebook einen Dreck um die Folgen seines Geschäfts. Die Kosten für Fake News, Hasskommentare, politische Bots und Datenmissbrauch lädt der Konzern ungeniert bei der Allgemeinheit ab. Facebook scheffelt Milliarden mit den Daten der Bürger, zahlt aber kaum Steuern. Der Konzern macht damit unsere Leben zum Rohstoff seiner Profite, schützt aber unsere Privatsphäre nicht. Er bietet Rechtsextremen, Islamisten und Betrügern eine Bühne, will aber nicht dafür geradestehen, was sie dort sagen. Er zensiert Nippel, aber keine Nazis. Facebook ist die organisierte digitale Verantwortungslosigkeit.
Gleichzeitig ist das soziale Netzwerk nicht mehr wegzudenken. Es einfach zu löschen, wie es viele Nutzer nun tun, ist keine Lösung. Denn Facebook ist nicht mehr nur eine Firma, sondern faktisch das Internet für Milliarden Menschen. Wie jedes Monopol muss das Netzwerk deshalb im öffentlichen Interesse reguliert werden, auch wenn das der Firma nicht gefällt. Im 19. Jahrhundert pusteten Fabriken ihren Dreck ungefiltert in den Himmel und kippten ihn in die Flüsse. Dann wurden Abgasnormen und Gewässerschutzvorschriften erlassen. Heute sind Luft und Wasser sauberer. Genau so muss es auch mit Facebook laufen.
Die Politik muss rote Linien ziehen
Strengere Privatsphäre-Einstellungen reichen nicht mehr aus. Es geht um eine neue Qualität der Regulierung: nicht nur darum, welche Daten wir Facebook geben, sondern für welchen Zweck Facebook sie verwendet. Wir müssen dem Konzern genauer vorschreiben, was er mit unseren Daten machen darf - und was nicht. Bisher legt Facebook das in seiner Datenpolitik großzügig selbst fest. Einschränkungen gibt es daher - Überraschung - so gut wie keine.
Eigentlich ist es ganz einfach: Facebook hat massive Auswirkungen auf die Gesellschaft. Also muss sich Facebook auch gesellschaftlicher Kontrolle beugen. Aus Zuckerbergs Freundesliste ist längst nicht nur eine Überwachungs- und Propagandamaschine, sondern ein potentieller Zensurapparat geworden. Mindestens ebenso gefährlich wie der Missbrauch der Daten durch ein Leck ist Zuckerbergs Macht zu entscheiden, wer den Datenschatz überhaupt nutzen darf: Was, wenn der Facebook-Chef eines Tages entscheidet, sie nur bestimmten Parteien im Wahlkampf zur Verfügung zu stellen? Oder von bestimmten Firmen niedrigere Preise dafür zu verlangen, weil sie Werbung zeigen, die ihm gefällt?
Über solche politischen Grundsatzfragen sollten die gewählten Vertreter der Bürger entscheiden, ohne die es Facebook gar nicht gäbe. Sie müssen die Grenzen ziehen: Wo verläuft die rote Linie zwischen zielgerichteter Werbung und Wählermanipulation? Wie genau definiert man Fake News? Welche Inhalte sollten verboten werden? Das wird nicht einfach. Aber man muss es wenigstens versuchen. Sonst ist die Demokratie in Gefahr.
Quelle: ntv.de