Vorbild Österreich oder Schweiz?So erzielen unsere Nachbarn höhere Renten
Christina Lohner
Österreicher bekommen deutlich höhere gesetzliche Renten - da lässt sich schnell neidisch werden. Sollten also auch hierzulande Selbstständige und Staatsdiener zur Kasse gebeten werden? So einfach ist es nicht. Die Schweiz lässt indes Gutverdiener mehr zahlen.
Österreich wird in der Rentendebatte oft als Vorbild herangezogen. Die gesetzlichen Renten unserer Nachbarn lagen 2022 im Schnitt ganze 47 Prozent über den deutschen, wie Forscher der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vorrechnen. 1645 Euro brutto betrug die durchschnittliche Pension, wie die gesetzliche Rente in Österreich heißt, und damit rund 500 Euro mehr als hierzulande. Befürworter eines Rentensystems für alle frohlocken, denn in Österreich müssen auch Selbstständige einzahlen.
Außerdem wird in dem Nachbarland immer weniger verbeamtet. Die dadurch höhere Zahl von Beitragszahlern aus dem öffentlichen Dienst sowie von Selbstständigen erklärt laut DRV in Summe rund 30 Prozent des Rentenunterschieds zwischen Deutschland und Österreich. Doch so einfach ist es nicht.
Hinzu kommen zahlreiche weitere Faktoren, die Deutschland Österreich zumindest teilweise gar nicht nachmachen kann. Die deutlich höheren Pensionen in Österreich kommen auch durch höhere Beitragssätze und Bundeszuschüsse zustande. Zusammen machen diese den DRV-Forschern zufolge die Hälfte der Differenz zu den deutschen Renten aus.
Während der Beitragssatz hierzulande derzeit 18,6 Prozent des Bruttoeinkommens beträgt, sind es im Nachbarland - schon seit dem Jahr 1988 - mit 22,8 Prozent deutlich mehr. Davon entfallen 10,25 Prozent auf die Arbeitnehmer und 12,55 Prozent auf die Arbeitgeber, während in Deutschland beide Seiten jeweils die Hälfte tragen. Der höhere Beitragssatz erklärt demnach ebenfalls ein Drittel der Rentendifferenz. Dabei ist allerdings zu beachten, dass alle Sozialversicherungsbeiträge in Summe in Österreich trotzdem niedriger sind als in Deutschland, die dortigen Krankenkassenbeiträge liegen deutlich unter den hiesigen.
Beamtenpensionen werden angeglichen
Etwa ein Viertel des Rentenunterschieds zwischen den beiden Ländern wird zudem durch eine jüngere Bevölkerungsstruktur möglich. Auf eine Person im Rentenalter kommen in Österreich mehr Menschen im Erwerbsalter und damit Beitragszahler als in Deutschland. Das lässt sich schwerlich nachahmen.
Die höheren Pensionen ergeben sich darüber hinaus in Teilen dadurch, dass in Österreich mindestens 15 Versicherungsjahre Voraussetzung sind, während in Deutschland 5 Jahre genügen. Hierzulande senken daraus folgende "Minirenten" - beispielsweise von Hausfrauen oder Selbstständigen, die nur wenige Jahre versichert waren - den Schnitt. Wer im Nachbarland zum Beispiel nur zehn Jahre versichert war, geht leer aus. Wer vorzeitig in Rente geht, muss zudem höhere Abschläge in Kauf nehmen als in Deutschland.
Die Beamtenpensionen werden in Österreich seit 20 Jahren schrittweise an die gesetzlichen Pensionen angepasst. Für junge Staatsdiener gelten bereits die gleichen Berechnungsregeln wie in der gesetzlichen Versicherung, für ältere wurden Übergangsregelungen eingeführt. Gemeinsam mit den abnehmenden Verbeamtungen sorgt diese Harmonisierung mit der gesetzlichen Rente für in den kommenden Jahren stark sinkende Ausgaben für Beamtenpensionen, wie die DRV-Dezernenten Ulrich Brandt und Christoph Freudenberg in der Fachzeitschrift "Wirtschaftsdienst" ausführen.
Schweiz bittet Gutverdiener stärker zur Kasse
In Deutschland spielen neben der gesetzlichen Versicherung private und betriebliche Renten eine deutlich größere Rolle als in Österreich, betonen die Autoren. Auch das Schweizer Rentensystem baut auf diese drei Säulen. In der ersten Säule besteht allerdings ein entscheidender Unterschied: Es wird viel stärker umverteilt.
Der Beitragssatz liegt mit 10,6 Prozent - die sich hälftig auf Arbeitgeber und -nehmer aufteilen - deutlich unter dem deutschen. In der Schweiz werden die Beiträge jedoch auf das gesamte Gehalt fällig, es gibt keine Beitragsbemessungsgrenze, ab der keine Beiträge mehr anfallen.
Die Beiträge sind somit nicht gedeckelt - dafür aber die Renten. Die Maximalrente beträgt derzeit gut 2500 Schweizer Franken, umgerechnet gut 2700 Euro. Bei sehr hohen Einkommen bekommen die Beitragszahler später also deutlich weniger Rente, als sie eingezahlt haben.
Das Schweizer Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) sieht dieses Altersvorsorgesystem als entscheidende Basis für den Wohlstand des Landes. Die Schweizer stehen bei der Rente allerdings vor den gleichen Herausforderungen wie Deutschland. Die Menschen werden immer älter, während die Geburtenrate sinkt. Die Zuwanderung der vergangenen Jahre habe diese Entwicklung nur bremsen, nicht verhindern können. "Diese Entwicklungen gefährden die Finanzierung der Altersvorsorge", heißt es von der Behörde.
Risiko Wirtschaftsschwäche
Daneben wirkt sich eine schwache wirtschaftliche Entwicklung negativ aus, wenn die gesetzliche Altersvorsorge vor allem durch Lohnabgaben und Steuerzuschüsse finanziert wird. Ebenso negativ ist die Wirkung bei der beruflichen Vorsorge: Eine Wirtschaftsflaute bedeutet auch weniger Kapitalerträge.
Die Lösungsvorschläge unserer Nachbarn klingen daher wie hierzulande: Arbeiten im Alter soll attraktiver werden oder das Renteneintrittsalter von derzeit 65 Jahren steigen. Weitere mögliche Stellschrauben: die Beitrags- oder aber die Rentenhöhe. Welche Maßnahmen gewählt werden, müsse in einem demokratischen Prozess ausgehandelt werden, betont das BSV. Auch in der Schweiz dürfte der hitzige Rentenstreit in Deutschland somit aufmerksam verfolgt werden.