Wirtschaft

Abstrakte Zahl, handfester StreitWas ist dieses Rentenniveau?

17.11.2025, 18:11 Uhr
imageVon Max Borowski
Eine-Seniorin-haelt-ihren-Rentenbescheid-in-der-Hand-Schlechten-Nachrichten-gibt-es-fuer-die-Rentner-in-Westdeutschland-Ihre-Renten-werden-nach-den-Prognosen-der-Deutschen-Rentenversicherung-2021-nicht-steigen-Lediglich-im-Osten-sei-im-Zuge-der-Rentenangleichung-zwischen-Ost-und-West-noch-mit-einem-kleinen-Plus-zu-rechnen
Das Rentenniveau wird ab 2032 wieder senken. Das heißt, die Renten werden langsamer steigen als Löhne und Gehälter. (Foto: picture alliance/dpa)

In der Koalition und innerhalb der Union brodelt es wegen eines Prozentpunktes beim Rentenniveau. Was bedeutet diese Kennzahl genau? Warum sie im Fokus der Diskussion steht, obwohl sie keine konkrete Aussage über die Entwicklung der Rentenhöhe erlaubt.

In der Koalition und innerhalb der Union brodelt es wegen eines Prozentpunktes beim Rentenniveau. Was bedeutet diese Kennzahl genau? Warum sie im Fokus der Diskussion steht, obwohl sie keine konkrete Aussage über die Entwicklung der Rentenhöhe erlaubt:

Was ist das Rentenniveau?

Das, wie es im Gesetz ganz genau heißt, "Sicherungsniveau vor Steuern" ist eine rechnerische Größe, die die Entwicklung der Renten und der Arbeitseinkommen vergleicht. Dazu wird eine Standardrente ins Verhältnis gesetzt zum Durchschnittsgehalt - vor Steuern, wie der Name sagt, aber nach Abzug von Sozialbeiträgen. Konkret ausgedrückt: Ist das Rentenniveau stabil, steigt diese Standardrente im Gleichschritt mit der Lohnentwicklung. Sinkt das Rentenniveau, steigt die Standardrente langsamer als Löhne und Gehälter.

Die Standardrente ist die Rente, die jemand bekommt, der 45 Jahre lang als in Vollzeit arbeitender Durchschnittsverdiener Beiträge eingezahlt hat. Das ist nicht zu verwechseln mit einer durchschnittlichen Rente, denn viele Versicherte kommen nicht auf 45 Beitragsjahre mit Vollzeitbeschäftigung. Die Standardrente liegt bei etwa 1770 Euro pro Monat, was wiederum rund 48 Prozent eines durchschnittlichen Vollzeitverdienstes entspricht. Die durchschnittlich ausgezahlte Rente liegt mehrere Hundert Euro niedriger.

Wie hat sich das Rentenniveau entwickelt?

Dieses Verhältnis von Standardrente zu Durchschnittsverdienst ist im Laufe der vergangenen Jahrzehnte bereits stark gesunken. Ende der 1970er Jahre belief sich die Standardrente noch auf fast 60 Prozent des Durchschnittsverdienstes, 2012 fiel dieses Verhältnis erstmals unter 50 Prozent. Das bedeutet, Löhne und Gehälter sind in den vergangenen Jahrzenten stärker gestiegen als die Standardrente. Grund dafür ist, dass die Formel zur Berechnung der Rentensteigerungen mehrmals verändert wurde, um bei einer steigenden Zahl von Rentnern die Beiträge stabil zu halten.

Was sagt das Rentenniveau nicht aus?

Nicht ablesen lässt sich am Rentenniveau, ob und wie stark die gesetzlichen Renten insgesamt steigen. Dafür sind gemäß der Rentenformel unter anderem auch die Lohnentwicklung und die demografische Entwicklung entscheidend. Obwohl das Rentenniveau in den vergangenen Jahrzehnten gesunken ist, sind die Renten in Euro gemessen gestiegen, wenn auch deutlich langsamer als Löhne und Gehälter. Berücksichtig man die Inflation, hat eine Standardrente von heute mit etwa 1770 Euro nahezu die gleiche Kaufkraft wie vor zwanzig Jahren, als die Standardrente gut 1170 Euro betrug.

Keine Rückschlüsse lässt das Rentenniveau auch auf die Höhe von individuellen Rentenansprüchen zu. Dafür spielen nicht nur die Versicherungsjahre und die Höhe der gezahlten Beiträge eine Rolle, sondern auch zusätzliche Ansprüche etwa durch Kindererziehungszeiten. In den vergangenen Jahren wurden die Renten vieler Gruppen etwa durch die Grundrente, die abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte oder die Mütterrente verbessert, ohne dass sich das in der Standardrente und damit im Rentenniveau widerspiegelt.

Warum die ist diese abstrakte Größe so umstritten?

Ziel der gesetzlichen Rentenversicherung war ursprünglich nicht nur, Arbeitnehmer im Ruhestand abzusichern, sondern sie auch nach dem Renteneintritt am steigenden Lebensstandard teilhaben zu lassen. Deswegen orientiert sich die Berechnung der Renten grundsätzlich an der Entwicklung der Löhne und Gehälter und nicht etwa der Inflation. Allerdings stellte man schon in den 90er Jahren fest, dass die Zahl der Rentner im Verhältnis zu den Beitragszahlern der Rentenversicherung zunimmt. Daher wurde im Zuge mehrerer Rentenreformen festgelegt, dass die Renten nicht in derselben Geschwindigkeit steigen sollen wie die Arbeitseinkommen, sondern um einen speziellen Faktor, der die demografische Entwicklung abbildet, langsamer. Das ist heute der Nachhaltigkeitsfaktor.

Das heißt nichts anderes, als dass das Rentenniveau abgesenkt wurde, damit die Belastung der Beitragszahler nicht zu stark zunimmt. 2019 griff die damalige schwarz-rote Koalition in die Entwicklung der Renten erneut ein und führte temporäre "Haltelinien" ein: Die Rentenbeiträge sollten nicht auf mehr als 20 Prozent steigen und das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent fallen. Beides sollte bis Ende 2025 gelten.

Worüber wird nun gestritten?

Die aktuelle schwarz-rote Koalition hat sich bereits darauf geeinigt, diese Haltelinie für das Rentenniveau bis 2031 zu verlängern. Der derzeitige Streit dreht sich darum, wie es danach weitergeht.

Der aktuelle Gesetzentwurf sieht vor, dass danach die alte Rentenformel mit Nachhaltigkeitsfaktor wieder greift und damit das Rentenniveau tendenziell wieder abgesenkt wird - ausgehend von dem durch die Haltelinien bis dahin auf 48 Prozent gehaltenen Niveau. Die Kritiker dieses Planes möchten dagegen, dass bei einem rund einen Prozentpunkt niedrigeren Niveau angesetzt wird, was dem Rentenniveau entspräche, wenn die Haltelinie Ende dieses Jahres aufgegeben würde. Dabei werden Schätzungen präsentiert, die den Unterschied der Kosten für die beiden Varianten auf 120 Milliarden Euro verteilt über einen Zeitraum von neun Jahren beziffern.

Auch hier gilt: Festgelegt wird durch das Gesetz nur, dass die Standardrente hinter der Lohnentwicklung zurückbleiben wird. Wie sich die Renten konkret entwickeln, wird daher eben auch von den Löhnen und Gehältern, der wirtschaftlichen Lage insgesamt und der Demografie abhängen, sowie von anderen politischen Entscheidungen, etwa zur Mütterrente.

Quelle: ntv.de

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