China demonstriert seine Macht Warum Autobauern jetzt auch noch die Chips ausgehen


Nexperia ist der weltgrößte Anbieter einfacher Halbleiter wie Dioden oder Transistoren.
(Foto: imago images / Hollandse Hoogte)
Die niederländische Regierung entzieht dem chinesischen Eigner des Chipherstellers Nexperia die Kontrolle über das Unternehmen. China stoppt daraufhin die Lieferung wichtiger Halbleiter - und versetzt die Autokonzerne in Aufruhr. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist der Auslöser der aktuellen Lieferschwierigkeiten bei Nexperia?
Beim Chiphersteller Nexperia kommt es zu Lieferproblemen, nachdem die niederländische Regierung die Kontrolle über die bisher von einer chinesischen Konzernmutter geführten Firma übernommen hatte. China stoppte daraufhin die Ausfuhr von Nexperia-Produkten wie Chips für die Autoindustrie. Nexperia habe daher Automobilhersteller und Zulieferer informiert, "dass das Unternehmen die Belieferung der Automobilzulieferkette mit seinen Chips nicht mehr in Gänze gewährleisten kann", erklärte die Chefin vom Verband der Automobilindustrie (VDA) Hildegard Müller.
Wieso hat die niederländische Regierung dem chinesischen Mutterkonzern die Kontrolle entzogen?
Die Niederlande begründeten den harten Schritt mit "schwerwiegenden Verwaltungsmängeln und Maßnahmen". Diese gefährdeten den "Fortbestand und die Sicherung wichtiger technologischer Kenntnisse und Fähigkeiten auf niederländischem und europäischem Boden". Nexperia steht seit Jahren unter dem Verdacht, kritische Technologie und Wissen zum Mutterkonzern Wingtech in China zu transferieren. Dieser steht seit 2024 wegen angeblicher Risiken für die nationale Sicherheit auf einer schwarzen Liste der US-Regierung.
Ist an dem Vorwurf etwas dran?
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält die Begründung aus den Niederlanden für "sehr weit hergeholt". Die Chips von Nexperia seien "Einfachst-Chips", "keine Spitzentechnologie", sagte er ntv.de. Technologie-Klau sei deshalb kein Thema. Dudenhöffer hält es für möglich, dass die niederländische Regierung auf Bestreben der USA eingeschritten ist. "Es riecht verdammt nach einem provozierten Konflikt mit China." Plötzlich komme wieder die Chipangst auf und es werde eine Rote Karte gegenüber den "bösen Chinesen" gezogen, dabei wäre die Rote Karte für die USA die richtige Entscheidung, sagt Dudenhöffer.
Was genau produziert Nexperia?
Nexperia ist der weltgrößte Anbieter einfacher Halbleiter wie Dioden oder Transistoren. Diese werden zwar auch in Europa produziert, zur Verpackung und Weiterverarbeitung jedoch nach China verschickt. Sie sind relativ günstig in der Herstellung und werden unter anderem in elektronischen Steuergeräten von Fahrzeugen verbaut. Darüber hinaus werden sie auch für grundlegende Funktionen in vielen anderen elektronischen Geräten wie etwa Kühlschränken verwendet.
Welche kurzfristigen Auswirkungen drohen für die Automobilbranche?
"Die Situation könnte schon in naher Zukunft zu erheblichen Produktionseinschränkungen, gegebenenfalls sogar zu Produktionsstopps führen, falls die Lieferunterbrechung von Nexperia-Chips nicht kurzfristig behoben werden kann", sagte VDA-Chefin Müller. Ein VDA-Sprecher ergänzte auf Anfrage von ntv.de: "Brancheninsider sagen, dass nahezu die gesamte automobile Lieferkette in kurzer Zeit betroffen sein wird, sollte sich nicht binnen kürzester Zeit etwas an der Situation ändern."
VW lässt in seinem Wolfsburger Stammwerk bereits am Freitag die Produktion ruhen. Die Bänder sollen einen Tag lang stillstehen, stattdessen wird eine ursprünglich für Samstag geplante Inventur vorgezogen, wie ein Betriebsratssprecher ntv.de erklärte. Samstag wäre ein zusätzlicher Arbeitstag gewesen, den sich das Unternehmen damit vorerst spart. Nach aktuellem Stand soll Unternehmenskreisen zufolge nächste Woche in Wolfsburg regulär produziert werden, bis einschließlich Donnerstag, nächsten Freitag ist in Niedersachsen Feiertag.
Wie reagiert Volkswagens Konkurrenz?
BMW-Chefökonom Kai Fournell zeigte sich trotz der Lieferprobleme und drohender Produktionsstopps vorsichtig optimistisch. "Ausschließen kann man gar nichts - aber wir arbeiten daran, dass das eben nicht passiert. Das ist uns ganz wichtig." Die Branche sei auf derartige Szenarien vorbereitet. "Das kann durchaus ernst werden. Das prüfen wir gerade. Aber es überrascht uns jetzt nicht, sondern das wissen wir schon seit längerer Zeit", sagte Fournell zu ntv.
Gibt es andere Unternehmen, die für Nexperia einspringen können?
Volkswagen will einen echten Produktionsstopp mit einem neuen Zulieferer abwenden. "Wir haben einen alternativen Lieferanten, der den Lieferausfall der Nexperia-Halbleiter ausgleichen könnte", sagte VW-Markenproduktionsvorstand Christian Vollmer dem "Handelsblatt". Derzeit werde mit einem Unternehmen verhandelt, dessen Namen er jedoch nicht nennen wollte.
Wie könne eine Lösung des Streits aussehen?
Die Chip-Engpässe lassen sich Branchenexperte Stefan Bratzel zufolge nur politisch lösen. Denn die Niederlande hätten anscheinend auf Druck der USA die Kontrolle über Nexperia übernommen, weil der chinesische Mutterkonzern Wingtech auf einer schwarzen Liste der US-Regierung steht. "Das niederländische Außenministerium und die EU müssen das Chip-Problem schnell mit China lösen. Das ist jetzt dringend notwendig, denn in zwei Wochen wird es eng mit der Autoproduktion", sagt Bratzel.
Einem Insider zufolge wird die chinesische Tochter des niederländischen Chipherstellers ihre Lieferungen an Kunden aus der Volksrepublik wieder aufnehmen, wenn die Geschäfte künftig ausschließlich in Yuan statt wie bisher in US-Dollar abgewickelt werden. Damit solle der China-Ableger offenbar unabhängiger vom niederländischen Mutterkonzern gemacht werden. Nexperia wollte sich zu diesem Thema nicht äußern, warnte aber vor möglichen Qualitätsproblemen bei Produkten aus dem chinesischen Werk.
Quelle: ntv.de, mit rts/dpa