Wirtschaft

Doping für die Börse Warum Pekings Milliarden-Hilfspaket verpuffen wird

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Chinesische Aktien in Hongkong haben zum Wochenbeginn den schwersten Abschlag seit 15 Jahren gesehen. Internationale Investoren sind mit Blick auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zunehmend pessimistisch.

Chinesische Aktien in Hongkong haben zum Wochenbeginn den schwersten Abschlag seit 15 Jahren gesehen. Internationale Investoren sind mit Blick auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zunehmend pessimistisch.

(Foto: picture alliance / NurPhoto)

Chinesische Wertpapiere laufen schlecht. Dass der Aktienmarkt auf ein Fünf-Jahrestief abstürzt, ruft die Politik auf den Plan. Umgerechnet 300 Milliarden US-Dollar sollen in den Markt gepumpt werden. Dass Peking damit Investoren locken kann, ist kaum zu erwarten.

Ein milliardenschweres Rettungspaket für den unter Druck geratenen chinesischen Kapitalmarkt hat am heutigen Dienstag zunächst für Erleichterung an den Börsen gesorgt. Laut der Finanzagentur Bloomberg plant Peking einen Stabilisierungsfonds mit umgerechnet fast 300 Milliarden US-Dollar auszustatten. Mit dem Geld sollen chinesische Aktien gekauft werden, was den Markt stützen soll.

Nach dem Abrutschen auf ein Fünf-Jahres-Tief zum Wochenanfang gingen die chinesischen Aktienmärkte in Folge auf Erholungskurs: In Hongkong sprang der Hang Seng Index um drei Prozent nach oben. Der Index der wichtigsten Unternehmen in Schanghai und Shenzhen sowie die Börse in Schanghai zogen jeweils um rund einen halben Prozentpunkt an.

Wie Bloomberg berichtete, wurde die Geldspritze auf einer Kabinettssitzung unter Vorsitz von Ministerpräsident Li Qiang in Aussicht gestellt. Bei dem Geld handelt es sich um im Ausland liegendes Geld chinesischer Staatsbetriebe. Darüber hinaus sollen auch mindestens 300 Milliarden Yuan für lokale Fonds bereitgestellt werden, die über die chinesische Investmentbank und Maklerfirma, China Securities, oder den ehemaligen chinesischen Staatsfonds, Central Huijin Investment, in Onshore-Aktien fließen sollen. Die Regierung prüfe auch weitere Optionen, von denen einige noch in dieser Woche bekannt gegeben werden könnten, heißt es in dem Bericht weiter.

Die lückenhafte Erholung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und ein erneuter Einbruch bei den Eigenheimverkäufen in der vergangenen Woche hat die chinesische Regierung jetzt offenbar aus der Reserve gelockt. Die neuen Stützungsmaßnahmen aus Peking zeigten deutlich, wie alarmiert die Politik über den anhaltenden Abschwung am chinesischen Aktienmarkt sei, konstatierte Jochen Stanzl, Analyst beim Broker CMC Markets. Ob sie von Erfolg gekrönt sein werden, muss sich zeigen. "Solange die weltweiten Investoren einen Bogen um Chinas Aktien machen, droht eine Fortsetzung des Abwärtstrends, wenn sich an den fundamentalen Rahmenbedingungen nichts ändert", gab Stanzl zu bedenken.

Schwindendes Vertrauen in Pekings Wirtschaftspolitik

Die Sorge um die chinesische Wirtschaft und vor allem den kriselnden Immobilienmarkt hatte in den vergangenen Jahren zu einem kontinuierlichen Rückzug ausländischer Investoren geführt. Anleger haderten zuletzt auch damit, dass die chinesische Zentralbank auf eine Zinssenkung verzichtete. Sie fürchteten zu wenig Stimulierung für die stotternde Volkswirtschaft von staatlicher Seite. "Das Vertrauen der Anleger in die inländische Wirtschaftspolitik bleibt schwach", kommentierte Vermögensverwalter Minsheng Royal Fund Management.

Im Gesamtjahr ist die Wirtschaft im vergangenen Jahr zwar um 5,2 Prozent gewachsen, damit erreichte sie das offizielle Wachstumsziel der Volksrepublik von fünf Prozent. Aber die Erwartungen der Analysten wurden damit verfehlt. "China befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Umstrukturierung, die zum Niedergang vieler zuvor florierender Sektoren wie dem Immobiliensektor führen wird", sagte Yang Tingwu vom Vermögensverwalter Tongheng Investment. Die Reihe der veröffentlichten Wirtschaftsdaten spiegele ein ungleichmäßiges Wachstumsumfeld wider, das noch keine nachhaltige Trendwende zeige, sagte IG-Stratege Jun Rong Yeap.

Die zusammen mit den BIP-Daten veröffentlichten Konjunkturindikatoren für Dezember zeigten zuletzt, dass die Einzelhandelsumsätze so langsam wuchsen wie seit September nicht mehr. Die Volksrepublik steckt in einer Deflation. Chinesen vertagen ihre Ausgaben, weil sie mit weiter sinkenden Preisen rechnen. Hält die Zurückhaltung an, wird es das Wirtschaftswachstum immer weiter bremsen.

Auch das Investitionswachstum fiel im Dezember schwach aus, obwohl die Industrieproduktion Anzeichen einer Verbesserung aufwies. Die Preise für Neubauten sanken im Dezember mit dem schnellsten Tempo seit Februar 2015 und heizten damit die Sorgen um Chinas Immobiliensektor weiter an.

Jugendarbeitslosigkeit und Bevölkerungsschwund

Chinas Wirtschaft litt im vergangenen Jahr auch unter hoher Jugendarbeitslosigkeit. Einer von fünf Menschen zwischen 16 und 24 Jahren in China ist ohne Arbeit. Hinzu kommt der Bevölkerungsschwund - auch aufgrund von Todesfällen im Zusammenhang mit Covid. Beides bedeutet weniger Arbeitskräfte und Konsumenten, was das Wachstumspotenzial des weltweit nunmehr nur noch zweitbevölkerungsreichsten Landes nach Indien tendenziell schmälert: Für 2024 sehen Experten auch wegen politischen Gegenwinds für die Exporteure nur verhaltene Wachstumsperspektiven.

Skepsis ist angebracht, ob die Investoren mit den Stützungsmaßnahmen nun dauerhaft an den Aktienmarkt zurückkehren. Vor den jüngsten Maßnahmen hatten die chinesischen Behörden laut "Financial Times" bereits andere ergriffen: So wurden Aktienverkäufe einiger institutioneller Investoren beispielsweise eingeschränkt. An bestimmten Tagen sind große Anleger seit Oktober demnach angehalten, mehr Aktien zu kaufen als zu verkaufen. Das Ruder rumgerissen hat das nicht.

Quelle: ntv.de, mit Agenturen

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