Unerfreuliche Aussichten China hat Wachstumsprobleme
21.01.2024, 08:37 Uhr Artikel anhören
Chinas Bevölkerung schrumpft - das verstärkt die wirtschaftlichen Probleme.
(Foto: REUTERS)
Chinas Wirtschaft schwächelt, zugleich werden dort immer weniger Menschen geboren. Für das dringend benötigte Wachstum sind das keine guten Aussichten.
Es gibt einen alten Satz über China, der in den vergangenen Jahren immer mal wieder herausgeholt wurde: Das Riesenreich könnte das erste Land werden, dessen Bevölkerung alt wird, bevor sie reich geworden ist, hieß es oft warnend oder mit leichtem Schaudern. Denn an einem agilen, wachsenden China hängt ja ein wichtiger Teil der Weltwirtschaft und der Industrie, auch der deutschen.
Nun aber scheinen sich tatsächlich zwei für China und seine Handelspartner sehr problematische Entwicklungen zu kreuzen. Am Mittwoch wurde das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2023 bekannt gegeben. Der Wert lag mit 5,2 Prozent etwas über dem offiziellen Ziel der chinesischen Regierung und außerdem auch deutlich höher als im Jahr 2022, als die Volkswirtschaft nur um drei Prozent zugelegt hatte. Doch was vordergründig wie ein Erfolg aussah, ist in Wirklichkeit ein Alarmsignal: Zum einen wuchs die Wirtschaft vor allem daher stärker, weil die Ausgangsbasis im Vorjahr so niedrig gewesen war - einem Jahr mit drastischen Corona-Einschränkungen und geschlossenen Häfen. Und selbst die 5,2 Prozent Wachstum sind eine der niedrigsten Raten der vergangenen Jahrzehnte. Seit 1990 haben eigentlich nur die Covid-Jahre zu derartigen Einbrüchen geführt.
Hinzu gerät das Land, und hier kommt die andere Achse der alten China-Prophezeiung ins Spiel, auch demografisch in die Bredouille. Das einst bevölkerungsreichste Land der Erde erlebte 2023 einen Negativrekord bei den Neugeborenen, nur noch 6,39 Geburten pro 1000 Einwohner wurden registriert, nach 6,77 im Vorjahr. Zusammen mit steigenden Sterbeziffern bedeutet das: China schrumpft, und zwar schon das zweite Jahr in Folge. Netto verlor das Land im vergangenen Jahr über zwei Millionen Menschen, mit 1,41 Milliarden Einwohnern fällt China weiter hinter den neuen Spitzenreiter Indien zurück.
Die Gründe liegen zum einen in der Ein-Kind-Politik, die jahrzehntelang das Bevölkerungswachstum unter Kontrolle halten sollte und nun nach hinten losgeht. Allerdings wurde die Regelung bereits vor acht Jahren gelockert, weshalb sich aktuell sinkende Geburtenraten nur begrenzt damit erklären lassen. Stattdessen dürften auch die schlechte Gesundheitsversorgung und die hohen Lebenshaltungskosten in den Städten dazu beigetragen haben, dass sich immer weniger Chinesen dazu entscheiden, eine Familie zu gründen. Und dann ist da die Pandemie: Anfangs in vielen Ländern für das rigide Eingreifen der Regierung gelobt, wuchs sich die Kontrolle im Laufe der Zeit zu einem dystopischen Exzess aus. Als dann plötzlich alle Schleusen geöffnet wurden, war im Grunde jede echte Strategie im Umgang mit Covid-19 erledigt.
Immobilienmarkt steckt in Schwierigkeiten
Das Zusammentreffen der beiden großen Entwicklungen - wirtschaftliche Flaute und Rückgang der Bevölkerung - hat weitreichende Folgen in allen Bereichen der chinesischen Volkswirtschaft. Die Konsumausgaben sinken, die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte auch. Vor allem aber trifft es den Immobilienmarkt, mit einem BIP-Abteil von 30 Prozent eine der wichtigsten Säulen der chinesischen Wirtschaft überhaupt. Haus- und Wohnungsverkäufe brachen der offiziellen Statistik zufolge 2023 um 8,5 Prozent ein, die Investitionen in dem Sektor gingen um 9,6 Prozent zurück. Die Zahl der leer stehenden chinesischen Wohnprojekte nimmt weiter zu.
Das wiederum wirkt sich auf die Vermögen der Chinesen aus, die zu einem überwiegenden Teil durch Immobilienbesitz getragen werden. Der Effekt ist eine Abwärtsspirale beim Wirtschaftswachstum, die sich auch im laufenden Jahr fortsetzen dürfte. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für 2024 nur noch mit einem BIP-Anstieg um 4,2 Prozent - deutlich zu wenig für einen Wachstumsmarkt.
Sollte diese Vielzahl der Krisen in eine echte Deflation münden, könnte das fatale Folgen für das Interesse der Investoren, Verbraucher und das generelle Vertrauen in den chinesischen Markt haben. Für die Ökonomen der Welt allerdings wäre das tatsächlich eine neue Fallstudie: eine große Industrienation, die überaltert, bevor sie genug Geld hatte, ein funktionierendes Sozialsystem aufzubauen, hat es so noch nicht gegeben.
Quelle: ntv.de