Wenige Terminals, viel Protest Warum es schwer ist, Gas aus Kanada zu importieren
18.08.2022, 08:39 Uhr
Olaf Scholz und Justin Trudeau beim G7-Treffen im bayerischen Elmau. Nun wird der Kanzler erneut auf den kanadischen Premier treffen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Am Sonntag reisen Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck nach Kanada. Offiziell geht es um Zukunftsmusik, geplant sind Gespräche über Wasserstoff. Was die aktuelle Erdgas-Knappheit betrifft, wird Deutschland vorerst nicht auf den weltweit größten Produzenten setzen können.
Mit einem drohenden Versiegen der Gaseinfuhren aus Russland sucht Deutschland nach möglichen Alternativen. Eine davon: Kanada. Das Land ist einer der größten Erdgasproduzenten weltweit und darüber hinaus ein wichtiger Verbündeter und enger Partner Deutschlands und der EU. Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck reisen nun am Sonntag mit einer Wirtschaftsdelegation nach Kanada, um die Möglichkeiten auszuloten. Der Import von kanadischem Gas ist jedoch schwierig.
Russland oder auch der wichtige Gas-Produzent Algerien haben den Vorteil, als Nachbarn der EU Gas per Pipeline liefern zu können. Eine Leitung durch den Atlantik ist hingegen nicht machbar, Einfuhren aus Kanada wie auch aus den USA sind daher nur in flüssiger Form, auf Tankschiffen möglich - sogenanntes LNG (Liquid Natural Gas).
Das Problem ist nicht neu und betrifft genauso auch potenzielle Gasimporte aus dem arabischen Raum, etwa aus Katar. In Deutschland und anderen europäischen Ländern wird deshalb seit einiger Zeit mit Hochdruck am Bau von LNG-Terminals zum Entladen von Gastankern gearbeitet. An der deutschen Nordseeküste sollen die ersten noch in diesem Jahr in Betrieb gehen. Allerdings fehlen im Fall von Kanada auch die Terminals, um die Tanker überhaupt zu beladen.
Bau von Terminals nimmt Fahrt auf
In Kanada konzentriert sich die Erdgas-Produktion auf die westlichen Provinzen British Columbia, Alberta und Saskatchewan. Dort gibt es auch Export-Möglichkeiten, die allerdings auf den asiatischen Markt ausgerichtet sind. Über Pipelines wird Gas innerhalb von Kanada gleichzeitig in den Osten und in die USA geleitet - von dort bislang jedoch nicht im großen Stil weiter exportiert.
Denn Bau-Projekte für Export-Terminals an der kanadischen Ostküste kamen in den vergangenen Jahren nur schleppend voran und wurden zeitweise sogar eingefroren. Mit Russlands Einmarsch in die Ukraine und steigender Nachfrage in Europa erhielten sie aber neuen Aufwind. Die Regierung in Ottawa hat Unterstützung in Aussicht gestellt und verweist explizit auf Europas Abhängigkeit von russischem Gas.
Reibungslos und zeitnah kündigt sich der Ausbau der LNG-Infrastruktur aber nicht an. Im Fokus stehen zwei mögliche Standorte für LNG-Exportterminals in New Brunswick und Nova Scotia. In beiden Fällen könnte aber frühestens in einigen Jahren Gas in Richtung Europa verschifft werden.
Widerstand in der Bevölkerung
Zudem ist das Thema für die Regierung von Premier Justin Trudeau innenpolitisch problematisch. Ottawa hat selbst ehrgeizige Klimaziele formuliert - neue Anlagen für fossile Brennstoffe kommen da ungelegen. Wegen des Widerstandes in der Bevölkerung gegen die Erschließung von Schiefergasvorkommen gibt es ohnehin seit Jahren eine organisierte Protestbewegung.
Hinzu kommen Konflikte mit indigenen Gruppen. Gas-Anlagen und Pipelines verlaufen häufig durch ihre Gebiete. In Westkanada kommt es deshalb häufig zu Protesten, die in der Vergangenheit teils auch in Gewalt umschlugen. Die Leitungen gen Osten müssten nun zumindest ausgebaut werden und auch beim Bau neuer Terminals drohen Konflikte mit den Ureinwohnern. Widerstand formiert sich explizit mit Blick auf den angekündigten Besuch aus Deutschland.
Ottawa verweist auf das Potenzial, Gasinfrastruktur künftig für Wasserstoff zu nutzen. Offiziell geht es auch bei Scholz' und Habecks Reise um diese Zukunftstechnologie: Sie besuchen Stephenville in Neufundland, wo ein Unternehmen eine Windenergieanlage zur Produktion von Wasserstoff plant.
Quelle: ntv.de, Peter Eßer, AFP