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Rebellion gegen RentenpaketJunge Union legt Zündschnur an die Koalition

16.11.2025, 16:41 Uhr RTL01231-1Volker Petersen
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Merz hat ein neues Problem: Seiner Koalition droht Schlimmes, weil die Junge Union bei der Rente nicht mitzieht. (Foto: picture alliance / Chris Emil Janßen)

Die Junge Union verschanzt sich auf ihrem Deutschlandtag in einer argumentativen Wagenburg. Die Stimmung: Gegen das Rentenpaket, jetzt erst recht. Damit wird das Eis für die Koalition überraschend dünn. Auch Merz muss sich hinterfragen.

"So, was war das für ein Deutschlandtag?", diese Frage stellte Johannes Winkel am frühen Sonntagnachmittag. Der Chef der Jungen Union war voll des Lobes für alle Helfer, die das jährliche Treffen, diesmal im Europapark Rust, möglich gemacht hatten. Aber ihm ging es dabei nicht nur um die reibungslose Orga in dem Vergnügungspark. "Ich glaube, das ist ein Deutschlandtag, der klare Signale gesendet hat. Und es ist so wie Markus Söder das heute gesagt hat: Die Signale sind auch angekommen."

Das kann man wohl sagen. Im Streit um das Rentenpaket von Union und SPD geht erstmal nichts mehr. Der Deutschlandtag der Jungen Union mag vorbei sein, doch die Blockade der Reformen geht weiter. Vor diesem Wochenende konnte man noch sagen: Wenn der Deutschlandtag erstmal rum ist, werden sich schon alle wieder beruhigen.

Nach dem Deutschlandtag kann man da nicht mehr so sicher sein. Im Gegenteil. Die Rebellen um Winkel und den Vorsitzenden der Jungen Gruppe der Unionsfraktion, Pascal Reddig, haben sich eher noch tiefer eingegraben in ihre Stellung. Das Rentenpaket ist ihnen zu teuer, Aus, Ende. Und die Delegierten haben deutlich gemacht: Sie unterstützen ihre Führung.

Klingbeils "Machtwort" kommt nicht gut an

Merz wirkte hilflos in seinem Bemühen, die Parteijugend umzustimmen. Die strotzt vor Selbstbewusstsein. Sie sieht sich als Kanzlermacher, die Merz gar nichts schuldet - umgekehrt, schuldet er ihnen etwas, so die Sichtweise, die Winkel am Freitagabend deutlich machte.

Merz argumentierte, so schlimm werde es schon nicht kommen, mit den Kosten. Vorher werde die Koalition das Rentensystem generalüberholen. Danach sei alles anders. Winkel fehlte der Glaube. Warum dann erst das Falsche beschließen, wenn man es ohnehin wieder ändern will, fragte er am Sonntag sinngemäß.

Dabei hatte das Partei- und Regierungsestablishment alles aufgeboten, um die Jungen zurückzuholen. Am Freitagabend sprach CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, am Samstag Kanzleramtsminister Thorsten Frei, Merz und Unionsfraktionschef Jens Spahn. Immerhin erreichte CSU-Chef Söder die Delegierten noch - um den Preis, dass er neue Verhandlungen mit der SPD andeutete. Dass SPD-Chef Lars Klingbeil auf einer Parallelveranstaltung am Wochenende gar ein "Machtwort" sprach und sagte, das Rentenpaket werde nicht geändert, verstärkte die grimmige Entschlossenheit der Jungen Union nur.

Hätte man das nicht sehen müssen?

Dann bekam sie noch unerwarteten Zuspruch. Ausgerechnet der Chef der Seniorenunion, Hubert Hüppe, stärkte den Jungen den Rücken. Auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche äußerte Verständnis für die Jungen. Eine Überraschung war das nicht, die CDU-Politikerin hat schon vorher deutlich gemacht, wo sie in dieser Frage steht. Aber es trägt zu einem Eindruck bei: Bei der Union macht gerade jeder, was er oder sie will. Auch wenn sie ihre Äußerungen gegenüber ntv relativierte. Sie sprach sich dafür aus, den Gesetzentwurf anzunehmen. Die Ergebnisse der Rentenreform-Kommission sollten aber noch in dieser Legislaturperiode in die Gesetzgebung einfließen.

All das wirft Fragen zur Führung auf. Auch Merz und Spahn müssen sich hinterfragen. Denn eine Situation wie jetzt sollte gar nicht erst eintreten. All das erinnert an die gescheiterte Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf ans Bundesverfassungsgericht. Die Fraktionsführung traf eine Vereinbarung und merkte erst anschließend, dass sie gar nicht die Rückendeckung der Abgeordneten hatte.

Einmal ging das auf die Kappe von Spahn, nun muss sich auch Merz Kritik gefallen lassen. Warum hat er das nicht kommen sehen? Warum hat er ein Gesetz ausgehandelt, das in den eigenen Reihen nicht durchgeht? Junge Union und Junge Gruppe sagen jedenfalls, sie hätten frühzeitig intern Einspruch eingelegt.

Nun ist die große Frage, wie es weitergeht. Die SPD ist strikt dagegen, den Gesetzentwurf noch einmal aufzumachen. Die Junge Union ist ebenso entschieden dafür. Falls niemand eine gesichtswahrende Lösung aus dem Hut zaubert, wird das Eis für die Koalition dünn. Spahn sagte es am Samstagabend: Für die SPD sei das Thema Rente etwa so wichtig wie für die Union das Thema Migration. Sollte die Festschreibung des Rentenniveaus bei 48 Prozent nicht kommen, wäre also alles möglich. Auch, dass die SPD die Koalition verlässt.

Mit ihrem Widerstand hat die Junge Union eine Zündschnur an das gemeinsame Haus mit der SPD gelegt. Ein großer Knall ist nicht ausgeschlossen.

Quelle: ntv.de

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