Ostfrauen von DDR geprägt West-Mütter sind nach Geburt länger daheim
02.10.2020, 14:47 Uhr
Westdeutsche Frauen verdienen nach der Geburt ihres Kindes oft weniger als ostdeutsche Mütter.
(Foto: picture alliance/dpa)
Manche Eigenheiten zwischen Ost und West halten sich auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung. So kehren westdeutsche Mütter einer Studie zufolge viel später in den Beruf zurück als ostdeutsche. Das hat vor allem finanzielle Folgen.
In Deutschland dominieren auch drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung unterschiedliche Rollenbilder, zumindest in Bezug auf die Entscheidung von Müttern, nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten zu gehen. Während sich ost- und westdeutsche Frauen im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes gleich verhielten, kehrten viele ostdeutsche Mütter bereits nach einem Jahr in den Beruf zurück, wie es der Norm der DDR entsprach. Nach zwei Jahren seien 50 Prozent der ostdeutschen Mütter wieder regulär beschäftigt. In Westdeutschland hingegen seien die 50 Prozent erst nach drei Jahren erreicht. Das ist das Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlerinnen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), des University College London, der Queen Mary's University London und der Universität Köln, die am Freitag veröffentlicht wurde.
Die finanziellen Folgen für die Mütter sind demnach gravierend: Sieben Jahre nach der Geburt verdienten ostdeutsche Frauen im Schnitt wieder 70 Prozent des Einkommens, das sie vor der Geburt bekamen. In Westdeutschland liege die Quote zum selben Zeitpunkt nur bei 45 Prozent. Der Studie liegt laut IAB eine Vollerhebung des anonymisierten Datenmaterials der Bundesagentur für Arbeit zugrunde. Mithilfe einer Stichprobe ist die Hälfte aller deutschen Frauen, von denen Sozialversicherungsdaten existieren, der Jahrgänge 1946 bis 1994 in die Studie eingeflossen. Besonders seien die Mütter betrachtet worden, die zwischen 1986 und 2006 in den Mutterschutz gegangen sind.
Westdeutsche Mütter passen sich an
Trotz der immer noch großen Unterschiede zwischen den ehemals geteilten Landesteilen passen sich westdeutsche Frauen in Sachen Rückkehr in den Beruf nach der Schwangerschaft den ostdeutschen unter bestimmten Umständen oft an. "Nach der Wiedervereinigung, die viele Ost- und Westdeutsche plötzlich mit der jeweils anderen Kultur konfrontierte, kam es durch die darauffolgenden Migrations- und Pendlerströme zu einem regen Austausch zwischen beiden Kulturen", heißt es in der Untersuchung. Arbeiten westdeutsche Frauen in Ostdeutschland übernähmen sie die Muster ostdeutscher Frauen, fanden die Wissenschaftlerinnen heraus.
Arbeiten hingegen ostdeutsche Frauen in Westdeutschland, bleiben sie mehrheitlich ihrem traditionellen Verhalten treu. Eine Ostdeutsche, die in Westdeutschland arbeite, habe eine um 7,9 Prozentpunkte erhöhte Wahrscheinlichkeit, vier Jahren nach der Geburt noch regulär beschäftigt zu sein, die Wahrscheinlichkeit, eine Vollzeitstelle zu haben, ist noch um 5,1 Punkte erhöht.
Gründe für Unterschiede liegen in der Kindheit
Die Wissenschaftlerinnen der IAB erklären die Unterschiede mit der kindlichen Prägung der Frauen. Die habe eine größere Bedeutung für die Rückkehrentscheidung nach der Geburt für Frauen, die in einer Gesellschaft mit stärker angeglichenen Rollenbildern der Geschlechter aufgewachsen sind als das aktuelle kulturelle Umfeld.
So wurde Müttern in der DDR ein voll bezahltes Babyjahr gewährt. Im Vergleich dazu würden Frauen, die in einer traditionelleren Kultur aufgewachsen sind, im Erwachsenenalter stark von einem Umfeld mit weniger traditionellen Rollenverteilungen beeinflusst. Weibliche Beschäftigte hätten selbst dann ihr Rückkehrverhalten nach der Geburt geändert, wenn sie zwar nie selbst in einem der neuen Bundesländer gearbeitet hatten, aber mit Frauen aus Ostdeutschland in einem westdeutschen Betrieb zusammenarbeitet haben.
Quelle: ntv.de, jhe/dpa