Frage & Antwort

Heilende Gewürzknolle Ist Ingwer wirklich ein Gesundmacher?

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Pro Tag reicht schon ein Liter Ingwertee aus, um das Immunsystem anzukurbeln.

(Foto: imago images/Imaginechina-Tuchong)

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Ingwer wird eine Reihe heilender Eigenschaften zugeschrieben. Er soll bei Kopf- und Magenschmerzen helfen, entzündungshemmend wirken und sogar den Blutzucker stabil halten. Doch was kann die scharfe Wurzel wirklich? Und welche Stoffe wirken wie?

Ingwer bringt nicht nur in Speisen den besonderen Geschmack und die brennende Schärfe, sondern ist auch als natürliches Heilmittel mittlerweile weit verbreitet. In der Traditionellen Chinesischen Medizin und im Ayurveda wird die besondere Wurzel bereits seit 5000 Jahren zur Heilung eingesetzt. Sowohl der frischen Variante als auch dem Pulver aus den Knollen werden viele gesundheitsförderliche Eigenschaften nachgesagt. Die Inhaltsstoffe aus der natürlichen Heilpflanze sollen beispielsweise die Verdauung fördern, den Kreislauf anregen und antibakteriell sein. Ebenso soll der heiße Sud aus Ingwerscheiben vor und bei Erkältungskrankheiten helfen und sogar die Fettverbrennung im Körper aktivieren.

Unklar war jedoch bisher, welcher Stoff des Ingwers zu welchen Reaktionen im menschlichen Körper führt. Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München haben nun herausgefunden, wie Scharfstoffe des Ingwers das Immunsystem im Körper aktivieren. Dafür untersuchten sie die Wirkung eines Tees, der aus 100 Gramm frischen, geschälten und zerkleinerten Ingwerknollen und kochendem Wasser hergestellt wurde. Das Getränk ließen die Forschenden 15 Minuten ziehen und seihten es dann ab.

Aus einer Vorgängerstudie war bereits bekannt, dass durch den Konsum von Ingwertee verschiedene Scharfstoffe aus der Knolle, allen voran das sogenannte 6-Gingerol, direkt ins Blut gelangen. Der Stoff ist der maßgebliche Scharfmacher des Ingwers. Von dem Scharfstoff ist bekannt, dass er seine "geschmackliche" Wirkung über den sogenannten TRPV1-Rezeptor entfaltet, schreiben die Forschenden in einer Mitteilung der Universität.

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Wenn Ingwer zu lange gelagert wird, kann er keimen. Er ist dann zwar noch essbar, hat aber schon viel von seinen guten Inhaltsstoffen eingebüßt.

(Foto: IMAGO/Panthermedia)

Dem Forschungsteam um Gaby Andersen vom Leibniz Institut für Lebensmittel-Systembiologie wusste, dass 6-Gingerol an diesem bestimmten Rezeptor in Nervenzellen andockt, der neben Hitze- und Schmerzreizen auch den scharfen Geschmack von Chili und Ingwer feststellt. Bei der weiteren Untersuchung erkannten die Forschenden schließlich, dass diese Rezeptoren auch an zwei Dritteln der weißen Blutkörperchen unserer Immunabwehr sitzen, an den sogenannten neutrophilen Granulozyten. Diese bekämpfen eindringende Krankheitserreger und werden dem unspezifischen, angeborenen Immunsystem zugeordnet.

Wie viel Ingwer braucht man?

Weitere Laborversuche der Forschungsgruppe ergaben, dass bereits eine sehr geringe Konzentration von knapp 15 Mikrogramm 6-Gingerol pro Liter Nährmedium ausreicht, um die Zellen in eine erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen. Die durch den Ingwer-Scharfstoff stimulierten Zellen reagierten im Vergleich zu Kontrollzellen um etwa 30 Prozent stärker auf eine vorgetäuschte bakterielle Infektion, mit verschiedenen abwehrspezifischen Mechanismen.

"Somit reichen zumindest im Versuch sehr geringe 6-Gingerol-Konzentrationen aus, um über den TRPV1-Rezeptor die Aktivität von Immunzellen zu beeinflussen. Im Blut ließen sich solche Konzentrationen theoretisch durch den Konsum von gut einem Liter Ingwertee erzielen", wird Andersen in der Mitteilung zitiert. Auch wenn noch immer viele Fragen offen bleiben, liefern die Forschenden mit ihren Studienergebnissen aus dem Labor den wissenschaftlich starken Hinweis dafür, dass Ingwer das Immunsystem ankurbelt. Darüber hinaus kann das Team plausibel erklären, auf welche Weise das im Körper passiert.

Bei Übelkeit und Arthrose

Mit einer Reihe früherer Untersuchungen konnten andere gesundheitsförderliche Wirkungen von Ingwer weitestgehend belegt werden. Die Scharfstoffe aktivieren nämlich nicht nur das Abwehrsystem des Körpers, sie helfen auch dabei, den Blutzucker auszubalancieren, wie beispielsweise zwei Veröffentlichungen von 2020 zeigen. Auch bei Übelkeit, Reisekrankheit und Schwangerschaftsübelkeit gibt es Ergebnisse mehrerer Untersuchungen, die die Wirkungen von Ingwer in diesen Fällen belegen. Für Schwangere wird aber immer wieder darauf hingewiesen, das Lebensmittel in Maßen, also nicht mehr als 6 Gramm pro Tag, einzusetzen und nur bei leichten Formen von Übelkeit und Erbrechen darauf zurückzugreifen.

Ingwer kann auch die Schmerzen von Arthrose-Patientinnen und -Patienten lindern und damit zu mehr Beweglichkeit führen. Wissenschaftliche Belege dafür lieferten verschiedene Forschungsteams. Besonderes Interesse gilt dem Ingwer auch wegen seiner Wirkungen auf Nervenzellen. Es gibt bereits wissenschaftliche Anhaltspunkte dafür, dass die Inhaltsstoffe im Ingwer bei regelmäßigem Konsum den Zellverlust bei neurodegenerativen Erkrankungen wie beispielsweise Alzheimer aufhalten könnte. Ähnliche Wirkungen werden auch Safran, Rosmarin, Zimt und Kurkuma zugeschrieben.

Als Blutverdünner umstritten

Gleichzeitig werden dem Superfood aber auch Wirkungen zugeschrieben, die bisher wissenschaftlich nicht oder nicht eindeutig nachgewiesen werden konnten. Dazu gehören blutverdünnende Eigenschaften, das Vorbeugen von Herzinfarkten oder eine direkte Wirkung beim Abnehmen. Doch ganz egal, warum man regelmäßig Ingwer isst, Ingwerkapseln schluckt, fertige Shots oder Ingwertee trinkt, man sollte sich darüber im Klaren sein, dass auch beim beliebten Gesundmacher überdosiert werden kann. Denn die scharfen Inhaltsstoffe können die Magenschleimhaut reizen. Das kann zu unangenehmen Nebenwirkungen wie beispielsweise Magenschmerzen, Blähungen oder Durchfall führen.

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Über die Maximalmenge des Ingwer-Konsums am Tag gibt es verschiedene Angaben. Unterscheiden sollte man aber auf jeden Fall, ob man auf frischen Ingwer zurückgreift oder diesen in Pulverform zu sich nimmt. Ein Richtwert für die frische Knolle liegt bei 50 Gramm am Tag, für die getrocknete Variante werden Höchstdosen zwischen zwei und fünf Gramm angegeben. Doch auch die könnten für Menschen mit empfindlichem Magen, Verdauungs- oder Gallenproblemen schon zu viel sein. Wer sich deshalb unsicher ist, sollte mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin lieber vorher über den individuellen Ingwerkonsum sprechen.

Übrigens: Wie beliebt die scharfe Wurzel in den letzten Jahren in Deutschland geworden ist, lässt sich an den Einfuhrmengen ablesen. Laut Statistischem Bundesamt hat sich die jährliche Einfuhrmenge der Ingwerknollen innerhalb der letzten zehn Jahre fast vervierfacht. Sie wird aktuell mit circa 31.600 Tonnen pro Jahr angegeben. Zudem gibt es Versuche, die Pflanze, die in tropischen und subtropischen Regionen gedeiht, auch hier anzubauen.

(Dieser Artikel wurde am Samstag, 04. März 2023 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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