"Keine Ahnung, wo wir gerade sind" Reisende berichten aus der Fernbushölle
15.01.2017, 11:46 Uhr
(Foto: imago/Jochen Tack)
Jeder kennt das Gefühl, gestresst in einem vollen Fernbus stundenlang durch die Republik zu gondeln. Entnervte Studenten, witzelnde Busfahrer und Last-Minute-Passagiere treffen in diesem kleinen Kosmos aufeinander. Höchste Zeit, dass das jemand aufschreibt.
Fernbusreisende sind so vielgestaltig wie die Gesellschaft: junge Studenten, reisetüchtige Senioren und besonders gut oder auch schlecht gelaunte Busfahrer. Ein nahezu idealer Stoff für Alltagsbeobachtungen, wie auch Autorin Sina Pousset bemerkt, denn über nichts kann man sich wohl so gut aufregen wie über Mitmenschen. Sie widmet ihrer Fernbus-Lust - und dem Frust - ein ganzes Buch voller Alltag mit allerhand Episoden von lustig bis ekelerregend.
Fein säuberlich nimmt sie dabei alle Phänomene einer langen Busreise auseinander. Es geht los mit dem orientierungslosen Reiserudel an der Fernbushaltestelle, danach geht's um den Überlebenskampf an der Gepäckladezone bis hin zu den Typologien der Mitfahrer. Der Kampf ums Gepäck und um den richtigen Sitz scheinen Poussets Lieblingsthemen zu sein.
Sitznachbar? Nein, danke!
Nach vielen Beobachtungen stellt sie fest: Niemand, der alleine auf einem Doppelsitz thront, will die freie Hälfte an einen fremden Mitfahrer hergeben. Manchmal helfen da "Wegguck-Strategien", aber oft können sich die Reisenden nicht gegen die Gesellschaft wehren, wie die Autorin leidvoll erfahren hat und in vielen Einzelheiten erläutert.
Aber ganz ehrlich, wer will auch Döner-Esser oder musikalische Dauerbeschaller neben sich sitzen haben? Oder gar das dauerknutschende Teenie-Paar? Ebenso wenig beliebt sind die weit verbreiteten Schnarcher. Sie alle bekommen in Poussets Buch ihr Fett weg.
Doch trotz der Abneigung gegen unangenehme Mitfahrer vom Typ "Bügelfalte", einem konservativen jungen Mann, der nicht in diese Buswelt passt, gibt es doch auch schöne, gar freundschaftliche Episoden. Zum Beispiel mit Oma Elise. Die ältere Dame hat "den ganzen Bus als Fanclub" und entpuppt sich als wunderbare Sitznachbarin. Es gibt also auch kleine Lichtblicke; kaum zu glauben. Viel lieber liest man allerdings die kleinen Lästerattacken, die wohl jeder still und heimlich in seinem Kopf abspult, aber nicht unbedingt ausspricht. Genau deshalb ist das Buch sehr humorvoll - es blickt ins Seelenleben eines jeden Fernbuspassagiers.
Alltagszenen auf die Spitze getrieben
Die Fernbushölle ist ganz alltäglich. Genau deswegen findet sich jeder, der einmal in ein solches Gefährt eingestiegen ist, hier wieder. Zugegebenermaßen sind die beschriebenen Szenen überspitzt, aber dennnoch bieten sie doch auf humorvolle Art ein authentisches Bild des Mikrokosmos' Fernbus. Und natürlich werden die hart arbeitenden Busfahrer in diesem Buch mit dem Kapitel "Der Mensch am Mikrofon" gewürdigt. Den gut gelaunten Gregor oder Ansagen wie "Someone need of English?" werden einige Fernbusreisende sicher wiedererkennen.
Am Ende gibt die passionierte Fernbusreisende dann noch einen Tipp: "Der Bus lässt sich nicht zähmen". Wenn das die Expertin sagt ... Reisende sollten also gar nicht erst versuchen, sich bei der nächsten Fahrt aufzuregen. Es ist doch viel besser, die lieben Mitfahrer zu beobachten, da gibt's bestimmt was zu lachen.
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Quelle: ntv.de