Fußball

"Könnte kotzen, wenn Wessis jubeln" Union verliert, die Fans feiern

Stichelei vor dem Anpfiff: Die Fans des 1. FC Union Berlin erinnern sich - und ihre Gäste aus Charlottenburg.

Stichelei vor dem Anpfiff: Die Fans des 1. FC Union Berlin erinnern sich - und ihre Gäste aus Charlottenburg.

(Foto: dapd)

Wenn sie in Berlin aus einem gewöhnlichen Fußballspiel der zweiten Bundesliga eine Stadtmeisterschaft machen, dann neigt der Beobachter dazu, das als Folkore abzutun. Wer allerdings die Fans des 1. FC Union aus dem Osten und die der Hertha aus dem Westen der Haupstadt sieht, der merkt, dass das nicht stimmt.

Unioner singen immer. Das ist so in der Köpenicker Wuhlheide. Sie singen, auch wenn ihre Mannschaft zurückliegt, auch wenn sie das Spiel verliert. Und wenn es gegen die Hertha ist. So wie am Montagabend im Berliner Stadtderby der zweiten Fußball-Bundesliga. Der Nachbar aus dem Westen der Hauptstadt gewann nach Toren von Sandro Wagner und Ronny bei einem Gegentreffer von Christopher Quiring mit 2:1. Und das zum ersten Mal seit 78 Jahren in einem Spiel, in dem es um etwas ging.

Doch die gut 15.000 Fans des 1. FC Union Berlin unter den 16.750 Zuschauern im ausverkauften Stadion an der Alten Försterei feierten ihr Team, wie sie das stets machen, wenn sie sehen, dass die Spieler alles geben. "Eisern Union!" In Zeiten, in denen andernorts Spieler gemobbt und beschimpft werden, ist diese leidenschaftliche Unterstützung nahezu einmalig im deutschen Fußball, auch wenn sie in St. Pauli jetzt vielleicht aufjaulen. Die Alte Försterei ist Deutschlands lauteste Baustelle, und wenn nach dieser Saison die 15 Millionen Euro teure Haupttribüne mit ihren 3557 Sitzplätzen fertig ist, wird dieses reine und dann komplett erneuerte Fußballstadion Platz für mehr als 21.000 Menschen haben.

Leiser wird es bestimmt nicht, auch wenn es dann in Köpenick, im Osten der Stadt, wie überall sonst Logen für besonders wichtige Leute gibt, die allerdings auch besonders viel dafür bezahlen, dort sitzen zu dürfen. Und so dazu beitragen, dass der Verein wirtschaftlich gut dasteht. Schließlich hatte Unions Präsident Dirk Zingler nach Platz sieben in der vergangenen Saison angekündigt, das Ziel des Vereins sei, irgendwann in die erste Liga aufzusteigen. Allerdings könne das "zwei, drei, fünf Jahre dauern."

Die Sache mit der Stadtmeisterschaft

Wer zuletzt jubelt ... Herthas Fans haben es genossen.

Wer zuletzt jubelt ... Herthas Fans haben es genossen.

(Foto: dapd)

Nicht nur gemessen daran war die Partie gegen Hertha BSC, so packend und spannend sie war, ein Rückschlag. Der Saisonstart jedenfalls ist den Unionern gründlich misslungen. So schlecht waren sie zuletzt 1983, als sie in der Oberliga der DDR ebenfalls aus den ersten vier Spielen nur einen Punkt holten. Und sich am Ende in der Zweitklassigkeit wiederfanden. Nun allerdings von Abstiegskampf zu reden, ist Unsinn. Dafür hat die Mannschaft von Uwe Neuhaus zu gut gekämpft, auch wenn nicht nur der Trainer in der Abwehr "Anfängerfehler, die brutal bestraft werden", gesehen hatte. "Diese Niederlage tut weh, denn sie war überflüssig." Die Hertha hingegen, als Erstliga-Absteiger dem Aufstieg verpflichtet, schaut wieder nach oben. "Es war der nächste Schritt auf dem guten Weg in der Tabelle", sagte ihr Übungsleiter Jos Luhukay, sichtlich zufrieden mit einem engagierten Auftritt seiner Mannschaft.

Zumal da ja noch die Sache mit der Stadtmeisterschaft war. Man mag das Folklore nennen, aber den Anhängern ist die Sache ernst. Herthas Kapitän Peter Niemeyer hatte messerscharf erkannt: "Für die Fans sind das mehr als drei Punkte." Vor zwei Jahren, ebenfalls in Liga zwei, hatte der 1. FC Union daheim gegen die Hertha ein 1:1 erreicht und dann das Rückspiel Anfang Februar 2011 vor knapp 75.000 Zuschauern im Olympiastadion gewonnen. Und bevor das jemand vergisst, erinnerten die Köpenicker Fans an diesem Montagabend schon vor dem Anpfiff mit einem tribünenbreiten Banner noch einmal daran. "Da hilft kein Gericht im ganzen Land. Eines hat immer Bestand -1:2". Und dann sangen sie: "Stadtmeister, Stadtmeister, Berlins Nummer eins." Obendrein gab's einen Hinweis auf Artikel fünf der Berliner Verfassung, in dem es um die Landesfarben geht - Weiß-Rot, wie Union. Und nicht Blau-Weiß wie die Hertha. Das saß, gehässig aber war es nicht.

Hinterher allerdings jubelten die Fans der Gäste in ihrer Ecke, während die Spieler mit ihnen sangen und hüpften. "Die Nummer eins der Stadt sind wir!" Was Unions Torschützen Christopher Quiring zu der Bemerkung veranlasste: "Ich könnte kotzen, wenn die Wessis bei uns im Stadion jubeln." So viel zum Thema Folklore.

Quelle: ntv.de

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