Großer Motorradbauer wird 70 Yamaha - von der Stimmgabel zum Zweirad
18.10.2025, 06:36 Uhr Artikel anhören
Meilensteine in der Yamaha-Entwicklung: die 1980 präsentierten Modelle RD 250 LC und RD 350 LC.
(Foto: Yamaha)
1955, also vor 70 Jahren, wurde in Japan die Yamaha Motor Company gegründet - von einem Hersteller von Musikinstrumenten. Längst ist Yamaha ein Global Player unter den Zweiradbauern. Eine Chronik.
Wir schreiben das Jahr 1955: Die Bundesrepublik Deutschland tritt der NATO bei, die DDR dem Warschauer Pakt. Im selben Jahr wird in Kalifornien das erste Disneyland eröffnet und mit der amerikanischen "Nautilus" sticht das erste atomgetriebene U-Boot in See.
Im Juli dieses Jahres gründet die japanische Firma Nippon Geiki, Hersteller von Musikinstrumenten, eine Tochtergesellschaft namens Yamaha Motor Company (YMC) - sie sollte Motorräder produzieren. Das erste Serienmodell war schon einige Monate zuvor fertiggestellt worden und befand sich bereits in der Auslieferung. Mittlerweile zählt die YMC, deren Logo nach wie vor drei Stimmgabeln zieren, zu den größten und bekanntesten Motorradherstellern der Welt, und zwar bereits seit Jahrzehnten.
1961, also sechs Jahre nach Vorstellung des ersten Serienmotorrads, setzt YMC zum Sprung nach Europa an. Weitere drei Jahre sollte es dauern, bis die japanische Firma ihr erstes Motorrad für den deutschen Markt präsentiert: Auf der Internationalen Fahrrad- und Motorradausstellung IFMA in Köln wird 1964 das Leichtgewicht YDS3 vorgestellt. Es ist das Jahr, als Willy Brandt zum Parteivorsitzenden der SPD gewählt und Muhammad Ali erstmals Box-Weltmeister im Schwergewicht wird.
Die von einem 246 Kubikzentimeter kleinen Zweizylinder-Zweitaktmotor angetriebene Maschine wog ohne Betriebsstoffe 156 Kilogramm und hatte je eine Trommelbremse im Vorder- und Hinterrad - genug angesichts einer Leistung von 24 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h.
Zukunftsträchtiger Viertaktmotor
Im Jahr 1970 wendete sich Yamaha dem zukunftsträchtigen Viertaktmotor zu: XS1 heißt das erste Motorrad. Sein 650 Kubikzentimeter großer luftgekühlter Parallel-Twin orientierte sich stark an den seinerzeit erfolgreichen britischen Bikes. Die Technik war allerdings moderner als bei den Briten: So wies das Yamaha-Triebwerk eine kettengetriebene obenliegende Nockenwelle mit automatischem Kettenspanner auf, die für die korrekte Arbeit der insgesamt vier Ventile sorgte.
Lohn des konstruktiven Aufwands waren die beträchtliche Leistung von 53 PS bei stolzen 7000 Kurbelwellenumdrehungen und eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h, wobei der Verbrauch von 4,5 bis 5 Litern Kraftstoff pro 100 Kilometer damals als ausgesprochen sparsam galt.
Die für den US-Markt entwickelte Auspuffanlage fand jedoch in Deutschland keine Gnade beim TÜV; hierzulande wurde die Maschine deshalb mit einer Leistung von nur 35 PS ausgeliefert, was die Höchstgeschwindigkeit auf 135 km/h begrenzte.
Yamaha in Deutschland
1972 gründete Yamaha in Meerbusch im Rheinland seine deutsche Niederlassung; sie importierte in der Folge offiziell die Yamahas. Dass Dieter Braun aus Hermaringen in Ostwürttemberg im Jahr darauf sowohl Deutscher Meister und zugleich Weltmeister in der 250er Klasse wurde, war ein willkommener Rückenwind für die Yamaha-Expansion hierzulande.
Nicht nur für die 1970er Jahre war die Einführung der Yamaha XT 500 bedeutsam; die robust-einfache Maschine legt den Grundstein für das Enduro-Segment. Ihre DNA lebt bis heute weiter, denn die aktuelle Ténéré 700 weist dieselben Gene auf.
1978 stellte Yamaha sein erstes Vierzylindermotorrad vor: Die 283 Kilogramm schwere XS 1100 mit Kardanantrieb galt schon bald als Dickschiff-Klassiker; der Reihenvierer mit acht Ventilen leistete 95 PS und machte die Elfhunderter zum damals hubraumgrößten Motorrad in Serienfertigung. Das Spitzentempo des Boliden lag bei nahezu 220 km/h.
Ungekannte Zulassungsrekorde
Ebenfalls einen Meilenstein in der Yamaha-Entwicklung stellten die 1980 präsentierten Modelle RD 250 LC und RD 350 LC dar; die trotz Wasserkühlung schlanken und ranken Zweizylinderbikes boten GP-Technologie für die Straße.
In die 1980er Jahre fielen drei markante Yamaha-Entwicklungen: Die sportliche FZ 750 wies 1985 als erstes Motorrad der Geschichte einen Fünfventil-Zylinderkopf auf, die FJ 1200 begründete 1986 das Segment der Tourensportmotorräder und der Chopper XV 535 schaffte dank seiner Allroundqualitäten ab 1987 ungekannte Zulassungsrekorde; es sollten schließlich mehr als 40.000 Einheiten alleine in Deutschland werden.
Neuentwicklungen nicht immer erfolgreich
Yamaha hatte aber nicht ausschließlich Erfolg mit seinen Neuentwicklungen. Die 1992 präsentierte Hightech-Maschine GTS 1000 mit Omega-Chassis, Achsschenkellenkung, elektronischer Benzineinspritzung und G-Kat, seinerzeit ein konstruktives Highlight, floppte: Der zu breite Vorderreifen beeinträchtigte das Fahrverhalten negativ. Das Motorrad war nur schwer zu fahren, weil es sehr unwillig in Kurven einlenkte.
1998 startete dann eine Erfolgsserie: Die erste Yamaha R1 definierte die Klasse der Supersportler neu - die R-Baureihe wurde zum Synonym für japanische Supersportler. Ebenfalls zu einem gewaltigen Erfolg wurde der 2001 revolutionäre Sport-Scooter TMAX; nach 20 Jahren waren in Europa schon fast 300.000 Stück verkauft worden - und nach wie vor gibt es für den TMAX (aktuell ein 560er) keinen ernsthaften Rivalen.
Einige weniger erfolgreiche Jahre
Nach einigen weniger erfolgreichen Jahren im Motorradsegment startete Yamaha dann ab 2013 wieder eindrucksvoll durch: Die MT-09 definierte das Segment der Hyper-Nakeds, wobei ihr wichtigstes Motorenmerkmal nach wie vor das herausragend gute Drehmoment darstellt ("Master of Torque"). Aus ihr gingen nach und nach die Modelle MT-07, MT-03, MT-10 und MT-125 hervor.
Eine einzigartige Entwicklung auf dem Motorradmarkt stellte 2017 die Yamaha Niken dar; wie seinerzeit die GTS 1000 gilt die dreirädrige Maschine in der Branche als Musterbeispiel für die Innovationskraft und Kreativität der Marke.
Besonderheit ist die doppelte Vorderradführung mit Leaning-Multi-Wheel-Neigetechnik, die bei maximaler Fahrsicherheit eine ungeahnte Fahrdynamik ermöglicht. Trotz hochmoderner Technologien musste Yamaha das Fahrzeug mangels anhaltenden Erfolgs im vergangenen Jahr wieder aus dem Programm nehmen.
Streben nach Technologieführerschaft
Jüngstes Beispiel für das ungebrochene Streben nach der Technologieführerschaft ist die 2024 erfolgte Präsentation eines auch automatisch schaltenden manuellen Getriebes namens Y-AMT; es ist mittlerweile in verschiedenen Hyper Sport- und Touring-Motorrädern (MT-09 und MT-07, Tracer 9) lieferbar.
Im Modell Tracer 9 GT+ ist das Y-AMT sogar serienmäßig. In diesem Fahrzeug findet sich auch das erste Matrix-Licht in einem Motorrad. Die Yamaha Motor Company ist auch weiterhin darauf fokussiert, nicht nur zu den stückzahlgrößten, sondern auch zu den technologisch führenden Marken der Zweiradwelt zu gehören.
Die deutschen Motorradfahrer lieben Yamaha: In fast allen deutschen Bundesländern stellt Yamaha die volumenstärkste Importmarke im Kraftradbestand dar, belegt die Statistik des Kraftfahrtbundesamtes. Die fast 475.000 in Deutschland zugelassenen Yamahas werden nur von den 650.000 BMWs übertroffen.
Quelle: ntv.de, Ulf Böhringer, sp-x