Lockt die üppige Ausstattung?Cadillac CT6 - Angriff auf das Premium-Trio
Ambitionierte Ziele hat Cadillac für Europa öfter ausgegeben. Von einem Durchbruch der US-amerikanischen Nobelmarke kann man indes nicht sprechen. Mit neuen Modellen will die GM-Tochter hierzulande vor allem anspruchsvollen Luxuskunden gefallen.
Wer in Deutschland mit einer richtig exklusiven Limousine unterwegs sein will, aber nicht das nötige Kleingeld für einen Rolls Royce parat hat, dem bleibt eigentlich nur Cadillac. Von der US-amerikanischen Marke wurden bis einschließlich Mai nur 119 Fahrzeuge neu zugelassen, was einen hohen Seltenheitswert auf hiesigen Straßen garantiert. In dieser Zahl sind sogar noch 49 Escalade-Modelle enthalten, was bekanntlich keine Limousine, sondern ein SUV ist.
Der komplett neu konstruierte Viertürer CT6 ist insofern ein erstaunliches Automobil, als er auf überraschende Weise einen europäisch anmutenden Antrieb mit sehr amerikanischen Ausmaßen kombiniert. Beim Motor handelt es sich um einen doppelt aufgeladenen V6-Benziner mit drei Litern Hubraum. Seine Leistung wird mit 417 PS angegeben. Das entspricht nahezu der Größenordnung, die Porsche seinem neuen V6-Panamera gegeben hat. Portioniert wird die Leistung durch eine Achtgang-Automatik und anschließend auf alle vier Räder verteilt.
Die für seine Vorgänger wie etwa das Modell Fleetwood gängige Bezeichnung "Straßenkreuzer" hat der CT6 sich redlich verdient. Er ist laut deutscher Kfz-Zulassung stolze 5,20 Meter lang, was sogar die S-Klasse von Mercedes übertrifft. Das Datenblatt des Amerikaners weist hingegen lediglich 5,18 Meter aus. Dank eines extrem kurzen vorderen Überhangs und einer weit zurück versetzten Kabine können sich die Passagiere zwischen den Rädern auf einer Distanz von 3,11 Metern räkeln. Mit diesen Maßen spielt der CT6 eindeutig in der Liga der Oberklasse-Limousinen mit, wo Audi A8, BMW 7er-Reihe und Mercedes S-Klasse das Premium-Luxussegment praktisch unter sich aufgeteilt haben.
Macht Appetit auf Umstieg
Das sieht man bei Cadillac jedoch nicht als Problem an. Vielmehr geht die Verkaufsstrategie dahin, Kunden von der oberen Mittelklasse, also den Business-Limousinen vom Schlage eines A6, eines 5er-BMW oder einer E-Klasse weg zu locken und ihnen den Umstieg in einen großen, geräumigen und hochklassig ausgestatteten Wagen schmackhaft zu machen. Dass dies ohne einen angemessenen Mitteleinsatz nicht zu machen ist, liegt auf der Hand und so werden in Deutschland beim Verkaufsstart im September mindestens 73.500 Euro verlangt.
Ein Sonderangebot ist das Auto also nicht, doch es lohnt sich in jedem Fall ein genauerer Blick auf das, was man für diesen Preis erhält. Die Sonderausstattungs-Politik der deutschen Premium-Marken ist bekannt, Cadillac verfolgt den Weg des Komplettangebots. Ab Werk fährt der CT6 auf 20-Zoll-Alufelgen vor, bietet ein beheizbares Lenkrad, Rundum-Kamera-Überwachung, ein doppeltes Glas-Sonnendach, beheizbare Vorder- und Rücksitze, Lederpolster, Navigationssystem mit 10,2-Zoll-Touchscreen, drei USB-Anschlüsse und Digital-Radio, Apple Car Play und Android Auto, WLAN-Hotspot, Bose-Soundanlage, Gurtstraffer, elektrische Lordosenstütze und mit der Massagefunktion der Sitze ist der Komfort noch nicht am Ende.
Sicherheitssysteme wie Kollisionswarner, Spurhalte- und Toterwinkel-Assistent werden ebenfalls aufpreisfrei mitgeliefert. Unter dem Kofferraumdeckel tun zwei Kameras ihren Dienst. Eine wird beim Einlegen des Rückwärtsgangs aktiviert, die andere sendet ihr Bild auf einen Monitor, der im Innen-Rückspiegel untergebracht ist. Das Weitwinkel-Objektiv zeichnet die Geschehnisse hinter dem Fahrzeug auf, ohne dass die Köpfe von rückwärtigen Passagieren oder Kopfstützen die Sicht einschränken können. Der Spiegel ist auch auf herkömmliche Weise zu verwenden.
Diese Tatsache macht seine Nutzung aber gewöhnungsbedürftig. Zwar ist das Monitorbild hell und klar, bietet einen breiten Blickwinkel, jedoch können vornehmlich bei hellem Interieur Reflexionen der rückwärtigen Polster die Sicht beeinträchtigen. Die Fokussierung des Kamerabildes durch das menschliche Auge bedarf einiger Übung. Und noch ein gut gemeintes Feature offenbart eine Schattenseite: Der Rahmen der hinteren Sunroof-Scheibe schränkt die Kopffreiheit für die Fond-Passagiere um einige Zentimeter ein. Per Saldo ist die Ausstattung allerdings vorbildlich und so umfangreich, dass sie anderen Herstellern durchaus als Beispiel dienen könnte.
Hinterachse lenkt mit
Wem das üppige Komfort-Angebot nicht reicht und wer noch einmal rund 20.000 Euro investieren möchte, bekommt einen High-End-Schlitten, der zusätzlich ein adaptives Fahrwerk mit dem aus verschiedenen amerikanischen Sportwagen bekannten Magnetic-Ride-System besitzt (auch Audi benutzt es), eine Hinterachs-Lenkung und einen Fahrmodi-Schalter hat sowie mit adaptivem Tempomat sowie einer Rücksitz-Entertainment-Anlage aufwartet. Überflüssig zu sagen, dass der geschmackvoll gestaltete Innenraum reichlich Holz und Leder bietet. Die Fondpassagiere können ihre Sessel ebenso an Sitzpolster und Lehnen verstellen, wie es den vorderen Passagieren erlaubt ist. Nur müssen sie dazu die Mittelarmlehne ausklappen, an deren Seiten die Verstellknöpfe angebracht sind.
Die gefahrene Platinum-Version mit der Hinterachs-Lenkung hinterließ einen überraschend handlichen und wendigen Eindruck. Da die Hinterräder bis zu einem Winkel von 3,5 Grad mitlenken, reduziert sich der Wendekreis auf 11,4 Meter. In der Stadt und bei Landstraßen-Tempo strahlt der Wagen eine Ruhe und Souveränität aus, die anderen Premium-Limousinen nicht nachsteht. Bei plötzlichem Abruf der maximal 550 Newtonmeter betragenden Durchzugskraft gibt der Motor einen sportlich-kernigen Klang ab, beschleunigt aber zügig und mit geschmeidigen Gangwechseln. Ab etwa 180 km/h ist mit verstärkten Windgeräuschen zu rechnen, die vornehmlich von den weit herausragenden Außenspiegeln erzeugt werden.
Der Testverbrauch von 11,1 Litern je 100 Kilometer ist angesichts von mehr als zwei Tonnen bewegter Masse sowie zwei Insassen nebst Gepäck absolut akzeptabel. Der Mix aus Stadt-, Überland- und mit zügigem Tempo absolvierter Autobahnfahrt wich nur um 1,3 Liter vom Normverbrauch ab. Die Tankfüllmenge von 72,5 Litern darf also als ausreichend für eine angemessene Reichweite angesehen werden. Was die erlaubte Zuladung angeht, wären allerdings mehr als die angegebenen 425 Kilogramm wünschenswert.