Letzter Verbrenner von Lotus? Fahrt im Lotus Emira - auch als Vierzylinder spaßig


Flüchtig betrachtet könnte man den Lotus auch für einen Ferrari halten.
(Foto: Lotus)
Alternativer Sportwagen gefällig? Wie wäre es mit dem Lotus Emira? Der Mittelmotor-Athlet soll die letzte Möglichkeit sein, ein Verbrenner-Produkt aus Hethel zu bekommen. ntv.de ist mit der Vierzylinder-Version gefahren.
Eigentlich muss man ehrlich sein und verkünden, dass es hier und heute keine News zu verkünden gibt. Lotus Emira? Schon mal gehört? Na klar, das ist der Mittelmotor-Sportwagen, den Lotus bereits seit rund zwei Jahren produziert und den die Händler schon auf dem Hof sowie einige Kunden in der Garage stehen haben. Aber Lotus sieht das ein bisschen anders, zumal sich der Hersteller seit der Übernahme durch Geely ohnehin in einer Dauer-Aufbruchstimmung zu befinden scheint.
Und daher hört das Durchstarten gefühlt gar nicht auf. Dennoch hat man das Gefühl, dass der Emira noch gar nicht richtig auf der Straße angekommen ist, obwohl vermutlich schon mehr Exemplare produziert wurden als von jeder anderen Baureihe zuvor in diesem Zeitraum. In puncto Materialfinish hat der Neuling stark zugelegt; in Deutschland bleibt der jüngste Lotus-Sportler jedoch einstweilen ein Exot, wobei mittlerweile rund 300 Fahrzeuge auf hiesigen Straßen unterwegs sind.
Lotus Emira entsteht weitgehend in Handarbeit
Und bevor ich mich daran mache, zu beantworten, ob es ruhig noch mehr werden sollten, geht es erst einmal durch die Produktion. Die Werksbesichtigung lohnt sich jedenfalls, weil es hier tatsächlich nicht standardmäßig industriell zugeht. Viele Autos und bloß wenige Menschen sind hier zu sehen, ein paar wenige Roboter und einige Prüfstände. Aber keine großen Produktionsstraßen. Kaum zu glauben, dass 5000 Fahrzeuge jährlich aus diesen Hallen rollen können. Noch faszinierender fast ist allerdings das, worauf man von den darüber gelegenen Büros aus blicken kann. Nämlich auf die hauseigene Rennstrecke, ähm, Prüfungsstrecke. Quasi der Traum der Ingenieure für Abstimmungsfahrten.

Mit 4,41 Metern Länge fällt der Lotus Emira zwar kompakt aus, aber dank seines Designs auch verdammt muskulös.
(Foto: Lotus)
Und genau auf diesem Track startet jetzt die Testfahrt mit dem vierzylindrigen Emira. Ich überlege kurz und muss sagen: Sorry, Lotus, ihr gewinnt mich nicht mit dem Vierzylinder. Weil dieser technisch wirklich perfekt gemachte Mercedes-M139-Motor am Ende doch eher blechern klingt, wenngleich die Sounddesigner alles herausgeholt haben. Auch wenn sich die Tonalität mit dem Fahrmodus ändert - an die feine, sonore Lautäußerung des Sechszylinders kommt der 360 PS starke Turbo nicht heran.
Der Emira ist ein Fahrdynamik-Profi
Es gibt aber ein Aber! Der Vierzylinder ist natürlich fein für fahrdynamische Belange. Denn er ist einfach leichter. Anderseits ist es fast wieder egal, weil das Aggregat ohnehin perfekt austariert in der Fahrzeugmitte ruht und damit für einen optimalen Schwerpunkt verantwortlich zeichnet. Aber es mögen andere Gründe für den Vierzylinder sprechen oder eben auch dagegen. Denn Vierzylinder bedeutet im Falle des Emira immer Achtstufen-Doppelkupplungsgetriebe, während das Sechsgang-Schaltgetriebe für den 3,5 Liter großen V6 reserviert ist.

Moderne Zeiten im Lotus Emira: Es gibt selbstverständlich einen Touchscreen und ein mechanikfreies Kombiinstrument.
(Foto: Lotus)
Was besser passt, mag jeder für sich selbst entscheiden, schneller agiert jedenfalls der Doppelkuppler. Und generell ist der Emira ein feines Tracktool mit ultrapräziser Servolenkung. Und dann sorgt außerdem noch das relativ geringe Leergewicht (1,4 Tonnen) für eine leichtfüßige Attitüde. Auch längsdynamisch geht es mächtig voran. Den Druck auf das Gaspedal quittiert der Emira mit sattem Vortrieb, soll innerhalb von 4,4 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen und 275 km/h schnell werden.
Aber andererseits, und das haben die späteren Testfahrten auf der Straße herausgearbeitet, ist der Emira kein bockharter, kompromissloser Rennstreckenprofi. Sein Fahrwerk bürgt für einen gewissen Restkomfort. Damit ist der Brite in der Lage, seine Passagiere sogar relativ sanft an das auch mal weiter gelegene Urlaubsziel zu befördern (falls man es schafft, sein Gepäck im knapp bemessenen Kofferraum zu befördern). Und auch die Sessel machen für einen für Sportwagenverhältnisse kommoden Eindruck.
Emira als Daily Driver? Es kommt darauf an
Da man übrigens auch ohne übertriebene Akrobatik ein- wie aussteigen kann, wäre der Emira eine Überlegung wert als Alltagskutsche. Echt jetzt? Im autoverrückten UK würde ich mit dieser Meinung jedenfalls nicht allein dastehen. Im nicht weniger autoverrückten, aber teils häufig schüchternen Deutschland würde dagegensprechen, dass man den Emira wohl zu leicht mit einem Ferrari verwechseln könnte, und Ferrari-Image könnte beispielsweise für Selbstständige mit direktem Kundenkontakt schädlich sein.
Dabei ist der Lotus Emira keineswegs verdächtig, ein Sonderangebot zu sein. Vor allem für die aktuell einzig konfigurierbare "First Edition" langt der Hersteller hin mit satten 95.495 Euro. Da hilft es wenig, dass der Sportler in 13 verschiedenen Tönen lackiert werden kann. Und auch die vorzügliche Serienausstattung mit Dingen wie LED-Scheinwerfern, Navi, Parkpiepsern, schlüssellosem Schließsystem, elektrisch verstellbaren Sitzen, Smartphone-Integration, Soundsystem und Tempomat tröstet kaum über den hohen Preis hinweg. Zumal Gadgets wie E-Sitze auch das Leergewicht unnötig erhöhen.
Warum ist eigentlich der 405 PS starke Sechszylinder auf der Website nicht konfigurierbar? Lotus argumentiert mit der aktuell starken Nachfrage und entsprechend hoher Auslastung. Man könne sich aber auf eine Warteliste schreiben lassen. Man könnte die Entscheidung am Getriebe festmachen oder am Sound. Oder einfach davon abhängig, welches Fahrzeug man zuerst bekommt.
Die Mundwinkel dürften jedenfalls auch im aufgeladenen Zweiliter meist nach oben zeigen. Und man sollte vielleicht nehmen, was man bekommen kann. Schließlich könnte der Emira die letzte Möglichkeit sein, Lotus als Verbrenner zu fahren.
Quelle: ntv.de