Ist das Porsches Untergang? Neuer 911 Hybrid im Fahrbericht - tschüss, Konvention


Die aufgefrischten Elfer von Porsche gibt es mit und ohne Hybrid, geschlossen oder offen.
(Foto: Porsche)
Elektrifizierter Porsche 911, wie bitte? Was sollen die Gusseisernen denken? Kann das überhaupt funktionieren? Wie konnte Zuffenhausen es wagen, seiner Ikone ein E-Herz einzupflanzen? Papperlapapp, der neue GTS fährt wie ein Elfer. Lesen Sie selbst.
Wer hätte gedacht, dass es so etwas mal geben würde? Die Porsche-Ikone mit der magischen Nummer 911 bekommt einen für den Antrieb mit zuständigem Elektromotor eingepflanzt, nicht für die Sitzverstellung, wohlgemerkt. Es hieß immer, den 911 würde man nicht anrühren. Doch dann fiel die Luftkühlung weg, anschließend auch noch die frei atmenden Triebwerke - und jetzt ist der 911 nicht einmal mehr ein reiner Verbrenner.
Und Porsche verpackt den neuen Strang auch noch als "GTS" - Frechheit, wird sich mancher Fan und Kunde gedacht haben. Das Abendland geht unter, wirklich! Und die Foren sind sicherlich voll von Kritik. Aber hey, das wird Porsche natürlich gewusst haben schon bei den ersten Gedanken an einen 911 Hybrid. Und nun steht der Doppelmotorer ganz real da und erzeugt zumindest Erklärungsbedarf. Die Techniker lächeln jeden Anflug von Skepsis weg und denken sich, "fahrt erst einmal, und dann könnt ihr ja immer noch meckern". Und zumindest zeugt es von einem bestimmten Selbstbewusstsein, den Hybridschriftzug prominent auf die Flanken zu kleben.
Und bevor ich jetzt eine ausgiebige Runde mit dem jüngsten Elfer drehe, seien noch ein paar Informationen mit auf den Weg gegeben. Es ist ja nicht nur ein simpler Hybrid. Der bisherige Dreiliter-Turbo fliegt raus, stattdessen trumpft der berühmte Sechszylinder-Boxer jetzt mit 3,6 Litern auf (485 PS und 570 Newtonmeter). Und dann wird der Lader nicht bloß durch das Abgas beschleunigt, sondern bekommt Schützenhilfe von einer 15 PS starken Elektromaschine. Und dafür kommt der neue E-Turbo in Single-Ausführung sowie ohne Wastegate. Das für den Antrieb zuständige lautlose Aggregat dagegen steckt im nach wie vor achtstufigen Doppelkupplungsgetriebe und pumpt weitere 54 PS sowie 150 Newtonmeter in den Antriebsstrang.
Boxersound hat er noch
Spannung auf dem Höhepunkt? Dann drücke ich jetzt auf den Startknopf links von der Lenksäule. Und der ist auch neu, denn bisher gab es so einen länglichen Schalter, der leicht aus der Armaturentafel herausragte, um den Elfer schlüssellos zu starten. Doch das nur am Rande. Wichtig ist ja der typische Boxersound. Und der ertönt auch weiterhin. Und so grummelt jetzt eben ein technisch aufgerüstetes Kraftpaket im Leerlauf vor sich hin, das ganz wild darauf ist, die Karosse endlich losstürmen zu lassen.
Und wie der Elfer stürmt. In diesem Fall ist das mit 541 PS Systemleistung gesegnete Vehikel ein Cabriolet mit Allradantrieb (es gibt aber auch Heckantrieb). Und das reagiert jetzt eben deutlich prompter auf Gaspedalbefehle. Hier liegt übrigens der wesentliche Unterschied zu früher. Wenn du den alten GTS durchbeschleunigt hast, ging es schon richtig stramm nach vorn, klar. Aber mal spontan aus dem Bummeltempo Leistung anfordern - das war immer mit einer Gedenksekunde verbunden. Schon allein, weil der Achtgänger sich sortieren musste und der Turbolader auf regen Abgasstrom wartete. Das ist vorbei.
Wann immer du "volle Kraft voraus" bestellst - dieser GTS schiebt ohne mit der Wimper zu zucken einfach drauflos. Und dazu trägt der kompakte Elektromotor freilich seinen Anteil bei. Aber auch aus dem Stand legt der neue GTS wuchtiger los, erreicht 100 km/h bereits nach drei Sekunden, während man früher 3,4 Sekunden benötigte, was immer noch verdammt schnell ist. Und obwohl auch durch Verzögern Energie zurückgewonnen wird, fühlt sich das Bremspedal in keiner Weise synthetisch an. Hier kommt den Zuffenhausenern offenbar die Erfahrung aus dem Taycan-Projekt zugute.
GTS geht saumäßig auf dem Track
Porsche hat es sich nicht nehmen lassen, ein weiteres GTS Coupé mit auf den Track zu nehmen. Und hier auf den Kehren des Ascari-Kurses bei Málaga darf sich der 911 auch in der querperformanten Disziplin austoben. Und da ist er gegenüber der jetzt übrigens um 9 auf 394 PS in der Leistung gestiegenen Basis schon besser gerüstet. Mit verschiedenen Fahrwerksgadgets unterstützen die Ingenieure weniger erfahrene Piloten und machen den 4,55 Meter langen Zweitürer einfach schneller.
So ist die Hinterachslenkung serienmäßig, um höhere Stabilität bei Kurvenfahrten zu erzielen. Hinzu kommen auf Wunsch aktive Stabis. Diese sind mit Hydraulikzylindern versehen, deren Ölfüllstand verändert wird. Bei Bedarf lassen sich die Aktuatoren individuell ansteuern, um das Eigenlenkverhalten zu verbessern. Und aus der Kehre herauszubeschleunigen, macht dann richtig Laune, weil der 1,6-Tonner dann mit dem zusätzlichen Drehmoment kickt. Schön ist, dass du den Elektromotor überhaupt nicht merkst. Jedenfalls nicht im negativen Sinne. Denn Porsche hat ganz bewusst auf eine elektrische Kriechfunktion verzichtet. Generell würde das Ab- und Zuschalten des Stromaggregats eine Inhomogenität in den Antrieb bringen, der in der Sportwagenwelt nichts zu suchen hat.
Übrigens hat es Porsche geschafft, das Gewicht der Elektroeinheit samt der knapp zwei kWh großen Batterie gering zu halten mit unter 30 Kilogramm. Auch nicht ganz unwichtig bei einem Fahrzeug in diesem Segment. Es gibt darüber hinaus noch ein paar optische Merkmale, um den neuen GTS erkennbar zu machen. Die Lamellen im Bereich der Frontschürze verraten ihn.
Generell charakteristisch für den neuen Jahrgang ist übrigens auch der Wegfall der bis dato letzten verbliebenen mechanischen Anzeigenadel für den großen Drehzahlmesser in der Mitte. Ihn gibt es zwar weiterhin, aber nur noch virtuell. Anzeigen lassen kann sich der Fahrer auch in Echtzeit, wann der Elektromotor mit welcher Leistung zufüttert. Schön, wenn es gelingt, ein traditionelles Auto modern zu machen, ohne den Charakter zu verwässern.
Spannend wird sein, wie weit man den Verbrauch in der Praxis unter zehn Liter je 100 Kilometer drücken kann, auch wenn das für potenzielle Kunden zweitrangig sein dürfte. Allerdings, der eine oder andere dürfte beim Startpreis des GTS dann doch schlucken angesichts von 170.600 Euro. Das Basismodell startet bei 128.700 Euro. Vermutlich wird noch das eine oder andere dazwischen angesiedelte Derivat folgen.
Quelle: ntv.de