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Der Porsche-Jäger VW Scirocco - 40 Jahre heißer Wüstenwind

Auf dem Genfer Automobilsalon debütiert 1981 die zweite Generation des Scirocco (Typ 53B).

Auf dem Genfer Automobilsalon debütiert 1981 die zweite Generation des Scirocco (Typ 53B).

(Foto: Volkswagen)

Mit der zweiten Auflage des Scirocco brachte VW ein preiswertes VW-Coupé als Porsche-Jäger an den Start. Dazu hatten die Wolfsburger ihr Kultcoupé im Windkanal glätten lassen und mit 16-V-Kraftwerk auf Augenhöhe gebracht. Aber auch Ford Capri und Opel Manta mussten sich warm anziehen.

Im Rückblick spiegelt der VW Scirocco als Volkssportler perfekt das irre Jahrzehnt der 1980er zwischen Vollgas, Vernunft und verrückten Attitüden à la "Geld spielt keine Rolex und Lacoste es, was es wolle". In zweiter Generation zeigte der nach dem heißen Wüstenwind benannte Volkswagen ein letztes Mal, zu welch enormen Stückzahlen familientaugliche Sportcoupés fähig sind, wenn sie den Spagat zwischen coolem Kindergarten-Shuttle mit frugalen 60 PS und Porsche-924-Killer-Image dank 139 PS starkem 16-Ventiler beherrschen.

Das Design des Scirocco II stammt nicht mehr von Giugiaro, sondern aus dem Wolfsburger Designstudio.

Das Design des Scirocco II stammt nicht mehr von Giugiaro, sondern aus dem Wolfsburger Designstudio.

(Foto: Volkswagen)

Für alle Unentschlossenen gab es noch die rollende Tennissocke namens White Cat, die den Scirocco schick machte für die wilden Party-Meilen. Wie sein Vorgänger, der 1974 im italienischen Giugiaro-Design eingeführte Ur-Scirocco, sollte ab 1981 auch der diesmal unter VW-Chefdesigner Herbert Schäfer und Nachwuchstalent Luca Rezzonico in Form gebrachte Scirocco II die Massen begeistern, dabei ergraute Machos wie Ford Capri oder Opel Manta auf Distanz halten und Newcomern wie Renault Fuego oder Honda Prelude die große Show stehlen.

Das gelang dem mit Golf-Genen ausgestatteten und im Windkanal glattgeschliffenen Scirocco II erstaunlich gut, zumal er auch in Vergleichstest der Fachmedien meist auf Pole Position fuhr. Fast 300.000 Scirocco II liefen im Karmann-Werk Osnabrück bis 1992 vom Band. Das waren zwar weniger Einheiten als beim Vorgänger, aber rund dreimal so viele wie vom 1988 aufgelegten Sportcoupé Corrado, das den Scirocco nach ursprünglicher Planung eigentlich beerben sollte.

Der Wind ist schuld daran

Nicht in die Serienfertigung schafft es der 1982 vorgestellte Scirocco TCR mit zwei herausnehmbaren Dachhälften.

Nicht in die Serienfertigung schafft es der 1982 vorgestellte Scirocco TCR mit zwei herausnehmbaren Dachhälften.

(Foto: Volkswagen)

Tatsächlich war es der neue Hype um Hot Hatches wie Golf GTI, Opel Kadett GSI oder Ford Escort XR3, der schlussendlich fast alle dramatisch gezeichneten und stets doch ein wenig unpraktischeren Sportcoupés aussterben ließ. Aber drehen wir das Rad der Zeit noch einmal zurück: 1981 raste die US-Raumfähre Space Shuttle erstmals Richtung Weltall und ein neuer Popstar namens Nena katapultierte sich mit "99 Luftballons" an die Spitze der Charts, während die konservativen deutschen Familiensportler Ford Capri und Opel Manta weiterhin mit Hinterradantrieb und altgedienter Technik um die Gunst junger Männer buhlten.

Wie es anders geht, zeigte schon seit 1974 der Volkswagen Scirocco, der die Kür kantiger Formen ebenso perfekt beherrschte wie die mit dem Golf geteilte fortschrittliche Fahrwerkstechnik und nun nach über einer halben Million Einheiten erneuert wurde. "Der Wind ist schuld daran, dass er so schön ist", erklärte die Volkswagen-Werbung den aerodynamisch optimierten und in der Länge um 17 Zentimeter gestreckten Scirocco II, der so im Interieur deutlich mehr Platz gewährte.

Insgesamt drei Generation hat VW vom Scirocco gebaut.

Insgesamt drei Generation hat VW vom Scirocco gebaut.

(Foto: Volkswagen)

Bemerkenswert sind auch feine Design-Details, die bald von anderen adaptiert wurden: Als erster VW verzichtete der Scirocco II auf konventionelle Regenrinnen und kantige Doppelscheinwerfer ersetzten die Rundstrahler. Diese leuchtstarken Insignien der Avantgarde animierten damals sogar das englische Luxus-Label Bristol, den neuen Britannia ebenfalls mit Frontscheinwerfern vom Scirocco II in Serie gehen zu lassen.

Spektakulär in Szene setzen ließ sich aber auch der bodenständige Wolfsburger. In Vergleichstests der Fachpresse genügte dafür der 110 PS leistende Scirocco GTI, der sogar gegen das gleichfalls neue, kostspieligere Audi Coupé GT bestehen konnte und Modelle wie Renault Fuego oder Alfasud Sprint Veloce klar überholte in Disziplinen wie Temperament, Fahreigenschaften, Komfort oder Wirtschaftlichkeit.

Sonnenstürmer blieb eine Idee

Bei Volkswagen Motorsport in Hannover ist 1982 ein Scirocco mit zwei Motoren und insgesamt 360 PS Leistung entstanden.

Bei Volkswagen Motorsport in Hannover ist 1982 ein Scirocco mit zwei Motoren und insgesamt 360 PS Leistung entstanden.

(Foto: Volkswagen)

Als Alternative zu japanischen Frischluftexperimenten wie den durch Karossiers geöffneten Toyota Celica, Mazda RX-7 oder Honda Prelude entwickelte Volkswagen die Windsbraut Scirocco TR mit herausnehmbaren Dachhälften. Tatsächlich war der TR damit ein europäischer Pionier des ursprünglich aus Amerika stammenden T-bar-Roof-Konzepts, aber leider befand Volkswagen diesen Sonnenstürmer als zu teuer für die Serienproduktion.

Ebenfalls nur ein Prototypendasein erfuhren ein von Volkswagen Motorsport in Hannover für die berühmt-berüchtigte Rallye-Gruppe-B aufgebauter bärenstarker Scirocco mit zwei Motoren und insgesamt 360 PS Leistung sowie ein in der Wolfsburger Forschungsabteilung realisierter Bi-Motor-Scirocco mit 16-Ventil-Technik, Letzteres in Kooperation mit dem Haustuner Oettinger. Die Inspiration zu diesem Leistungsträger lieferte der 142 PS starke Oettinger-Scirocco 1800 E/16, über den sogar Rallye-Weltmeister Walter Röhrl überaus lobende Worte fand.

Ein sensationelles Leichtgewicht

Topversion des Scirocco-Programms ist der GTX. Hier die Version im Modelljahr 1985.

Topversion des Scirocco-Programms ist der GTX. Hier die Version im Modelljahr 1985.

(Foto: Volkswagen)

⁣Auch wenn die ersten 16-V-Dampfansagen nur sportliche Wunschträume blieben, führten sie letztlich doch zur Scirocco-Endstufe, dem 1985 eingeführten Scirocco GTX 16V mit 139 PS Leistung. Genug Power, um als erster Volkswagen die prestigeträchtige 200-km/h-Marke zu knacken und in Sprintduellen aufs Landstraßentempo mit dem Werkswert von 8,1 Sekunden sowohl Porsche 924 als auch 944 klar zu schlagen. Dazu trug auch konsequenter Leichtbau bei, der das Leergewicht des Scirocco GTX auf fast schon sensationell niedrige 970 Kilogramm drückte - gut 20 Prozent weniger, als das nominell deutlich leistungsstärkere Porsche-Duo auf die Waage brachte.

Tatsächlich führte die Suche nach jedem überflüssigen Gramm beim Scirocco aber auch zu Entscheidungen, die nicht jeder Käufer goutierte. So gab es anfangs nur einen 42-Liter-Tank, wie er sonst bei City-Flitzern à la Volkswagen Polo üblich war, und als stattdessen ein 55-Liter-Behälter installiert wurde, blieb nur noch Platz für ein Pannen-Notrad.

Wer den Wind im Namen trägt, muss ihn auch bändigen können und genau das gelang dem Scirocco durch außergewöhnliches Spoilerwerk. Die große gläserne Heckklappe teilte ein Gummispoiler, der durch gezielte Luftverwirbelungen den unteren Teil der Scheibe schmutzfrei hielt. Hinzu kam je nach Ausstattungsversion ein Rundum-Spoilerpaket in Wagenfarbe.

Der Scirocco White Cat

Das gesuchte Kult-Sondermodell "White Cat" debütiert 1984 mit Dachantenne und Heckspoiler von Zender.

Das gesuchte Kult-Sondermodell "White Cat" debütiert 1984 mit Dachantenne und Heckspoiler von Zender.

(Foto: Volkswagen)

Ein Trendthema der bunten 1980er waren Sondermodelle und auch in dieser Disziplin trug der Scirocco dick auf. Tatsächlich hatten die Wolfsburger Vertriebsstrategen mit Scirocco-Absatzzahlen kalkuliert, die mindestens die Stärke des ersten Wüstensturms erreichten, aber die Sportcoupé-Nachfrage ebbte allgemein ab und glich eher einem lauen Lüftchen. Die Hardcorefans kamen deshalb in den Genuss einer Reihe verwegener Sonderserien, die durchweg Sammlerstatus erzielten, auch wenn sie den Neuwagenverkauf insgesamt nicht nachhaltig stimulierten.

Vor allem der Scirocco White Cat, innen und außen ganz in Weiß, Heckleuchten mit weißen Streifen, dazu ein auffälliger Zender-Heckspoiler plus Rundum-Verspoilerung gilt als Höhepunkt der Sondermodell-Mode jener Dekade. Im letzten Modelljahr 1992 gab es nur noch einen Einheits-Scirocco: den fast komplett ausgestatteten GT II mit 95-PS-Motor als preiswerte Alternative zum Corrado. Übrigens entwarf Giugiaros Firma Italdesign 1993 auch noch eine Studie für einen Scirocco III, aber das war vergebliche Mühe. Der echte Scirocco III kam erst 2008 - und ist inzwischen auch schon wieder Geschichte.

Quelle: ntv.de, Wolfram Nickel, sp-x

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