Praxistest

Urbaner Flitzer unter Strom Mini Cooper SE - lautlose Grüße aus Oxford

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Der geschlossene Kühlergrill ist quasi das Erkennungszeichen für die elektrisch angetriebene Version.

(Foto: Patrick Broich)

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Wer einen Elektro-Kleinwagen fahren möchte, hat derzeit eine eher eingeschränkte Auswahl. Der Mini gehört definitiv zu den stylischen Offerten. Sein Akku ist allerdings ebenfalls mini. Doch das kann auch positiv sein.

Muss ein elektrisch angetriebenes Auto immer zwingend einen riesigen Akku haben? Hat der Mini nicht und gerade diese Eigenschaft kann sogar als Kaufargument ziehen. Denn weniger CO2-Ausstoß bei der Batterieproduktion und weniger Gewicht, das später herumgefahren werden muss, tragen zur Ressourcenschonung bei und damit zum Umweltschutz. Und vor allem wegen des Umweltschutzes schließlich soll die Mobilität ja ausdrücklich elektrisch werden. Doch jetzt kann dieser mindestens 37.300 Euro (ohne Förderung) teure Mini Cooper SE mit der kleinen Batterie natürlich auf "Reichweitenangst" treffen, die nach so einigen Erhebungen einem großen Teil der hiesigen Autofahrer zugesprochen wird.

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Mit 3,85 Metern Länge ist der Mini noch ein waschechter Kleinwagen.

(Foto: Patrick Broich)

Okay, egal. Das wird später besprochen. Erst einmal 'ne Runde drehen. Apropos Gewicht: Mit exakt 1365 Kilogramm nach DIN mag der Mini für seine 3,85 Meter nicht sonderlich leicht sein, für ein Elektroauto allerdings ist der Wert fast phänomenal. Denn die E-Maschine ist leichter als der Verbrennungsmotor, dafür haut der Stromspeicher rein - unter dem Strich ist der Cooper SE aber nur 145 Kilogramm schwerer als seine Brüder mit Verbrenner.

Also, Vorwärtsgang rein und los. Huch, was ist denn das? Die nicht ganz so traktionsstarken Dunlop SP Winter Sport haben so ihre Mühe, wenn 184 PS respektive 270 Newtonmeter Drehmoment über sie herfallen. Dann ist energisches Scharren statt Vortrieb angesagt. Aber wenn dann mal erst einmal Grip aufgebaut wird, geht es voran. Druckvoll und ansatzlos, wie bei einem elektrisch angetriebenen Fahrzeug zu erwarten. Aber das sind solche Momente, in denen potenzielle Umsteiger nachdenklich werden. Solche Menschen nämlich, die eigentlich dem Verbrenner zugetan sind.

Der Mini Electric ist ein satter Performer

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Statt auf dem Dach findet sich der Union Jack jetzt im Rückleuchtendesign wieder. Der Mini kommt selbstverständlich aus Oxford.

(Foto: Patrick Broich)

Aber man müsste schon von einem Abarth 500 auf den Mini Electric umsteigen, um massiven Entzug zu durchleiden. Denn das ist der einzige Kleinwagen, der die Fahne des hemmungslos emotionalen, süchtig machenden Motorsounds hochhält. Okay, okay, auch ein Mini John Cooper Works kann unter forciertem Umgang mal sprotzeln und knallen - aber diese angeschärfte Version ist eben auch ein anderer Fall. Die Elektrovariante soll, wenn überhaupt, eher Kunden überzeugen, die vielleicht irgendwo auch ein bisschen Freude daran haben, nicht mehr ganz so CO2-trächtig unterwegs zu sein, und nicht die klassische PS-Fraktion. Noch nicht jedenfalls.

Und solche User nutzen vielleicht noch nicht einmal das ganze Performance-Potenzial des elektrischen Mini. Der ist nämlich richtig feurig, braucht lediglich 7,3 Sekunden, um 100 km/h schnell zu werden (Topspeed 150 km/h). Außerdem kann der 1,4-Tonner bei Bedarf auch ganz gut quer fahren, nimmt die eine oder andere Landstraßen-Kehre harmlos untersteuernd, wenn man flink mit dem vielleicht einen Tick zu schwulstigen Lenkrad umzugehen weiß.

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Das "S"-Emblem führt in die Irre. Schließlich handelt es sich um einen Cooper SE.

(Foto: Patrick Broich)

Straff-sportiv und wild ist immer noch die Spezialität des Mini. Er lenkt zackig und präzise, macht auf Alltags-Gokart. Ein bisschen jedenfalls. Ob das von BMW propagierte "One-Pedal-Driving" zu diesem Stil passt, sei dahingestellt. Gaspedal lupfen heißt jedenfalls zwingend verzögern. Man kann die Stärke des rekuperationsbedingten Bremens zwar in zwei Stufen regulieren, aber nicht abschalten. Wird die mildere Variante gewählt, dann nur bis zum nächsten Motorstart. In diesem Fall geht das System wieder auf die hohe Rekuperation.

Retrostil gehört zur Design-DNA des modernen Mini

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Die Retro-Elemente als Bestandteil der Innenarchitektur sind typisch Mini.

(Foto: Patrick Broich)

Wie ist der Mini eigentlich zum Massenphänomen geworden? Der Antrieb ist jedenfalls nur ein Baustein seines Erfolgs. Er ist ein Lifestyle-Produkt durch und durch, das mit Liebe zum Detail hierzulande jedenfalls reihenweise Herzen zu erobern scheint - und zwar jeglicher Couleur. Er spricht die Nostalgiker an mit satt klickenden Retroschaltern im Innenraum, die Anglophilen mit dem schottischen Karomuster (auf Wunsch geht aber auch Hahnentritt oder vieles mehr) auf den wertig anmutenden Polstern. Und die Infotainment-Fans mit großem Display in der Mittelkonsole plus inzwischen auch digitalisiertem Kombiinstrument - beide mehr oder weniger in Retrodesignsprache gehalten, um den Charakter der Gesamtarchitektur zu wahren. Nur bisschen größer könnte das Infofeld als Tachoersatz schon sein, zugegeben. Aber da wäre ja optional noch das (600 Euro teure) Head-up-Display.

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Der CCS-Anschluss ist selbstverständlich, die Ladeleistung beträgt aber nur 50 Kilowatt.

(Foto: Patrick Broich)

Jetzt aber genug geflirtet mit dem Produkt Mini, das zweifellos ein Phänomen ist: Denn es funktioniert. Aber funktioniert auch der elektrische Mini? Das Resultat des schonungslosen Selbstversuchs, mal eine lange Strecke mit dem stylischen Stadtfloh abzuspulen, lautet: Es kommt darauf an. Knapp 600 Kilometer am Stück sind machbar, aber eben auch mit - im konkreten Fall - 168 Lademinuten verbunden. Und freilich mit dem manchmal mulmigen Gefühl, ob man die nächste Ladesäule noch erreicht beim Anblick der Reichweite-Anzeige, die bei einem Ladestand von 90 Prozent mitunter gerade mal 123 Kilometer ausweist.

Allerdings herrschten auch Temperaturen um 0 Grad Celsius - hier richtet dann auch die serienmäßige Wärmepumpe nicht ganz so viel aus. Unter milderen Wetterumständen darf man davon ausgehen, dass der Cooper seine rund 200 Kilometer schafft, was auch in etwa der WLTP-Angabe entspräche. Und der 28,9 kWh (netto) große Akku lädt eben nur mit maximal 50 Kilowatt. Bedeutet in der Praxis: Um die 30 Kilometer werden pro zehn Minuten Ladezeit hinzugewonnen.

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Das Gepäckraumvolumen des Mini (731 Liter maximal) ist zwar nicht riesig, aber man muss immerhin keine Abstriche bei der lautlosen Version in Kauf nehmen.

(Foto: Patrick Broich)

Dazu kommt, dass die Designer den Kleinwagen-Evergreen eben nach den Regeln der Ästhetik statt der Aerodynamik gestaltet haben, was nicht zur höchsten Effizienz führt und auch mal 18 kWh Stromverbrauch je 100 Kilometer zur Folge haben kann. So what, wer sollte dem Mini das verübeln? Denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass eine satte Mehrheit der Mini-Electric-Käufer keine hartgesottenen Außendienstler sind, die richtig viel Strecke zurücklegen mit dem Cityflitzer. Kann man aber machen, wenn der Weg das Ziel ist und man Spaß daran hat, auf Ladesäulen-Erkundungstour zu gehen. Und Ladesäulen gibt es hierzulande mittlerweile reichlich.


Datenblatt

Mini Cooper SE

Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)

3,85 / 1,73 / 1,45 m

Radstand

2,50 m

Leergewicht (DIN)

1365 kg

Sitzplätze

4

Ladevolumen

211 bis 731 l

Motorart

Elektrosynchronmotor

Getriebe

Eine Übersetzung, fest

Systemleistung

184 PS (135 kW)

Antrieb

Vorderradantrieb

max. Drehmoment

270 Nm

Beschleunigung 0-100 km/h

7,3 Sekunden

Höchstgeschwindigkeit

150 km/h

Akkukapazität

28,9 kWh (netto)

Maximale Ladeleistung (Gleichstrom)

50 kW

Ladeleistung (Wechselstrom)

11 kW

Verbrauch (kombiniert)

15,3 bis 17,6 kWh/100 km (WLTP)

kombinierte WLTP-Reichweite

203 bis 233 Kilometer

CO₂-Emission kombiniert

0 g/km

Grundpreis

Ab 37.300 Euro

Fazit: Mini mit elektrischem Antrieb, kann man das machen? Ja, aber ein Lade- und Reichweitenwunder ist der zugegeben stylische Kleinwagen nicht, da muss heute mehr gehen. Wer aber ohnehin nicht viel Strecke am Stück macht, kann diesen Faktor einplanen und damit umgehen. Dennoch: Laternenparker ohne Lademöglichkeit zu Hause müssen immer wieder mal Stopps von bis zu einer halben Stunde einplanen.

Überzeugend sind die sportlichen Fahrleistungen und das knackige Gokart-Feeling. Außerdem lässt sich der Mini Cooper SE vielfältig konfigurieren, womit er bei vielen potenziellen Kunden Punkte sammeln dürfte. Gebaut wird er übrigens in Oxford. Wo ist bloß das Dach mit Union-Jack-Lackierung abgeblieben? Im Konfigurator ist es nicht zu finden.

Quelle: ntv.de

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