Unterhaltung

Geschichten vom Ga-Ga-Gangsta Bushidos Bim Bam Bino

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Die Schere im Kopf: Bushido.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Öffentlichkeit ist weiter über "Stress ohne Grund" empört. PR und Rubel für Bushido rollen. Und der 34-Jährige schwadroniert in Interviews neunmalklug über das Wesen von Gangsta-Rap. Als wäre man mitten in den US-amerikanischen 90ern. Oder aber im Kindergarten.

So ein Glück aber auch. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien setzt "Stress ohne Grund" im Ratzfatz-Verfahren auf den Index. Und mit dem Song auch noch gleich das Album von Bushidos Buddy Shindy, dem der Alt-Rapper das Duett aus Nettigkeit spendierte. Oder aber aus Geschäftssinn. Schließlich ist der 24-jährige Nachwuchs-Gangsta aus dem baden-württembergischen Grusel-Ghetto Bietigheim-Bissingen (dass das eine der reichsten Städte Deutschlands sein soll, ist natürlich nur eine Mär) ja bei seiner Plattenfirma unter Vertrag.

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Schlimmes Pflaster: Bietigheim-Bissingen.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Die Frage ist nur, für wen das ein Glück ist - für die Öffentlichkeit oder für die beiden Buben mit den lustigen Bärten aus dem Musikvideo. Dass die Indizierung, die den Erwerb von CD und Song letztlich nur geringfügig erschwert, das so ziemlich beste Verkaufsargument ist, wurde in der Vergangenheit schon x-fach belegt. Der allgegenwärtige Reiz des Verbotenen macht schließlich vor bösen Barden ganz bestimmt nicht Halt. Gäbe es etwa den nimmersatten Schäferhund tatsächlich, der sie einst über Claudias Bett in den Schoß des Index führte - Die Ärzte würden ihm wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit mit Blattgold bestreutes Chappi vorsetzen. Die Böhsen Onkelz verdankten nicht zuletzt der öffentlichkeitswirksamen Ächtung ihrer Frühwerke den Aufstieg zu Skinhead-Ikonen. Und etwa auch Rammstein werden in Wahrheit nicht allzu traurig darüber gewesen sein, als 2009 ihr Album "Liebe ist für alle da" erst einmal nicht mehr für alle da war.

Wollte man die Angelegenheit "Stress ohne Grund" mit einem der genannten Fälle vergleichen, dann eigneten sich dafür wohl am besten die Onkelz. Ging es bei den Ärzten und Rammstein um eher banalen sexuellen Schweinkram, standen beziehungsweise stehen bei den Böhsen Onkelz und Bushido schon schlagkräftigere Sauereien im Vordergrund. Und das nicht zuletzt wegen ihrer kompletten Humor- und Ironiefreiheit. Auch eine Band wie Die Ärzte hat in manchem Song ausgeteilt. Aber die Brechung durch Ironie ermöglicht in der Kunst tatsächlich nahezu alles. Der (Gangsta-)Rap als Kunstform allein, wie es Bushido offenbar hingegen glaubt oder auch nur glaubhaft machen will, hingegen nicht.

"Ich bin Rapper"

"Ich hoffe, Sie steigen in der Karriereleiter durch dieses Interview sehr extrem hoch", verabschiedete sich Bushido mit ironischer Süffisanz - na also, geht doch! - von ORF-Moderatorin Lisa Gadenstätter nach einem Interview zum Wirbel um seinen neuen Song. Weniger denkwürdig als Gadenstätters Fragen machten jedoch seine Antworten das Gespräch. Insbesondere dass Grünen-Chefin Claudia Roth ihn als "Antisemiten" bezeichnet hatte, scheint den Rapper in Rage und zur Retourkutsche getrieben zu haben. Dabei gibt es entsprechende Vorwürfe gegen ihn nicht erst seit gestern.

"Stress ohne Grund" sei "eigentlich gar nicht großartig eine übertriebene Reaktion", versichert Bushido, kramt die Schere im Kopf hervor und hämmert sie geradezu senkrecht in den Schädel. "Ich bin Rapper. Ich werde oft auch als Gangsta-Rapper betitelt. Das dort, was man da hört und sieht, sind halt einfach die stilistischen Mittel, die mir als Rapper, als Musiker gegeben sind", sagt der 34-Jährige in dem ORF-Interview. Würde man ihn aber "persönlich als Menschen" fragen, dann läge es ihm natürlich völlig fern, Claudia Roth oder andere in dem Song genannte Personen "in ihrer persönlichen, in ihrer physischen oder in ihrer geistigen Person anzugreifen". Wer da, so wie die verdatterte Moderatorin, nicht mitkomme, sei "halt anscheinend auch irgendwie nicht in der Lage (…), diese Art von Musik halt richtig zu definieren".

Als US-Afrikaner Hip-Hop und Rap Ende der 70er Jahre erstmals aus den Ghettos ihrer Metropolen heraus populär machten, machte Anis Mohamed Youssef Ferchichi - ehe er rund 20 Jahre später zu Bushido wurde - noch in die Windeln. Als Gangsta-Rap-Pionier Ice-T sein erstes Album aufnahm, ging der kleine Anis zur Grundschule. Und als Tupac Shakur und Notorious B.I.G. im Krieg der Gangsta-Rapper Mitte der 90er erschossen wurden, war ihr Epigone gerade mal volljährig.

Der harte Max

Der deutsche Rap hat seit jeher ein Problem. Er imitiert mit Jahrzehnten Verspätung eine Kultur, die nicht die seine ist. Und während sich einstige Gangsta- und Hardcore-Rapper nach den Kugelhageln der 90er in den USA längst von der überkommenen Vergangenheit gelöst haben, macht Villenbesitzer Bushido hierzulande immer noch den harten Max. Nein, die Verhältnisse in Deutschland sind zum Glück nicht wie in den USA. Und hier werden Verbalgranaten gottlob und hoffentlich nie in reales Pistolenfeuer münden. Trotzdem kann man die Geschichte der eigenen Musik nicht derart ausblenden und Gangsta-Rap zur reinen Kunstform stilisieren - aber da ist Bushido halt anscheinend auch irgendwie nicht in der Lage, das Ganze richtig zu definieren.

Klar, auch in den USA wird noch gerappt, gedisst, mit Kraftausdrücken und hier und da auch schwulenfeindlichen Phrasen um sich geworfen. Aber auch hier weht Musikern in diesen Fällen inzwischen ein rauerer Wind entgegen. Als 50 Cent 2010 eine als schwulenfeindlich interpretierbare Nachricht twitterte, sorgte das selbst unter seinen Followern für Empörung. Und 50 Cent, der einst noch öffentlich erklärte, er wolle keine "Schwuchteln" um sich haben, hat auch sonst dazugelernt. Mittlerweile spricht er sich ebenso für die Homo-Ehe aus, wie er alle, die seinen Musik-Kollegen Frank Ocean wegen dessen Homosexualität attackieren, als "Idioten" bezeichnet.

Im wahren Leben habe ja auch er nichts gegen Schwule, versichert Bushido. Nur: Er hat scheinbar nichts dazugelernt. Die Gesellschaft hat sich verändert seit den 90ern. Bushido aber bleibt stehen. Man fühlt sich geradezu in der Zeit zurückgebeamt. In den Kindergarten, das Kasperletheater oder zu Bim Bam Bino. Das lief doch auch in den 90ern, oder?

Quelle: ntv.de

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