Unterhaltung

"Tatort" aus Köln Keine Sünde wert

Im Visier der Ermittler: Ex-KSK-Soldat Lars Baumann (Hanno Koffler, Mitte)

Im Visier der Ermittler: Ex-KSK-Soldat Lars Baumann (Hanno Koffler, Mitte)

(Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Eine Femme fatale verschwindet, eine Hotelangestellte stürzt zu Tode, und ein Architekturbüro geht in Katar schmutzigen Geschäften nach: "Bausünden" rührt einen wahnsinnig zähflüssigen Plot an - und garniert ihn mit hirnrissigen Dialogen.

Chronopsychologisch gesehen ist der "Tatort" ein spannendes Phänomen. Bei kaum einer anderen Serie ist die Fallhöhe zwischen objektiver und gefühlter Zeit höher: Passionierte Zuschauer wissen, dass keine Folge die 90 Minuten dauert, die sie eigentlich dauern sollte. Stattdessen vergeht die Zeit manchmal wie im Flug, während man noch öfter das Gefühl hat, sich durch einen Film in Überlänge zu quälen. Und ab und an gibt es dann ein filmisches Verbrechen, das einfach nicht aufhören will. Es geht einfach immer weiter. Und weiter. Und weiter.

Manchmal möchte man einfach aus einem fahrenden Auto springen - zum Beispiel nach dem eher zweifelhaften Genuss dieses "Tatorts".

Manchmal möchte man einfach aus einem fahrenden Auto springen - zum Beispiel nach dem eher zweifelhaften Genuss dieses "Tatorts".

(Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

So wie "Bausünden", der neueste Fall der Kölner Ewig-Ermittler Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär). Eine Hotelangestellte stürzt vom Balkon ihres Hauses, die verwüstete Wohnung lässt auf Mord schließen. Über das Handy der Toten werden die Kommissare auf die Mitarbeiterin eines renommierten Architekturbüros aufmerksam, die wie vom Erdboden verschluckt ist. Ihr Chef wähnt sie im Urlaub, während Lars Baumann (Hanno Koffler) davon überzeugt ist, dass seiner Frau etwas zugestoßen ist.

Wo ist die geopolitische Perspektive geblieben?

Im Laufe der Ermittlungen erfahren Ballauf und Schenk nicht nur, dass Frau Baumann als Femme fatale bekannt ist, sondern auch, dass alle Fäden bei dem Architekturbüro zusammenlaufen, das Hotels für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar hochzieht und es mit den Arbeiterrechten dabei nicht so genau nimmt. Ein Krimi über die miesen Machenschaften deutscher Unternehmen in den Petrostaaten auf der arabischen Halbinsel - wie spannend.

Aber zu früh gefreut: Anstatt die vielversprechende Geschichte zu vertiefen, verliert "Bausünden" die geopolitische Perspektive schnell wieder aus den Augen und versteift sich stattdessen auf die verschwundene Frau Baumann und die diversen Männer, die ihr aus unterschiedlichsten Gründen verfallen sind. Das ist nicht nur wahnsinnig platt und vorhersehbar konstruiert, en passant wird auch noch ein Frauenbild vermittelt, das seltsam aus der Zeit gefallen zu sein scheint und besser in einen 80er-Jahre-Streifen gepasst hätte.

Oder ins Jahr 1997. Damals drehte Kaspar Heidelbach den ersten Kölner "Tatort" mit Ballauf und Schenk - und Heidelbach durfte auch bei "Bausünden" wieder Regie führen. Zusammen mit dem Engagement Klaus Doldingers, der für die unerschütterliche "Tatort"-Titelmelodie verantwortlich zeichnet, mag das erklären, warum dieser Krimi so altbacken daherkommt. Unerklärlich und unentschuldbar ist allerdings trotz des rentenfähigen Alters der Protagonisten und Macher die Schludrigkeit, mit der die Dialoge geschrieben sind - und das völlige Fehlen von schauspielerischem Talent bei den allermeisten Nebenrollen. Wenn man obendrauf nun auch noch den dudelnden Fahrstuhljazz mit seinen unsäglichen Saxophonsoli packt, bleibt am Ende ein Krimi, der nun wirklich gar keine Sünde wert ist - Femme fatale hin oder her.

Quelle: ntv.de

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