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Geschwister-Scholl-Preis verliehen Necla Kelek ausgezeichnet

Die deutsch-türkische Soziologin Necla Kelek ist am Montagabend in München mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2005 ausgezeichnet worden. Bei der Verleihung kritisierte die 47-Jährige eine falsch verstandene Toleranz gegenüber türkischen Einwanderern in Deutschland.

"Es wird eine archaische, oft religiös begründete Kollektivkultur akzeptiert, die elementare Rechte der Verfassung verletzt", sagte sie. Kelek erhielt den mit 10 000 Euro dotierten Preis für ihr Buch "Die fremde Braut. Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland". Darin beschreibt und verurteilt sie die Praxis von Zwangsheirat und arrangierten Ehen.

"Necla Kelek konfrontiert uns mit Verstößen gegen die Grundrechte von türkischen Bürgerinnen, die mitten unter uns leben", hieß es in der Begründung der Jury. Damit stelle sich die Frage: "Wo verläuft in Deutschland die Grenze zwischen gebotenem Respekt vor kultureller Differenz und falsch verstandener Toleranz?"

Die in Istanbul geborene Soziologin sagte laut Redemanuskript, die Integration eines großen Teils von Migranten sei auch wegen eines falschen Politikansatzes gescheitert. Einwanderer würden teilweise als Opfer der Gesellschaft gesehen, damit werde ihnen Eigenverantwortung abgesprochen. "Wir müssen hingucken und uns eine ganze Menge einfallen lassen, wie wir Muslime aus dem Getto der Parallelgesellschaft herausholen und ihnen eine aktive Integration abverlangen können."

Nach Auffassung Keleks gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Islam, der der Gemeinschaft Vorrang vor dem Individuum gebe, und dem Christentum, das dem Einzelnen durch die Entdeckung des Gewissens Verantwortung zuspreche. Frauen und Mädchen würden im Islam zudem als Besitz der Männer betrachtet. Das Festhalten am türkisch-muslimischen Common Sense führe dazu, dass mindestens die Hälfte der der in Deutschland wohnenden Türken zwar in der Moderne lebe, dort aber nie angekommen sei.

Kelek gab eine Liebeserklärung an Deutschland ab. "Ja Sie haben richtig gehört, ich liebe dieses Land." Alles, was sie im Laufe ihres Lebens an persönlicher Freiheit habe gewinnen können, habe sie der deutschen Gesellschaft und Verfassung zu verdanken. Die Deutschen hätten angesichts ihrer eigenen belasteten Vergangenheit aber Scheu, Missstände in anderen Kulturen anzuprangern. "Die Angst, an andere Maßstäbe anzulegen, die man für sich selbst für selbstverständlich hält, führt dazu, dass Freiheitsverletzungen akzeptiert werden, die nicht akzeptabel sind."

In seiner Laudatio sagte Redakteur Heribert Prantl von der "Süddeutschen Zeitung" laut Redemanuskript: "Das Buch ist wie ein Faustschlag auf den Schädel. Der soll uns aufwecken, uns die Augen öffnen - und uns zeigen, was wir nicht akzeptieren dürfen: Dass mitten unter uns Zehntausende von jungen türkischen Frauen wohnen, die das Wort Gleichberechtigung nicht sprechen, nicht schreiben und nicht leben können." Die typische Import-Braut sei "sehr jung, ungebildet und kommt vom Dorf, wird an einen fremden Verwandten in Deutschland verheiratet, lebt dort ohne Außenkontakte in der türkischen Gemeinde und lernt kein Wort Deutsch - mit katastrophalen Folgen für die Bildung der Kinder".

Der Geschwister-Scholl-Preis wird jedes Jahr von der Stadt München und dem bayerischen Landesverband im Börsenverein des Deutschen Buchhandels für ein Buch vergeben, das "bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut" fördern kann. Die Auszeichnung soll die Erinnerung an die Studenten Hans und Sophie Scholl wach halten, die als Mitglieder der "Weißen Rose" ihren Widerstand gegen das Nazi-Regime mit dem Leben bezahlten. Zu den bisherigen Preisträgern gehören Christa Wolf, Reiner Kunze, Rolf Hochhuth, Victor Klemperer und 2004 die französische Autorin Soazig Aaron.

Quelle: ntv.de

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