Bücher

Alltagshorror eines Großmeisters "King wie Doppel-Whopper mit Pommes"

Alkoholsucht, Tablettenrausch: Für Stephen King ist das Vergangenheit.

Alkoholsucht, Tablettenrausch: Für Stephen King ist das Vergangenheit.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Weit mehr als 400 Millionen verkaufte Bücher sprechen eine deutliche Sprache. Seit Jahrzehnten ist Stephen King unumstrittener Bestsellerautor und drückt einem ganzen Genre seinen Stempel auf. Jetzt wird der "Großmeister des Horrors" 65. n-tv.de spricht mit seinem deutschen Lektor Patrick Niemeyer über das Kingsche Erfolgsrezept, seine raren öffentlichen Auftritte, die "Dunkle Turm"-Saga um Roland, den Revolvermann, und einen ganz speziellen literarischen Vergleich.

n-tv.de: Patrick Niemeyer, Sie betreuen den Autor Stephen King bereits seit mehreren Jahren als Lektor beim Heyne-Verlag - kennen Sie ihn auch persönlich? Wie ist der Bestsellerautor als Mensch?

Patrick Niemeyer: Nein, leider habe ich ihn noch nicht persönlich kennengelernt. Stephen King ist ein sehr reisescheuer Mensch.

Er gilt als sehr bescheiden. In der Öffentlichkeit sieht man ihn relativ selten. Ist der Großmeister des Horrors öffentlichkeitsscheu?

Soweit würde ich nicht gehen. Wenn in Amerika Bücher von ihm herauskommen, dann macht er auch Lesungen und Signierstunden. Er trat auch schon mit seinen Kollegen John Irving und Joanne K. Rowling gemeinsam vor großem Publikum auf. Auch mit seiner Schriftsteller-Rockband "Rock Bottom Remainders" zeigt er sich ab und an für karitative Zwecke in der Öffentlichkeit.

Aber in den vergangenen Jahren ist es etwas ruhiger in der Öffentlichkeit um ihn geworden?

Das stimmt. Seit seinem Unfall 1999, als er bei einem Spaziergang von einem Auto erwischt wurde und mehrere Wochen im Krankenhaus lag, hat er sich ein bisschen rarer gemacht.

Und was macht den Autor King als Autor für Millionen Fans so faszinierend?

Stephen King 1970: Damals träumte er noch davon, vom Schreiben von Kurzgeschichten und Romanen leben zu können.

Stephen King 1970: Damals träumte er noch davon, vom Schreiben von Kurzgeschichten und Romanen leben zu können.

(Foto: REUTERS)

Ganz einfach: dass er schreiben kann. Er schafft es immer, den Leser in die Geschichte hineinzuziehen. Wie er das genau macht, lässt sich nur schwer analysieren.

Versuchen Sie es …

King schafft es, Spannung aufzubauen. Er versucht nicht - wie der landläufige deutsche Autor etwa -, ein Gefühl zu beschreiben. Er entwickelt und beschreibt vielmehr die Szene, die im Leser genau jenes Gefühl auslöst, welches die Figur gerade durchlebt. Diese Kunst, die amerikanische Schriftsteller immer predigen, "Show, don’t tell", beherzigt King wie kein Zweiter.

Und die Stars seiner Bücher sind "einfache Leute", wie du und ich …

Genau, das ist ein weiterer Erfolgsfaktor: In seinen Büchern passieren nicht außergewöhnlichen Menschen alltägliche Dinge, sondern alltäglichen Menschen außergewöhnliche Dinge. Über die Jahre hat er sich mit diesem Ansatz zu einem der großen Chronisten des amerikanischen Alltags entwickelt.

Kings besonderer Stil, hat der sich in den vergangenen Jahrzehnten seit seinen ersten Büchern Anfang der 1970er Jahre verändert?

Ja, aber auch das lässt sich schwer in Worte fassen. Es gibt so ein paar Sachen, die eindeutig Stephen King sind, die aber dann letzten Endes ein Stephen-King-Buch nicht allein ausmachen. Er selbst sagt, dass sich seine Schreibe verändert hat: Einige seiner frühen Werke (u.a. "Cujo", Anm. des Red.) habe er etwa gewissermaßen im Vollsuff und Tablettenrausch geschrieben. Das passiert heute nicht mehr.

King hat mehr als 400 Millionen Bücher weltweit verkauft …

Wenn nicht sogar mehr. Die Zahlen sind schwer zu fassen, auch wegen der internationalen Verkäufe.

Wie wird man eigentlich Lektor eines solch erfolgreichen Autors?

(Lacht) Indem man Lektor in einem Verlag ist, in dem King-Bücher verlegt werden. Eine besondere Beziehung zu ihm oder zum Horrorgenre an sich habe ich nicht, auch wenn ich sehr viel aus diesem Bereich gelesen habe und lese.

Was gefällt Ihnen persönlich an Kings Büchern, die ja in der Regel richtige Wälzer sind?

Das stimmt. Aber das Gute an seinen Büchern ist, dass man den Werken die 1000 Seiten zwar äußerlich ansieht. Beim Lesen selbst vergisst man das aber sehr schnell. King-Bücher entwickeln eine Art Sog, dem man sich nur schwerlich entziehen kann. Da unterscheide ich mich als privater Leser nicht vom professionellen. Man verschlingt seine Bücher geradezu und wird schnell süchtig. Er selbst hat einmal gesagt, dass er das literarische Äquivalent zu einem Doppel-Whopper mit einer Portion Pommes sei.

Welches ist Ihr Kingsches Lieblingsbuch und warum?

Immer das aktuelle. (Lacht) Und seine Reminiszenzen, die er des Öfteren schreibt. "Puls" beispielsweise war eine Hommage an den Kultregisseur George A. Romero ("Dawn Of The Dead", Anm. des Red.). Kings Stil hat sich dabei dem trashigen Romeros angepasst und das hat mir sehr gut gefallen. "Love" und "Wahn" waren da ganz anders. Sie berührten ganz tief das Seelenleben der Menschen. Das hatte eine ganz andere schriftstellerische Qualität - und hat mir auch gefallen. "Die Arena" und "Der Anschlag" - das reinste Lesevergnügen!

Wann kommt ein neues King-Buch in Deutschland heraus? Wie heißt es und worum geht es darin?

Sein neuestes Buch heißt "Wind" und ist gerade auf dem deutschen Markt erschienen. Es gehört zur "Dunklen Turm"-Saga, die King über mehrere Jahrzehnte verfasst hat. Es ist das achte Werk zu diesem Epos um Roland, den Revolvermann. King selbst bezeichnet "Wind" als "Dark Tower 4.5", weil es thematisch zwischen dem vierten ("Glas") und fünften Band ("Wolfsmond") angesiedelt ist. Man muss die anderen Bände aber nicht gelesen haben, um auf seine Lesekosten zu kommen. Der neue Roman eignet sich sogar sehr gut für Erstleser als Einführung in die Dunkle-Turm-Welt. Es ist wie ein Buch im Buch im Buch aufgebaut, ohne zu viel verraten zu wollen.

Wieder ein sehr kurzer Titel. Ist das so gewollt?

Ja, das hat mittlerweile Tradition. King selbst hat damit früh angefangen: "Carrie", "Cujo", "Es" - alles kurze, griffige Titel. Übrigens: Die deutschen Titel werden vom Autor jeweils abgesegnet. "Love" beispielsweise hätte er gern auch selbst für "Lisey's Story" verwendet, aber da gibt es im Englischen schon den gleichlautenden Roman von Toni Morrison.

Jetzt ist Stephen King 65 Jahre alt. Haben Sie einen speziellen Geburtstagswunsch für oder an ihn?

Er soll weiterhin gesund bleiben!

Mit Patrick Niemeyer sprach Thomas Badtke

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen