Kino

Henry Hübchen im Glaubenskrieg Deutscher, kommst du nach Polen

Keine Madonna, aber Grabosch ist von Irene trotzdem beeindruckt.

Keine Madonna, aber Grabosch ist von Irene trotzdem beeindruckt.

(Foto: Zorro Film GmbH)

Deutsche sind überkorrekt und griesgrämig. Polen klauen Autos und sind bis ins Mark katholisch. In "Polnische Ostern" werden alle gängigen Vorurteile in den Beziehungen beider Länder gezeigt. Und dann zertrümmert. Mit einer Schwarzen Madonna und Schokoladenkondomen.

Polnischer Triathlon? Man geht zu Fuß ins Freibad, schwimmt ein paar Runden und fährt mit einem Fahrrad zurück: Auch einen Polenwitz gibt es in "Polnische Ostern". Dabei ist der Regisseur des Films selbst Pole. Allerdings kam er mit seiner Familie 1980, mit fünf Jahren, nach Deutschland. Jakob Ziemnicki kennt also beide Seiten, beide Befindlichkeiten, kennt die belasteten Beziehungen und die Vorurteile - und die gibt es zur Genüge.

Grabosch kennt sich aus: Wer nach Polen fährt, braucht eine Wegfahrsperre.

Grabosch kennt sich aus: Wer nach Polen fährt, braucht eine Wegfahrsperre.

(Foto: Zorro Film GmbH)

Werner Grabosch (Henry Hübchen) scheint sie alle zu kennen. Und auch besagten Polenwitz. Der Bäckermeister sitzt in seinem sauberen Haus im norddeutschen Rendsburg und passt seit dem Tod der Tochter auf sein Enkelkind Mathilda auf. Doch dann taucht ihr Vater Tadeusz auf - ein Pole. Und es kommt noch schlimmer für Grabosch: Das Jugendamt entscheidet, dass die Siebenjährige bei ihrem Vater aufwachsen soll, im polnischen Wallfahrtsort Czestochowa. Der Großvater fällt aus allen Wolken. Er könnte Mathilda wieder nach Deutschland holen, doch dann müsste er nachweisen, dass die neue Familie schädlich für das Kind wäre.

Madonna und Irene

Mit Videokamera, Notizblock und sicherer Wegfahrsperre macht sich Atheist Grabosch also auf den Weg - direkt ins katholische Herz Polens. Ausgerechnet über die Osterfeiertage. "Die Invasion der Deutschen", freut sich die neue Verwandtschaft. Doch was als Suche nach der Bestätigung der eigenen Vorurteile beginnt, wird für Grabosch - das ist bald vorhersehbar - zum Selbstfindungstrip: Ist seine Tochter einfach nur tot - oder ist sie doch im Himmel, wie die gläubige polnische Verwandtschaft glaubt und die Enkelin hofft? Warum schaut ihn die Schwarze Madonna - ein polnisches nationales Symbol - so an? Und wieso fühlt er sich so zu Tadeusz' Mutter Irene hingezogen?

Der Zweck heiligt die Mittel? Grabosch lässt sich in der Küche nottaufen. Enkelin Mathilda hat schon.

Der Zweck heiligt die Mittel? Grabosch lässt sich in der Küche nottaufen. Enkelin Mathilda hat schon.

(Foto: Zorro Film GmbH)

Ein Film, zumal eine Komödie, die sich mit deutsch-polnischen Befindlichkeiten auseinandersetzt, kann leicht danebengehen. So war Regisseur Ziemnicki eine gewisse Anspannung anzumerken, als er den Film zur Eröffnung des Neiße Filmfestivals im sächsischen Zittau vorstellte. Zwar lief "Polnische Ostern" bereits im Rahmen des Max-Ophüls-Preises in Saarbrücken, doch erst hier, mitten im Dreiländereck, konnte ihn erstmals auch ein größeres polnisches Publikum sehen. Und auf dessen Reaktion war der junge Regisseur besonders gespannt.

Die Lobby fehlt

Lange haderte er damit, zwischen den Kulturen zu stehen, erklärt Ziemnicki n-tv.de in Zittau. Doch für sein Langfilm-Debüt habe er sich des Stoffes angenommen. Und dies habe vor allem einen Grund, erklärt er: "Polen kommt in Deutschland kaum vor." Vor allem für die polnische Kultur, den polnischen Film fehle die Lobby, so Ziemnicki. So ist Co-Darstellerin Grazyna Szapolowska in Deutschland kaum bekannt, bei den Dreharbeiten in Polen, wo Hübchen kaum bekannt ist, war sie aber der Superstar, erzählt der Regisseur.

Ein Atheist denkt um.

Ein Atheist denkt um.

(Foto: Zorro Film GmbH)

Dabei ist der Film auf Hübchen zugeschnitten, der zur Geschichte das perfekte Gesicht abgibt: verknautscht und pessimistisch, abweisend, aber auch schlitzohrig. Man kennt das aus "Alles auf Zucker". Doch ein Hallodri ist Grabosch nicht - er leidet unter dem Verlust von Tochter und Enkelin. Und schließlich findet er Trost, wo er ihn nicht erwartet hat, egal ob dieser nun durch eine Madonna oder eine leibhaftige Frau hervorgerufen wird.

"Polnische Ostern" spielt mit den Vorurteilen, er treibt sie auf die Spitze und hinterfragt sie damit. Das ist nicht immer perfekt, manchmal vorhersehbar, aber sehr oft amüsant. Etwa wenn Grabosch mit Westernmusik untermalt in den vermeintlich rechtsfreien Osten fährt. Dabei gesellt sich bald ein Familienfilm neben diese Komödie der Kulturen. Erzählt wird von Verlust und Einsamkeit, von Aufbruch und Sinnsuche. Die Figuren erhalten damit eine wohltuende Tiefe. Ziemnicki jedenfalls, der Pole in Deutschland, schafft sein Ziel: einen kleinen Beitrag zur Verständigung zwischen den Völkern.

Quelle: ntv.de

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