Kino

"Der Exorzist" Die Fratze des Bösen

Der Exorzist: Pater Merrin (Max von Sydow), Spezialist für Teufelsaustreibungen, versucht der 12-jährigen Regan (Linda Blair) den Dämon auszutreiben.

Der Exorzist: Pater Merrin (Max von Sydow), Spezialist für Teufelsaustreibungen, versucht der 12-jährigen Regan (Linda Blair) den Dämon auszutreiben.

(Foto: imago stock&people)

Als an den Weihnachtsfeiertagen 1973 "Der Exorzist" Kinopremiere feierte, war das Entsetzen der Medien und des Publikums gleichermaßen groß. Von "entsetzlich ekelhaft" über "absolut krank" bis "gruselige Filmkunst" spalteten sich die Reaktionen. Recht hatten sie irgendwie alle.

Der Legende nach verließen Zuschauer bei den Teufelssaustreibungs-Szenen in Regisseur William Friedkins Gruselschocker "Der Exorzist" in Scharen die Kinosäle. Nicht wenige sollen sich danach in die angrenzenden Örtlichkeiten begeben haben, um sich dem Inhalt ihres Magens zu entledigen. Gerüchte über eine schwangere Frau, die während einer Filmvorführung eine Fehlgeburt erlitten haben soll, machten ebenso die Runde. Die Geburtsstunde des ersten modernen Horror-Klassikers der Siebzigerjahre hatte es in sich.

Als die erst 12-jährige, von einem Dämon besessene Regan MacNeil sich mehrfach ein Kruzifix in ihren blutigen Schritt rammte, mussten auch hartgesottene Kinogänger erst einmal schlucken. Die Geschichte des kleinen Mädchens (dargestellt von der damals 14-jährigen Linda Blair), das mit dem reinen Bösen kämpfte und ihrer Mutter, den Ärzten und Pfarrern grüne Galle speiend eine vulgäre Obszönität nach der anderen entgegenschleuderte, lockte die Menschen in Massen in die Kinos. Das Klavier-Intro von "Tubular Bells" vom Debütalbum des damals 20-jährigen Mike Oldfield, das für den Film verwendet wurde, entwickelte sich über die Jahre zum bekanntesten Musikstück des "Exorzisten". Obwohl sparsam eingesetzt, trug es enorm zur verstörenden Stimmung des Films bei.

Als ärztliche Hilfe versagt, sucht die Mutter des besessenen Mädchens kirchlichen Beistand.

Als ärztliche Hilfe versagt, sucht die Mutter des besessenen Mädchens kirchlichen Beistand.

(Foto: imago stock&people)

US-Schriftsteller und Jesuitenschüler William Peter Blatty, von einem echten Exorzismus aus den 1940ern inspiriert, wollte mit seinem Roman "Der Exorzist" von 1971 und dem selbst adaptierten Drehbuch für den gleichnamigen Film zwei Jahre später den blinden Glauben der modernen Gesellschaft an die Wissenschaft ankratzen. Die Leser und Zuschauer sollten für die Möglichkeit des Übernatürlichen geöffnet werden und der fundamentale Kampf zwischen Gut und Böse wieder ins öffentliche Zentrum rücken. Das Blatty diesen Konflikt im Körper eines zwölfjährigen Kindes austragen lässt, untermauert seinen Versuch auf geniale, aber ebenso abscheuliche Weise. Buch und Film folgen diesem Pfad exzellent, indem das abnormale Verhalten der kleinen Regan von Dutzenden Experten mit hochmodernen medizinischen Geräten ergebnislos untersucht wird. Als die Medizin scheitert, empfehlen die Ärzte der geplagten Kindsmutter, sich an die Kirche zu wenden und einen Exorzismus als Möglichkeit der Heilung in Betracht zu ziehen. Der Rest ist Kinogeschichte.

Oscar-Nominierung minus acht bis zehn Sekunden

Während einige Kritiker mit "Der Exorzist" den Beginn einer neuen Horror-Film-Ära feierten, waren andere von den ekelerregenden Bildern zutiefst angewidert und warfen dem Film Effekthascherei auf unterstem Niveau vor.

Autor Blatty und Regisseur Friedkin konnten diesem Anflug an Unkenrufen jedoch gelassen gegenüberstehen, denn ihr Werk sollte mit zehn Oscar- und sieben Golden Globe-Nominierungen bedacht werden. Zwei Oscars und vier Globes konnte der Film auch einheimsen, unter anderem in den Kategorien Drehbuch, Regie, Ton und beste Nebendarstellerin.

Die Oscar-Nominierungen des Dämonen-Kindes Linda Blair führten im Nachhinein jedoch zu Verwirrungen. Denn wie später bekannt wurde, hatte sie aus Gründen des Jugendschutzes einige der schockierendsten Szenen nicht selbst gespielt. Die damals 29-jährige US-Schauspielerin Eileen Dietz verkörperte die besessene Regan in diesen Einstellungen. Dietz war unter der Maske des Dämonen zwar nur acht bis zehn Sekunden auf der Leinwand zu sehen, der Schrecken, den sie damit aber auslöste, ist auch vier Jahrzehnte später in der Kinolandschaft spürbar. Mit Pazuzu, dem Dämon der babylonischen und assyrischen Mythologie, der Fratze des Bösen, dem Gesicht des Todes, der Erbsensuppen brechenden Kreatur, dem sich die beiden Priester (gespielt von Jason Miller und Max von Sydow) im nervenaufreibenden Finale von der "Der Exorzist" stellen müssen, ist sie ebenso verbunden wie Linda Blair, die ihrerseits dem Monster das Kindergesicht und die Unschuld verlieh.

Director's Cut, Fortsetzungen und Vorgeschichte

Mit "Exorzist II - Der Ketzer" versuchte Regisseur John Boorman 1977 die Geschichte fortzusetzen. Auch wenn der Film durchaus gut fotografiert ist, so hat er im Wesentlichen nichts Neues zu bieten, was sich auch relativ schnell negativ an den Kinokassen widerspiegelte. 1990 versuchte der Erfolgsautor des Originals, William Peter Blatty, mit "Der Exorzist III", dieses Mal auch selbst Regisseur und erneuter Verfasser der dazugehörigen Romanvorlage, ein weiteres Sequel. Auch hier hielt sich die Begeisterung des Kinopublikums in Grenzen. Dennoch muss man Blatty zugestehen, dass seine filmische Version des "Exorzisten" durchaus seine Reize hat und hervorragend inszeniert ist.

2001 erschien ein um etwa 10 Minuten erweiterter Director's Cut von "Der Exorzist". Im Kern behielt der Film seine Struktur bei. Einige Szenen wurden erweitert und kleine Schockeffekte hinzugefügt. Solche Projekte sind nicht zwingend notwendig, aber für so manchen Cineasten durchaus sehenswert.

Dass in unserer Prequel-süchtigen Zeit, in der Hollywood die Ideen auszugehen scheinen, auch "Der Exorzist" von solch einem Werk nicht verschont geblieben ist, zeigte der finnische Regisseur Renny Harlin 2004 mit "Exorzist: Der Anfang". Die Geschichte des Dämons Pazuzu, von dem die kleine Regan in den ersten Filmen besessen war, bekommt eine entsprechende Hintergrundgeschichte verpasst. US-Regisseur Paul Schrader, der eingangs für das Projekt verantwortlich war, wurde nach Diskrepanzen mit dem Filmstudio durch Harlin ersetzt. Als die filmische Version des Finnen aber floppte, durfte Schrader seine ursprüngliche Arbeit unter dem Titel "Dominion: Exorzist – Der Anfang des Bösen" dennoch inszenieren, jedoch mit geringerem Budget. Hollywood in Reinform. Vielleicht hatte sich Pazuzu auch schon in den Chefetagen der Filmstudios eingenistet.

Es kann nur "Einen" geben

Alle Verfilmungen, unabhängig ob sie nun danach oder davor handeln, laufen dem Original weit hinterher. Selbst aus heutiger Sicht hat William Friedkins Horror-Szenario von seiner Kraft und Schonungslosigkeit nichts verloren. Dabei muss sich "Der Exorzist" nicht hinter aktuellen Horror-Streifen verstecken. Auch wenn er filmisch nicht die hohe Kunst ist und viele Szenen unbeholfen aneinandergereiht daherkommen, so versteht es Friedkin, den Zuschauer durch seine stimmungsvolle Inszenierung und einen ruhigen Rhythmus in den Bann zu ziehen.

Der Sog des Films nährt sich durch seine klaren und direkten Bilder, wobei Szenen lange ohne jeglichen Dialog auskommen. Abgeschlagene Köpfe und herumfliegende Gliedmaßen gehören nicht zum Repertoire, aber diese Art von Horror hat der Film auch nicht nötig, gewinnt er seine Intensität doch aus seiner Kühle und der Möglichkeit des Unmöglichen. Die Entwicklung von Regan MacNeil vom süßen Mädchen zum mordenden absolut Bösen ist ruhig und authentisch in Szene gesetzt. Und der Zuschauer wird Zeuge dieser unglaublichen und schockierenden Entwicklung.

Quelle: ntv.de

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