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Streit um Krankschreibung Arbeitgeber darf Personal nicht ohne Weiteres observieren lassen

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Die beiden Krankschreibungen ließen den Arbeitgeber misstrauisch werden.

Die beiden Krankschreibungen ließen den Arbeitgeber misstrauisch werden.

(Foto: IMAGO/Rolf Poss)

Ein Angestellter verletzt sich in seiner Freizeit und reicht daraufhin zwei Krankschreibungen ein. Der Chef vermutet einen Betrug und schaltet einen Detektiv ein. Jetzt muss er Schadenersatz zahlen. Für eine Observation sind andere Umstände notwendig, urteilt das Bundesarbeitsgericht.

Arbeitgeber dürfen krankgeschriebene Arbeitnehmer nur dann von einer Detektei observieren lassen, wenn der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung "durch begründete Zweifel erschüttert ist", die sich anders nicht klären lassen. Nach einem veröffentlichten Urteil (Az. 8 AZR 225/23) des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt können Arbeitnehmer Anspruch auf Schadenersatz haben, wenn die Beobachtung nicht gerechtfertigt war.

Im entschiedenen Fall lagen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits länger im Streit. Kündigungen seitens des Arbeitgebers waren aber von den Arbeitsgerichten aufgehoben worden. Nach einer Versetzung klagte der Arbeitnehmer auf eine vertragsgemäße Beschäftigung.

Im Februar 2022 teilte der Angestellte mit, er habe sich "außerhalb der Arbeitszeit" verletzt. Er reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für zwei Wochen ein, später eine Folgebescheinigung über weitere zwei Wochen. Daraufhin veranlasste der Arbeitgeber die Beobachtung durch eine Detektei. In deren Notizen finden sich unter anderem Anmerkungen zum Gang und zum Tragen vermeintlich schwerer Gegenstände.

Gestützt darauf warf der Arbeitgeber dem Mann die Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit vor und hörte ihn dazu an. Der Arbeitnehmer seinerseits klagte nun auf 25.000 Euro Schmerzensgeld. Der Arbeitgeber habe unter Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Gesundheitsdaten erhoben, sogar in seinem Garten. Dies wecke bei ihm die Sorge vor weiteren Beeinträchtigungen seiner Privatsphäre. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf sprach ihm 1500 Euro Schadenersatz zu. Dies hat das BAG jetzt bestätigt.

Arbeitgeber sollen anders vorgehen

Dabei bekräftigten die obersten Arbeitsrichter, dass Arbeitgeber nur dann eine Detektei einschalten dürfen, wenn ernstlich begründete Zweifel an der Richtigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestehen und wenn sich diese Zweifel nicht mit milderen Mitteln aufklären lassen. An dieser früheren Rechtsprechung halte der Senat auch mit Blick auf die DSGVO fest. Im konkreten Fall habe das LAG fehlerfrei entschieden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zunächst hätte anhören können und müssen.

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Erstmals entschied das BAG zudem, dass Arbeitnehmern wegen einer nicht gerechtfertigten Überwachung Schadenersatz zustehen kann. Denn dokumentiere die Detektei "den sichtbaren Gesundheitszustand des Angestellten, handelt es sich um die Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO".

Bei Verstößen könne nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Anspruch auf Schadenersatz bestehen, wenn Betroffene einen tatsächlichen Schaden nachweisen. Dieser Schaden bestehe hier "in dem durch die Überwachung erlittenen Kontrollverlust und insbesondere im Verlust der Sicherheit vor Beobachtung im privaten Umfeld", urteilte das BAG. Den danach dem Kläger zustehenden Schadenersatz habe das LAG mit 1500 Euro in ausreichender Höhe angesetzt.

Quelle: ntv.de, mpa/AFP

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