53 Polizisten verletzt Bürger in Southport räumen auf und fürchten neue Krawalle
31.07.2024, 20:52 Uhr Artikel anhören
Arbeiter bauen eine Mauer um die angegriffene Moschee in Southport wieder auf.
(Foto: picture alliance/dpa/PA Wire)
Nach der tödlichen Messerattacke in Southport wird anfangs getrauert, dann eine Moschee und die Polizei attackiert. Rechtsextreme sind dazu offenbar extra angereist. Angefacht wurde ihre Wut durch Falschmeldungen auch in russischen Medien. Die Bürger räumen nun auf.
Nach dem tödlichen Messerangriff auf mehrere Kinder und antimuslimischen Ausschreitungen von Rechtsextremen steht die britische Küstenstadt Southport unter Schock. Gemeinsam räumten Anwohner das Trümmerfeld auf.
Die Polizei schätzt, dass es etwa 200 bis 300 Randalierer waren, die erst eine Moschee und dann Polizisten mit Ziegelsteinen, Mülleimern und Straßenschildern bewarfen. Bisher wurden vier Menschen festgenommen. "Allerdings werden noch einige folgen", sagte Chief Constable Serena Kennedy von der Merseyside Police.
Nahe der attackierten Moschee war ein ausgebrannter Polizeiwagen zu sehen. 53 Beamte wurden bei den Krawallen verletzt, 8 von ihnen schwer - sie erlitten Knochenbrüche, eine Gehirnerschütterung oder Platzwunden. Ein Polizist wurde bewusstlos geschlagen. Auch drei Polizeihunde wurden verletzt. Ursprünglich war von 39 Verletzten die Rede.
Der lokale Geschäftsmann Norman Wallis sagte der Nachrichtenagentur PA, die Randalierer stammten nicht aus der Gegend, sondern seien mit Bussen und Autos angereist, um Krawall zu machen. "Die Leute aus Southport räumen heute dieses Chaos auf", sagte Wallis.
Situation eskaliert schnell
Kennedy sagte, ihre Beamten seien "gut vorbereitet" gewesen und hätten "ausreichende Ressourcen" zur Verfügung gehabt. Die Zahl der aufgetauchten Randalierer habe aber am Dienstagabend rasch zugenommen, sodass die Situation "sehr schnell" eskaliert sei.
Die Ausschreitungen, die nach einer friedlichen Mahnwache Tausender Menschen für die Opfer ausbrachen, wurden nach Polizeiangaben von Gerüchten und Falschmeldungen über die Identität des mutmaßlichen Täters geschürt. Der 17-Jährige soll am Montag drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren erstochen und acht weitere Kinder sowie zwei Erwachsene teils schwer verletzt haben. Das Motiv ist noch unklar. Die Ermittler erhielten mehr Zeit, um den Verdächtigen zu befragen.
Im Internet kursierten Berichte, bei dem Tatverdächtigen handele es sich um einen muslimischen Asylbewerber mit arabisch klingendem Namen, der bereits vom britischen Geheimdienst beobachtet worden sei. Kritiker hatten dem rechtspopulistischen Abgeordneten Nigel Farage, der einst den Brexit maßgeblich vorangetrieben hatte, vorgeworfen, die Stimmung anzuheizen. Der Chef der Partei Reform UK hatte in einem bei X hochgeladenen Video spekuliert, dass die Behörden die "Wahrheit vor uns zurückhalten".
Die Polizei wies die Angaben, die auch von einem russischen Staatsmedium verbreitet wurden, deutlich zurück. Der 17-Jährige sei in Großbritannien geboren worden, betonte sie. Die BBC berichtete, der Teenager sei Sohn ruandischer Eltern und lebe seit mehr als zehn Jahren in der Region Southport. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus. Es handele sich nicht um eine Terrortat.
Rechtsextreme reisen für Randale an
Die Angreifer hätten nach einer Mahnwache für die Opfer der Messerattacke sowohl Beamte als auch die örtliche Moschee mit Ziegelsteinen beworfen und ein Geschäft geplündert, so die Polizei. Außerdem setzten sie den Angaben zufolge Autos und Mülltonnen in Brand. Nach Angaben der Behörden waren die meisten Randalierer Mitglieder der rechtsextremen English Defence League.
Der örtliche Parlamentsabgeordnete Patrick Hurley sagte dem Sender BBC Radio 4, die Randalierer hätten die Bluttat für ihre eigenen politischen Zwecke missbraucht und "dieselben Ersthelfer und dieselben Polizisten" angegriffen, die am Montag den Täter gestoppt hätten. Der Vorsitzende der Moschee, Ibrahim Hussein, sagte Reportern, er habe mit acht Gemeindemitgliedern in dem Gebäude festgesessen und sei nur dank einer Polizeieskorte entkommen.
Die britische Regierung verurteilte die Ausschreitungen scharf. Randalierer würden die volle Härte des Gesetzes spüren, kündigten der neue Premierminister Keir Starmer und Innenministerin Yvette Cooper an. Die Menschen in Southport seien angesichts möglicher neuer Unruhen "wirklich besorgt". Die Polizei werde daher weiterhin von anderen regionalen Einheiten unterstützt. Dies werde sicherstellen, "dass sich eine solche Situation wie gestern Abend nicht wiederholt".
"Diejenigen, die die Mahnwache für die Opfer mit Gewalt und Brutalität gekapert haben, haben die trauernde Gemeinschaft beleidigt", betonte der Regierungschef bei X. Starmer legte nahe dem Tatort Blumen nieder. Dabei wurde der Premierminister, der erst seit wenigen Wochen im Amt ist, von Schaulustigen belästigt, die ein schärferes Vorgehen gegen Migranten forderten.
Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP