Panorama

Labore kommen an ihre Grenzen Omikron bringt Deutschland in Test-Not

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PCR-Getestete müssen in Bremen teilweise zwei bis drei Tage auf ihr Ergebnis warten.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mit der Omikronvariante des Coronavirus erreichen die Infektionszahlen neue Höchstwerte. Vielerorts kommen die Labore nicht mehr hinterher, es fehlt an PCR-Tests. Droht Chaos?

Omikron treibt in Deutschland die Infektionszahlen in die Höhe. Damit steigt auch die Nachfrage nach PCR-Tests. So bilden sich in Berlin dieser Tage wieder lange Schlangen vor Testzentren. Doch PCR-Tests seien Mangelware, sagte Gesundheitssenatorin Ulrike Gote der dpa. "Wir sehen das in Berlin an unseren landeseigenen Teststellen. Man muss lange warten und die Kapazitäten reichen nicht aus."

Die Situation in der Hauptstadt ist dabei keine Ausnahme. Bundesweit werden die Tests knapp, Labore stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Besonders dramatisch ist die Lage in Bremen: Das Medizinische Labor in Horn-Lehe kann bei normaler Kapazität etwa 2000 Proben pro Tag bearbeiten. Aktuell kommen dort aber im Schnitt 3000 bis 3700 Proben an. Das liege weit über der Kapazität, sagte ein Sprecher des Labors dem Radio Bremen. Ergebnisse gebe es nun nicht mehr innerhalb von 24 Stunden, sondern teilweise erst nach zwei bis drei Tagen. Und das sei kein Einzelfall. Auch in anderen Laboren des kleinen Bundeslandes sähe es ähnlich aus, so der Mediziner.

In einem Schreiben hat der Krisenstab der Landesregierung die Testzentren aufgefordert, bei einer roten Warnmeldung in der Corona-Warn-App erst einen Antigen-Schnelltest durchzuführen, wie Radio Bremen berichtet. Nur wenn dieser positiv anschlägt, soll ein PCR-Test gemacht werden.

Ziel sei es, die Testkapazitäten nicht weiter zu belasten und die Tests zu priorisieren. Das Robert-Koch-Institut (RKI) formuliert entsprechend: "Zur Sicherstellung auch weiterhin ausreichender PCR-Testkapazität für die Versorgung von symptomatischen Covid-19-Fällen und zum Schutz vulnerabler Gruppen sollte sichergestellt werden, dass die Personengruppen, die in der Nationalen Teststrategie genannt sind, bei begrenzter Kapazität entsprechend priorisiert werden."

Erste Priorität für einen PCR-Test haben laut RKI-Strategie Menschen mit Symptomen. An zweiter Stelle kommen Personen, die zwar keine Symptome aufweisen, aber Kontakt zu bestätigt Infizierten hatten, also Kontaktpersonen sind. Dritte Priorität haben unter anderem Menschen in Gemeinschaftseinrichtungen oder -unterkünften, in denen ein Covid-19-Fall bestätigt wurde. Dazu gehören zum Beispiel auch Kitas und Schulen.

Hohe Positivrate, hohe Dunkelziffer

Die Angaben des RKI zeichnen derweil ein ganz anderes Bild: In der zurückliegenden Woche (3. bis 9. Januar) führten die Labore bundesweit 1,4 Millionen PCR-Tests durch. Ihnen stünde aber eine Kapazität von rund 2,4 Millionen Tests zur Verfügung. Ähnlich wie auch bei den Intensivbetten ist das allerdings ein theoretischer Wert - schon deutlich weniger können regional Labore überlasten.

Zudem kann auch die Maximalauslastung schnell erreicht sein, wenn sich die Omikron-Welle in Deutschland wie in Großbritannien oder Frankreich entwickelt. Die beiden Länder vermeldeten um den Jahreswechsel mehr als 200.000 bestätigte Neuinfektionen pro Tag. Aktuell registriert das RKI hierzulande 80.430 neue Fälle. Das ist zwar ein neuer Höchstwert seit Pandemiebeginn, aber immer noch deutlich niedriger als der Peak in den Nachbarländern. Problematisch ist vor allem, dass auch die Positivrate steigt. Mit 23,4 Prozent ist inzwischen mehr als jeder fünfte Test ein Treffer. Setzt sich der Trend fort, wird vermutlich bereits in der kommenden Woche einer von vier PCR-Tests positiv ausfallen.

"Wenn man von einer Positivrate von 30 Prozent ausgeht, bedeutet das zwei Millionen Tests pro Tag", sagte Hendrik Borucki vom Bioscientia Labor dem ZDF. "So viele Tests gibt es einfach nicht. Auch bei den größten Kapazitäten bekämen wir das nicht hin." Bei einer Positivquote von 30 Prozent könnten mit maximaler Laborauslastung höchstens 150.000 Neuinfektionen pro Tag nachgewiesen werden.

Niedrige Raten bedeuten laut RKI, dass sehr sensitiv getestet werde und auch Personen mit leichten Symptomen erfasst würden. Das heißt wiederum, dass eine hohe Positivrate auf viele unentdeckte Fälle - also eine hohe Dunkelziffer - hinweist. Theoretisch müssten die Testzahlen jede Woche in dem Maße erhöht werden, in dem die Infektionen zunehmen. Dann bliebe die Positivrate mehr oder weniger konstant und die ermittelten Fallzahlen würden einigermaßen realistisch die Infektionsdynamik abbilden. Das ist aber derzeit kaum möglich.

"Werden nicht im Chaos landen"

Kurzfristig Testkapazitäten weiter auszubauen, funktioniert kaum. "Der Personalmarkt ist leergefegt", sagt Laborbetreiber Thomas Fenner dem "Spiegel". Die Grenzen seien aber auch durch die Geräte bedingt, die nur eine bestimmte Zahl an Tests verarbeiten können. Zudem seien die Geräte teuer, die Lieferzeiten für neue lang.

ALM-Chef Michael Müller schätzt die Lage zwar als angespannt ein, sieht die Labore jedoch auch so gut vorbereitet. "Die Belastung in den Laboren ist zwar erheblich, aber ich sehe keinen Grund für zu große Sorgen", so Müller. Vielmehr komme es bei zunehmendem Testgeschehen und begrenzten Testkapazitäten darauf an, die Nationale Teststrategie wieder stärker in den Fokus zu nehmen und tatsächlich umzusetzen, heißt es in einem ALM-Bericht.

Auch das Bundesgesundheitsministerium äußert sich vorsichtig optimistisch: Mit einem gewissen Probenrückstau sei zwar zu rechnen. Hier unterstützten sich Labore jedoch gegenseitig, auch überregional, sodass örtlich höhere Testbedarfe abgepuffert werden könnten. "Wir sehen auch, dass das knapp werden könnte", sagte ein Ministeriumsmitarbeiter dem ZDF und versicherte gleichzeitig: "Wir werden nicht im Chaos landen."

Quelle: ntv.de

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