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Zweifel an Zuverlässigkeit Erkennen Schnelltests auch Omikron-Infektionen?

Antigen-Schnelltests gewinnen immer mehr an Bedeutung im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Doch angesichts der neuen Omikron-Variante stellt sich die brisante Frage, wie zuverlässig sie eine Infektion nachweisen können. Experten sind da geteilter Meinung.

Stäbchen rein, drehen, träufeln und warten: Corona-Schnelltests sind unkompliziert und ein wichtiges Werkzeug in der Pandemie-Bekämpfung. Laut den neuesten Beschlüssen von Bund und Ländern können sich infizierte Schüler und Kindergartenkinder nun nach sieben Tagen mit ihnen freitesten. Gleiches gilt für ungeimpfte Kontaktpersonen ab Tag fünf. Auch in Pflegeheimen und Krankenhäusern kommen die Schnelltests regelmäßig zum Einsatz, um Alte und Schwache zu schützen. Doch wie zuverlässig erkennen die Tests eine Infektion mit der Omikron-Variante, die zunehmend das Infektionsgeschehen in Deutschland bestimmt?

Bereits im Dezember gab es erste Hinweise aus dem Ausland, dass Schnelltests bei der neuen Mutante nicht so gut anschlagen, wie bei ihren Vorgängern. So erklärte die US-Arzneimittelbehörde (FDA): "Erste Daten deuten darauf hin, dass Antigentests die Omikron-Variante zwar erkennen, aber möglicherweise eine geringere Empfindlichkeit aufweisen." Auch eine Studie aus Genf zeigte, dass einige Tests bei Omikron nicht so zuverlässig sind.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) geht hingegen davon aus, dass die meisten Schnelltests auf dem deutschen Markt auch zum Nachweis der neuen Omikron-Variante geeignet sind. Das Institut habe mittlerweile mehr als 250 Test-Produkte auf ein höheres Level an Sensitivität bewertet und mindestens 80 Prozent schafften dieses Niveau auch, sagte der Präsident des Instituts, Klaus Cichutek, im ZDF. Die PEI-Daten seien ein erster Zwischenstand, sagte auch ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Es dauere aber noch, bis die komplette Liste fertig sei. Der Sprecher bekräftigte, dass Schnelltests keine 100-prozentige Gewissheit bieten, aber für mehr Sicherheit im Alltag sorgten.

PEI: 80 Prozent der Tests zuverlässig

Erste Ergebnisse hatte das PEI schon Ende vergangenen Jahres vorgelegt. Damals überprüfte ein Forscherteam 122 Schnelltests auf ihre Sensivität. Dabei muss ein Test mindestens in 75 Prozent der Fälle Alarm schlagen, wenn in der Probe eine bestimmte Virusmenge vorliegt. Die Menge wird definiert durch den Ct-Wert, erklärt das Wissenschaftsmagazin "Spektrum": Er gibt an, wie oft eine Probe im Labor vermehrt werden muss, bis das Erbgut von Sars-CoV-2 nachweisbar ist. Bei einem Ct-Wert von 25 oder darunter ist die Viruslast "sehr hoch" - und die betreffende Person sehr ansteckend. Proben mit einem Ct-Wert von 25 bis 30 bescheinigten die Forschenden eine "hohe" und jenen zwischen 30 und 36 eine "moderate" Viruslast.

Schon damals schlugen 80 Prozent der untersuchten Tests auf drei von vier Proben mit sehr hoher Viruslast an und hatten damit bestanden. 60 Prozent entdeckten sogar sämtliche hochinfektiösen Proben. Generell gilt jedoch: Schnelltests können eine Infektion nur dann detektieren, wenn zum Testzeitpunkt eine hohe Viruslast besteht. Dies gilt für Omikron ebenso wie für andere Varianten.

Bei Omikron ist das allerdings problematisch, da bei der hochansteckenden Mutante die Virenlast im Nasen-Rachen-Raum geringer ist als beispielsweise bei Delta. Zudem ist sie auch nur über eine kürzere Zeit bemerkbar - vor allem bei geimpften Menschen. Somit gibt es einen kleineren Zeitraum, in dem sich genug Viren gebildet haben, um den Test anschlagen zu lassen. Infektiös können Betroffene allerdings schon etwa zwei Tage vor den ersten Symptomen sein.

Neue Probleme bei Omikron

Laut US-Forschenden kann ein Nasenabstrich mit einem Antigen-Schnelltest die Omikron-Variante in den ersten Tagen einer Infektion nicht zuverlässig nachweisen. In ihrer Studie, die bislang als Preprint veröffentlicht wurde und noch von Fachkollegen geprüft werden muss, untersuchten sie 29 mit Omikron infizierte Arbeitnehmer in Hochrisikoberufen. Bei ihnen wurden gleichzeitig PCR- und Antigentests an mehreren Tagen durchgeführt. Bei den PCR-Tests des Speichels wurde das Virus im Durchschnitt drei Tage vor dem positiven Ergebnis der Schnelltests des Nasenabstrichs nachgewiesen. "Wenn Menschen mit einem Antigen-Schnelltest negativ getestet werden, können sie immer noch eine sehr hohe Viruslast haben und andere Menschen infizieren", resümiert Studienleiterin Blythe Adamson.

Hinzu kommt aber noch eine weitere Schwierigkeit. "Wir wissen, dass Antikörper, die beim Menschen vorkommen, auch einen Einfluss haben können auf die Funktion des Antigen-Schnelltests", sagte Ulf Dittmer, Virologe an der Universität Essen, dem Deutschlandfunk. Das bedeute, dass genesene Personen auch Antikörper gegen das Nukleocapsid-Protein haben, auf das die meisten Schnelltests anspringen. Diese Antikörper könnten bei einer erneuten Infektion den Antigen-Schnelltest beeinflussen. Es kann also sein, dass die Schnelltests bei Genesenen, die sich mit Omikron anstecken, schlechter anschlagen.

Es ist außerdem nicht abschließend geklärt, ob und wie weit Omikron Mutationen am Nukleocapsid-Protein aufweist, die die Nachweisbarkeit erschweren. Laut PEI ist das Protein von den Mutationen in der Omikron-Variante zwar vergleichsweise wenig betroffen. Das Institut betont allerdings gleichzeitig: "Für eine endgültige, qualitative und quantitative Aussage sind weitere Untersuchungen, insbesondere Vergleichsstudien mit Proben von Omikron-infizierten Personen erforderlich."

Positivliste für Corona-Schnelltests

Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine Positivliste für Corona-Schnelltests angekündigt, welche die neue Omikron-Variante gut erkennen. Verbraucherschützer fordern derweil eine Überprüfung aller in Deutschland verfügbaren Antigen-Schnell- und Selbsttests. Ihre Wirksamkeit müsse unabhängig bewertet werden, sagte der Gesundheitsmarktexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Arne Weinberg, in der ARD. Zudem müssten Informationen zur Qualität einzelner Tests besser aufbereitet werden.

Weinberg kritisierte die positive Bewertung des PEI: Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein Test in der Bewertung des Instituts nicht durchfalle, wenn er zwar bei "sehr hoher Viruslast" sicher anschlage, aber bei lediglich "hoher Viruslast" nur schlecht funktioniere. "Es haben Tests diese Überprüfung bestanden, die bei sehr hoher Viruslast um die 100 Prozent haben, also sehr gut sind, bei hoher Viruslast aber unter zehn Prozent liegen", so Weinberg. Solche Tests dürften dann trotzdem auch für Bürgertests eingesetzt werden, die der Staat bezahle.

Auch der Münchner Virologe Oliver Keppler verlangte mehr Aufklärung und Transparenz zur Qualität von Schnelltests. "Wenn ein Mensch sich testet und ein negatives Ergebnis hat, geht er, denke ich, zurecht davon aus, dass ein in Deutschland verfügbarer Test auch ein vernünftiges Ergebnis liefert, auf das ich mich dann weitgehend verlassen kann", sagte er. "Und das ist nicht gegeben."

Sind Schnelltests also nutzlos?

Trotz der vielen Unsicherheiten sind Schnelltests nicht nutzlos und bleiben weiterhin ein wichtiges Werkzeug in der Virus-Eindämmung: Bei Erkältungszeichen zeigen die allermeisten Tests richtig an, ob der oder die Erkrankte Covid-19 hat oder nicht. Mit kontinuierlichen Schnelltests lassen sich auch Ausbrüche in Gruppen wie Schulklassen früh erkennen und stoppen. Hier muss nicht jeder einzelne Test ein korrektes Ergebnis liefern. Es reicht, wenn frühzeitig erkannt wird, dass das Virus in der Gruppe zirkuliert.

Unabhängig von der Zuverlässigkeit gilt für jeden Schnelltest: Er ist nur eine Momentaufnahme. Selbst wenn das Ergebnis korrekt ist, kann es am nächsten Tag schon anders ausfallen. Abstand halten, Maske tragen, Lüften und vor allem Kontakte reduzieren, senken das Ansteckungsrisiko erheblich und sollten angesichts der vierten Virus-Welle trotz Tests und Impfungen weiter beibehalten werden.

Quelle: ntv.de

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