"Bin so sauer auf die Politik" Typisch Teenager? Was junge Menschen wirklich wollen


Der Generation Z geht es um viel mehr als Klamotten und Tiktok - allen Klischees zum Trotz.
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Faul, desinteressiert, empfindlich: Jüngere Generationen haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Eine deutschlandweite Befragung zeichnet jedoch ein ganz anderes Bild: Junge Menschen wollen anpacken, etwas verändern und mitreden. Nur werden sie viel zu selten gefragt.
Junge Menschen sind nicht belastbar und beschweren sich andauernd. So zumindest lautet ein weitverbreitetes Klischee. Zu einem ganz anderen Schluss kommt allerdings eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Soziale Arbeit e.V. (ISA). Bundesweit wurden mehr als 1000 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 15 Jahren befragt, was sie für ein gutes Leben brauchen und wie zufrieden sie sind. Das Ergebnis: Etwa die Hälfte (49,3 Prozent) zeigte sich "eher zufrieden", während fast 46 Prozent ihr Leben sogar als sehr zufriedenstellend bewerteten. Lediglich fünf Prozent gaben an, "nicht zufrieden" zu sein.
Auf die Frage, was für ein gutes Leben am wichtigsten sei, nannte rund ein Drittel soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen. Danach folgen familiäre Beziehungen, denen jeder Fünfte den höchsten Stellenwert beimaß.
Das Bedürfnis nach sozialen Kontakten deckt sich mit den finanziellen Prioritäten der Kinder und Jugendlichen: Für neun von zehn Befragten ist Geld hauptsächlich wichtig für gemeinsame Aktivitäten mit Freundinnen und Freunden. Erst danach kommen "angesagte Dinge" wie Kleidung, Kosmetik und Technik (67 Prozent), Hobbies (61 Prozent) sowie Internet und Telefon (55 Prozent).
Allerdings bezahlen nur rund 20 Prozent der Eltern die Freizeitaktivitäten ihrer Kinder mit Gleichaltrigen. Vieles muss also aus eigener Tasche finanziert werden. Wer nicht genug Geld hat, bleibt demnach öfter zu Hause - und läuft Gefahr, zu vereinsamen.
Fast die Hälfte hat Geldsorgen
Es ist also nicht verwunderlich, dass auch Kinder und Jugendliche bereits mit finanziellen Ängsten zu kämpfen haben. Fast die Hälfte der Befragten (46,4 Prozent) macht sich den Ergebnissen zufolge "häufig" oder "manchmal" Sorgen darüber, wie viel Geld der Familie zur Verfügung steht. 49 Prozent gaben an, sie hätten sich schon einmal etwas nicht leisten können, was sich Freundinnen und Freunde kaufen konnten.
Es gehe aber nicht nur darum, sich "angesagte Dinge" leisten zu können. Denn der Druck durch steigende Miet- und Lebensmittelpreise schlage sich auf die Stimmung und den Stresslevel innerhalb der Familie nieder. "Kinder realisieren, wenn es ihrer Familie schlecht geht. Finanzielle Einschränkungen werden von Jugendlichen wahrgenommen", heißt es in den Anmerkungen zu der Studie. Dass sie mehr Geld benötigen, um gut leben zu können, gaben 36 Prozent an.
"Junge Menschen sollten sich nicht so fühlen müssen"
Doch Geld sei nicht der einzige Stressherd, sagt Lukas Thiehoff vom JugendExpert:innenTeam (JEx-Team) der Bertelsmann-Stiftung. Das ist eine Gruppe von Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren, die an der Studie mitgearbeitet haben. "Schule, Noten, Hausaufgaben, Prüfungen: All das löst immensen Druck und Stress aus". Hinzu kämen Sorgen wegen anhaltender globaler Konflikte, des Klimawandels und des erstarkenden Rechtspopulismus. "Junge Menschen sollten sich nicht so fühlen müssen. Sie sollten in ihrem Leben freier sein und noch nicht so gesteuert von Ängsten", mahnt er im Gespräch mit ntv.de.
Zwar bewerteten rund 61 Prozent der Befragten ihre Schule mit der Note "gut" und rund 34 Prozent sogar mit "sehr gut". Ein ganz anderes Bild zeigt sich allerdings bei der Benotung. Die Mehrheit (52,3 Prozent) findet Noten wenig oder gar nicht nötig für ihren Lernprozess. Nur etwa 13 Prozent gaben an, dass sie Noten brauchen, um zu lernen.
Noch schlechter schneiden Hausaufgaben ab: 63,7 Prozent der Schülerinnen und Schüler sagten, dass sie Hausaufgaben "wenig" oder "gar nicht" für gutes Lernen benötigen. Sie seien für die meisten eher eine Belastung, die im Zweifel Ungleichheiten im Klassenraum verstärken könne. "Weil es oft vom Elternhaus abhängt, ob Schüler:innen Unterstützung bei Hausaufgaben erhalten oder nicht."
Statt Noten und Hausaufgaben kommt es laut der Studie der Mehrheit auf ganz andere Dinge an: "Die Möglichkeit nachzufragen, wenn man etwas nicht versteht, Orte, an denen man sich konzentrieren kann, Aufgaben, die sie interessieren, Klarheit darüber, warum man etwas im Unterricht lernt, die Zusammenarbeit mit anderen. Und: die Möglichkeit, bei Unterrichtsthemen mitzubestimmen."
Von wegen faul
Mehr Mitbestimmung wünscht sich auch JEx-Team-Mitglied Romance Bassingha. Insbesondere auf politischer Ebene. "Tabaklobby, Autolobby - es gibt Lobbyverbände für alles Mögliche. Für Schülerinnen und Schüler und für junge Menschen aber nicht. Ich wünsche mir, dass der Bundestag jünger wird. Und ich wünsche mir mehr Jugendpartizipation", sagt sie im ntv.de-Interview.
Denn im Parlament gehe es auch um ihre Zukunft. Doch anstatt einbezogen zu werden, bekämen viele junge Menschen eher das Gefühl, dass über sie und ihr Leben entschieden wird. "Wir möchten doch einfach nur in Ruhe leben. Und wir möchten mitreden. Wir sind alt genug, um Entscheidungen zu treffen. Einige von uns dürfen sogar wählen. Wir haben Antworten. Aber wir werden nicht gefragt. Ich bin so sauer auf die Politik".
Das klingt - anders als eines der Gen-Z-Klischees - nicht nach Faulheit. Thiehoff sieht junge Menschen hier mit einer Doppelmoral konfrontiert. "Einerseits wird gesagt, junge Leute müssten wieder mehr arbeiten, und wieder Lust auf den Arbeitsmarkt haben. Aber ihnen wird keine wirkliche Zukunftsperspektive geboten". Es gehe schließlich darum, sich zu verwirklichen und ein erfülltes Leben zu führen und nicht nur um "40 bis 60 Stunden arbeiten und sich kaputt machen". Dem schließt sich auch Bassingha an: "Man kann über die Gen Z vieles sagen. Aber faul sind wir ganz sicher nicht."
Quelle: ntv.de