Panorama

Debatte politisch motiviert Verkürzte Quarantäne - sinnvoll oder gefährlich?

Bremst Omikron, die neue und hoch ansteckende Variante des Coronavirus, bald das Land aus?

Bremst Omikron, die neue und hoch ansteckende Variante des Coronavirus, bald das Land aus?

(Foto: picture alliance / CHROMORANGE)

Die Omikron-Welle baut sich bedrohlich vor Deutschland auf. Sollte sich die Corona-Variante in Deutschland so schnell ausbreiten wie in anderen Staaten, könnte dies das Land lahmlegen. Politiker drängen auf verkürzte Quarantäne-Regeln. Wissenschaftler warnen jedoch vor Schnellschüssen.

Mit der Ausbreitung von Omikron wächst die Sorge, dass die hochansteckende Corona-Variante ganz Deutschland lahmlegen könnte. Enge Kontaktpersonen und Haushaltsmitglieder von Infizierten müssen bislang grundsätzlich für zwei Wochen in die Isolation, wenn sie nicht geimpft oder genesen sind. Es sei denn, es geht um eine Infektion mit Omikron. Dann müssen sie auch geimpft 14 Tage zu Hause bleiben. Wenn Omikron bald wie erwartet zur dominanten Variante in Deutschland wird, könnten die gegenwärtigen Quarantäneanordnungen Abertausende Bürger treffen und ihr Ausfall die kritische Infrastruktur des Landes belasten, so die Befürchtung.

Ein Blick ins Ausland zeigt, wie schnell Omikron das öffentliche Leben ausbremsen kann. Weltweit mussten über die Weihnachtsfeiertage Tausende Flüge storniert werden, weil Besatzung und Mitarbeiter der Airlines wegen einer Infektion oder Quarantäne ausfielen. In den USA fehlte Klinikpersonal, in Großbritannien Mitarbeiter in Bahnverkehr und bei der Feuerwehr. Auch Museen und Gaststätten mussten im Vereinigten Königreich wegen Personalmangels kurzfristig schließen.

Die Union forderte daher bereits vor dem Jahreswechsel, die Quarantäneregelungen in Deutschland zu lockern. "Natürlich müssen wir die derzeitigen Quarantäneregeln überprüfen", sagte CSU-Chef Markus Söder der "Bild"-Zeitung. "Wir können bei einer rasant wachsenden Epidemie nicht einfach das ganze Land von einem Tag auf den anderen lahmlegen." Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will über eine verkürzte Quarantäne- und Isolierungszeiten nachdenken. Eine Empfehlung dazu gibt das Robert-Koch-Institut (RKI) im Laufe der Woche ab, bevor Bund und Länder am Freitag darüber beraten. Doch ist die Kurz-Quarantäne auch medizinisch vertretbar?

Wissenschaftliche Daten fehlen

Die USA haben den Schritt bereits gewagt. Dort müssen Corona-Infizierte fünf Tage zu Hause bleiben und im Anschluss fünf Tage konsequent Maske tragen - sofern sie keine Symptome haben. Der neue Zeitraum ist wesentlich kürzer als die bisherige Vorgabe, wonach Infizierte für zehn Tage in häuslicher Isolation bleiben müssen. Die US-Seuchenschutzbehörde CDC verweist auf wissenschaftliche Erkenntnisse: Demnach ereignet sich der Großteil der Ansteckungen in den ein bis zwei Tagen vor Symptombeginn beziehungsweise in den darauffolgenden zwei bis drei Tagen. Binnen fünf Tagen - so die Logik - wäre damit die größte Ansteckungsgefahr gebannt.

Für den Schritt wurde die US-Behörde teils heftig kritisiert, auch weil sie die verkürzte Isolationszeit nicht einmal an die Pflicht knüpfte, sich freizutesten. Bislang gibt es keine aussagekräftigen virologischen Daten dazu, ab wann und wie lange Omikron-Infizierte ansteckend sind. Somit sind die möglichen Folgen für die Ausbreitung der Variante ungewiss.

Auch dem Professor für Virologie an der Stellenbosch-Universität in Kapstadt, Wolfgang Preiser, liegen keine Studien vor, die der Frage nachgehen, wann Omikron-Infizierte am ansteckendsten seien, wie er im Gespräch mit "Tagesschau.de" erklärte. Er bewertet die verkürzte Quarantäne in den USA folglich nicht als Reaktion auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern als Anpassung an die aktuelle Lage. Nach Ansicht des Virologen sei bei Omikron aber grundsätzlich schon mit einer kürzeren infektiösen Phase zu rechnen: "Eine kürzere infektiöse Periode dürfte wohl die Regel sein, weil viele bereits eine Grundimmunität haben - entweder durch eine Impfung oder nach einer überstandenen Infektion."

Allerdings ist das bislang nur eine Vermutung, auf die sich neben den USA auch Länder wie Großbritannien, Frankreich, Spanien und Portugal stützen. Omikron trieb die Infektionszahlen in Rekordhöhe, die Regierungen mussten handeln. Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Véran kündigte am Sonntag eine Verkürzung der Quarantänedauer für vollständig geimpfte Corona-Infizierte an. Unabhängig von der Virus-Variante müssen sich diese seit Montag in der Regel für sieben und nicht mehr für zehn Tage isolieren - und können sich bereits nach fünf Tagen mit einem negativen Schnell- oder PCR-Test davon befreien. Eine ähnliche Regelung führte bereits Großbritannien ein: Dort wurde die Quarantäne von zehn auf sieben Tage für Infizierte verkürzt, die an zwei aufeinanderfolgenden Tagen negative Schnelltests vorlegen.

"Ein schmaler Grat"

Einen Antigen-Schnelltest hält Immunologe Carsten Watzl allerdings nicht für ausreichend. Eine Verkürzung der Quarantänedauer wäre nur in Kombination mit einem negativen PCR-Test verantwortbar, sagte der Wissenschaftler der dpa. "Einfach so zu verkürzen, weil man sagt, sonst fallen zu viele Leute aus, dann lassen wir lieber Leute nach sieben Tagen raus, mit oder ohne Test - das würde ich für fahrlässig erachten." Schließlich könnten einige Menschen dann noch immer ansteckend sein und die Virus-Verbreitung beschleunigen.

Ob die bei anderen Varianten bewährten Schnelltests zur Erfassung infektiöser Personen bei Omikron tatsächlich ebenso gut anschlagen wie bei Delta und anderen alten Varianten, wird derzeit unter Fachleuten diskutiert. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat Vorbehalte im Hinblick auf die Genauigkeit der Tests bei Omikron, während die britische Gesundheitsbehörde nach Laborstudien davon ausgeht, dass die Schnelltests zur Ermittlung eines Ansteckungsrisikos bei Omikron genauso zuverlässig funktionieren.

Welche Quarantäne-Regeln angesichts der drohenden Omikron-Welle künftig in Deutschland herrschen werden, entscheiden Bund und Länder frühestens am Freitag. Fest steht allerdings schon jetzt: "Wenn plötzlich ganz viele Menschen in Quarantäne müssen, weil das Virus stark um sich greift, kann es zu Personalengpässen kommen - und das nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch in anderen Bereichen, beispielsweise bei der Energieversorgung", sagt Epidemiologe Timo Ulrichs im Gespräch mit ntv. Das könnte durch verkürzte Quarantänezeit vermieden werden. Ulrichs betont aber auch: "Man beschreitet hier einen ganz schmalen Grat, dass man nicht die Quarantäne zu kurz macht und der weiteren Ausbreitung eher Vorschub leistet."

Quelle: ntv.de

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