"Wäre fahrlässig" Streit über Kurz-Quarantäne verschärft sich
03.01.2022, 18:43 Uhr
Wie lange sollen Kontaktpersonen während der Omikron-Welle in Quarantäne? Das Robert-Koch-Institut arbeitet an einer neuen Empfehlung.
(Foto: picture alliance/dpa)
Vor den Beratungen des Expertenrats und dem nächsten Bund-Länder-Treffen intensiviert sich der Streit über eine mögliche Kurz-Quarantäne: Um die kritische Infrastruktur arbeitsfähig zu halten, denkt Gesundheitsminister Lauterbach darüber nach. Immunologen halten eine General-Lockerung für fahrlässig.
Wenige Tage vor den entscheidenden Bund-Länder-Beratungen mehren sich die Forderungen nach einer Verkürzung der Quarantäne-Zeiten. Der Städte- und Gemeindebund warb für einen Verzicht auf die Quarantäne bei infizierten Geboosterten ohne Krankheitssymptome, die in zentralen Bereichen arbeiten. Das Robert-Koch-Institut will im Laufe der Woche eine Empfehlung dazu abgeben, bevor Bund und Länder am Freitag darüber beraten. Das Gesundheitsministerium stellte für die Bund-Länder-Beratungen zudem genauere Infektionszahlen in Aussicht.
Bund und Länder sollten sich auf entsprechende Vorgehensweisen verständigen, da unklar sei, wie sich der Krankenstand in den kommenden Wochen entwickeln werde, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, zur Frage der Quarantänedauer. Derzeit sei die Lage aber "nicht dramatisch", alle Aufgaben könnten noch erfüllt werden. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst nannte das Ziel, die kritische Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Der CDU-Politiker nannte im ARD-"Morgenmagazin" die Bereiche Strom, Wasser, Gesundheit, Feuerwehr und Polizei. Insbesondere bei den dreifach Geimpften müsse auf die Quarantäne-Zeit geschaut werden.
Immunologe Watzl verlangt PCR-Test
Eine Verkürzung der Quarantänedauer hält der Immunologe Carsten Watzl nur in Kombination mit einem negativen PCR-Test für verantwortbar. "Das kann man nur seriös machen, wenn das mit einem negativen Test begleitet ist", sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. "Einfach so zu verkürzen, weil man sagt, sonst fallen zu viele Leute aus, dann lassen wir lieber Leute nach sieben Tagen raus, mit oder ohne Test - das würde ich für fahrlässig erachten." Schließlich könnten einige Menschen dann noch immer ansteckend sein und die Virus-Verbreitung beschleunigen.
Mit Blick auf die schon jetzt sehr rasche Ausbreitung der Omikron-Variante, könne es "durchaus Sinn machen", dass sich jemand nach fünf oder sieben Tagen freitesten könne, sagte Watzl - gerade, wenn es um die kritische Infrastruktur gehe. Schließlich könnten besonders vollständig Geimpfte, die sich infizierten, durch die Immunreaktion das Virus auch schneller und früher bekämpfen. Allerdings sei dabei ein PCR-Test dringend angeraten, so Watzl. "Ganz klar: Ein Antigen-Schnelltest würde meiner Meinung nach nicht ausreichen." Entsprechende Pläne erforderten also zwingend, dass genügend PCR-Tests zur Verfügung stünden und durchgeführt werden könnten, betonte der Experte.
"Nur für Einzelfälle Verkürzung denkbar"
Auch der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen wandte sich gegen eine generelle Verkürzung der Quarantäne-Zeit für Menschen mit Booster-Impfung. Es müsse verhindert werden, dass eine infizierte Krankenschwester zum Risiko für Schlaganfall- oder Herzinfarktpatienten wird, sagte er in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. Es könne jedoch über verkürzte Quarantänezeiten für geimpfte und geboosterte Menschen nachgedacht werden, die in der kritischen Infrastruktur arbeiten, sagte Dahmen. Er nannte als Beispiel Wasserwerke, in denen es hoch spezialisierte Fertigkeiten brauche, aber wenig Kontakte gebe.
Vor allem für den Fall, dass Belastbarkeitsgrenzen erreicht werden, könnten bei den Quarantäneregeln verkürzte Zeiten erforderlich werden, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Auf diesen Fall müssten sich die Behörden vorbereiten. Die Empfehlungen des RKI seien im Laufe dieser Woche zu erwarten. Das Institut werde zudem im Laufe der Woche belastbare Daten über den aktuellen Infektionsstand in Deutschland nach den Feiertagen vorlegen.
Derzeitige Regelungen: Quarantäne und Isolierung
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte am Sonntagabend gesagt, dass er wegen der Omikron-Variante über verkürzte Quarantäne- und Isolierungszeiten nachdenke. Heute gilt grundsätzlich: Bei engem Kontakt zu einer positiv auf Corona getesteten Person soll man für zehn Tage in häusliche Quarantäne. Diese kann mit einem negativen Antigen-Schnelltest auf sieben Tage verkürzt werden, mit einem negativen PCR-Test auf fünf Tage. Die Entscheidung über die Quarantäne liegt beim zuständigen Gesundheitsamt. Wenn das überlastet ist und sich zunächst nicht damit befasst, soll man selbstständig zu Hause bleiben. Zu unterscheiden ist davon die Isolierung: Wer selbst infiziert ist, soll 14 Tage nach Symptombeginn in Isolierung - vollständig Geimpfte fünf Tage, wenn sie danach symptomfrei und negativ PCR-getestet sind.
Zu möglicherweise verkürzten Zeiten sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums, "selbstverständlich darf man da nicht zu groß ins Risiko gehen". Die Gesundheitsämter könnten schon heute Unterschiede bei der Quarantänedauer machen. Rechtlich sei es so, dass die Länder in der Verantwortung für entsprechende Regeln seien. Aber das RKI gebe dazu eine Empfehlung ab, die bundesweit gelte.
Quelle: ntv.de, mau/dpa/AFP