Manipulative Tricks Warum Astrologie funktioniert, obwohl die Sterne schweigen


Astrologie wirkt - allerdings anders als erwartet.
(Foto: IMAGO/Peter Widmann)
Millionen von Menschen glauben, dass die aktuelle Position der Himmelskörper konkrete Auswirkungen auf ihr Leben hat. Astrologische Angebote verdienen Unsummen damit, Gläubigen zu erzählen, welche. Dass das ganze tatsächlich funktioniert, liegt alleine an der menschlichen Psyche.
Wer hätte das vorhergesehen: Nach über 20 Jahren stellt der umstrittene Esoterik-Sender AstroTV Ende 2024 seinen Betrieb ein. Zwei Jahrzehnte lang Wahrsagerei, Tarot-Karten-Legen und selbst ernannter "Lebensberatung" finden im klassischen Fernsehen damit ein Ende, immer wieder gab es gegen den Sender Kritik aufgrund seiner Geschäftspraxis. Weiter geht es allerdings im Digitalen, und damit in einem Markt, dessen Umsatzpotenzial mit vorgeblichen Wahrsage-Angeboten unerschöpflich ist. Wie hoch, kann nur geschätzt werden: Als Teil der Esoterikbranche, die alleine in Deutschland bis zu 20 Milliarden Euro umsetzt, dürften die Augen der Astrologen und Astrologinnen strahlen wie Sterne.
Je komplexer unsere Welt wird, desto erfolgreicher sind Ideen und Angebote, die Sicherheit bieten. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, in all den stetigen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen einen sicheren Hafen zu haben. Jemanden, der - persönlich zugeschnitten - sagen kann, was einen erwartet. Und für dieses Grundbedürfnis hat die Astrologie eine vermeintliche Antwort. Das zeigen auch Zahlen von Statista: In einer Umfrage aus dem Jahr 2021 gaben 39 Prozent an, mindestens gelegentlich das Horoskop zu konsultieren. Und mehr als 50 Prozent der 18 bis 44-Jährigen geben an, an Horoskope zu glauben.
Vage Aussagen, positives Selbstbild
Und in der Tat: Astrologie wirkt. Nur anders als erwartet. Dass die Sterne zur Zukunft der Menschen schweigen, haben zahlreiche Studien belegt - Astrologie ist nichts anderes als eine Pseudowissenschaft. Das heißt aber nicht, dass sie nicht "funktioniert": Millionen von Menschen glauben an das, was Sterndeuter, Tarot-Kartenleger oder Kristallkugel-Beschwörer ihnen als Prognose und Handlungsanweisungen verkaufen. Das liegt daran, dass unsere menschliche Psyche sich in mancherlei Hinsicht von geübten Hellseherinnen und Hellsehern recht einfach manipulieren lässt.
Umfragen haben zum Beispiel gezeigt, dass Menschen, die Artikel auf ntv.de lesen, häufig intelligent und analytisch veranlagt sind. Sie haben eine tiefe Neugier für das Unbekannte und sind oft auf der Suche nach Antworten, die tiefere Einsichten in ihr eigenes Leben bieten. Häufig sind sie selbstkritisch und unzufrieden, wenn sie in ihrem Denken von Beschränkungen eingeengt werden. Klingt das nach Ihnen? Es ist ausgedachtes Geschwurbel. Sie erleben gerade den sogenannten Barnum-Effekt. Dieser Effekt bewirkt, dass Menschen sehr allgemeine und vage Beschreibungen als außergewöhnlich zutreffend für sich selbst empfinden - insbesondere dann, wenn sie schmeichelhaft (und ein wenig selbstkritisch) sind.
Selbsternannte Hellseher nutzen diesen psychologischen Trick geschickt aus. Sie formulieren ihre Aussagen so, dass sich fast jeder in den Beschreibungen wiederfinden kann, wodurch die Ratschläge oder Vorhersagen als persönlich relevant empfunden werden. Dies kann den Glauben an die Legitimität ihrer Fähigkeiten verstärken, selbst wenn die "Einsichten" tatsächlich sehr breit und allgemein gehalten sind.
Beispiele für solche Aussagen gibt es zuhauf: "In den kommenden Wochen wird sich eine Gelegenheit bieten, die Ihnen neue Türen öffnen kann. Es liegt an Ihnen, ob Sie den Mut haben werden, diesen Schritt zu gehen." Diese Aussage ist vage genug, um auf eine Vielzahl von Situationen anwendbar zu sein, ob berufliche Veränderungen, persönliche Beziehungen oder andere Lebensentscheidungen. Oder: "Sie haben kürzlich eine schwierige Zeit durchgemacht, aber Ihre innere Stärke wird Ihnen helfen, diese Herausforderungen zu überwinden." Diese Art von Aussage spielt auf allgemeine menschliche Erfahrungen an, wie Schwierigkeiten oder Herausforderungen, die fast jeder in seinem Leben einmal erlebt. Falls das an die allgemein bekannten Horoskope aus den Klatsch-und-Tratsch-Magazinen im Wartezimmer bei der Zahnärztin erinnert: Exakt das ist der Punkt.
Menschen filtern Informationen
Gepaart wird dieser Effekt mit der allseits bekannten "selektiven Wahrnehmung", bei der wir dazu neigen, besonders diejenigen Informationen gedanklich abzuspeichern, die unsere vorhandenen Überzeugungen und Einstellungen bestätigen. Gegenteilige Hinweise hingegen übersehen wir oft oder spielen sie herunter. Wenn uns jemand also überzeugend erklärt, dass die aktuelle Jupiter-Saturn-Konjunktion im dritten Quadranten des Wassermanns bedeutet, dass wir in den nächsten zwei Monaten einen netten Menschen kennenlernen, und das zufälligerweise eintritt (die Trefferquote ist recht hoch), dann merken wir uns: Das hat funktioniert! Bei nicht zutreffenden Vorhersagen tendieren wir dazu, diese Fehltritte schnell zu vergessen oder zu rationalisieren, indem wir annehmen, vielleicht sei der Zeitpunkt bisher nicht der richtige gewesen oder äußere Umstände hätten die Vorhersagen beeinflusst. Oder wir vergessen sie schlicht.
Und das ist in der Tat auch schon alles, was hinter dem Phänomen Astrologie (und entsprechenden esoterischen Äquivalenten) steht: Ein gutes Gespür der selbst ernannten Wahrsagerinnen für das, was die Menschen, die zu ihnen kommen, hören wollen. Vage Aussagen, die die Ratsuchenden auf sich selbst als zutreffend empfinden, und, falls es sich um Vorhersagen handelt, deren zufällig korrektes Eintreten als Beweis dafür registriert wird, dass man das investierte Geld nicht sinnlos zu den Sternen geschossen hat. Und je nach Angebot setzt hier unter Umständen eine weitere psychologische Verzerrung an: die sogenannte "Sunk Cost Fallacy". Menschen neigen dazu, an etwas festzuhalten, in das sie bereits viel Zeit, Geld oder Mühe investiert haben. So hält der Glaube an astrologische Vorhersagen an, weil niemand zugeben möchte, dass die bisherigen Ausgaben vielleicht doch umsonst waren.
Nicht die Sterne gestalten Zukunft
Interessanterweise funktionieren diese Effekte auch auf einer ganz anderen Ebene, wenn man etwa auf problematische Gruppierungen wie sogenannte Sekten und deren Führungsfiguren schaut. Häufig sind deren Führungspersonen sehr charismatische Menschen, die mit genau diesen Effekten gekonnt spielen. Durch vage Versprechungen und das Schüren von Ängsten und Hoffnungen werden Mitglieder emotional abhängig gemacht. Charismatische Anführerinnen wirken dabei oft wie Autoritätsfiguren, die alleine über exklusives Wissen und die Fähigkeit verfügen, die Zukunft zu deuten oder spirituelle Sicherheit zu bieten. Die Gründe, warum so etwas funktionieren kann, sind vergleichbar mit den eben beschriebenen.
Und so bleibt: Fernsehsender wie AstroTV mögen vergänglich sein. Die Mechanismen, mit denen Astrologinnen und Wahrsager Menschen hinters Licht führen, sind es nicht. Sie wirken auch - und vielleicht besonders gut - in den Social Media, auf Plattformen, auf denen charismatische Menschen ohnehin großes Erfolgspotenzial haben.
In einer Welt voller Veränderungen und Unsicherheiten ist es umso wichtiger, sich auf fundiertes Wissen und rationale Entscheidungsfindung zu verlassen. Die Suche nach Sicherheit sollte uns nicht an Scharlatane geraten lassen, die uns das Funkeln der Sterne versprechen. Denn am Ende sind es nicht irgendwelche Himmelskörper, die unsere Zukunft gestalten, sondern wir selbst.
Quelle: ntv.de