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Fälle in Kirche und Restaurant Was ist in Frankfurt und Leer passiert?

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Nach einem Treffen in einer Baptisten-Gemeinde im Frankfurter Stadtteil Rödelheim sind mindestens 107 Menschen mit dem Coronavirus infiziert.

(Foto: picture alliance/dpa)

Vor wenigen Wochen beginnt Deutschland, behutsam die strengen Corona-Maßnahmen zu lockern. Doch nur kurze Zeit später infizieren sich mehr als 100 Gemeindemitglieder und mehr als ein Dutzend Restaurantgäste mit dem Virus. Wie kam es zu den Infektionen in Frankfurt und Leer? Und wer trägt die Schuld?

In Frankfurt am Main infizieren sich etliche Gläubige bei einem Gottesdienst mit dem Coronavirus. In Ostfriesland sorgt derweil ein Virus-Ausbruch in einem Restaurant für Aufsehen. Damit scheinen sich die Befürchtungen mancher Experten zu bewahrheiten: Nur kurze Zeit nach Inkrafttreten der deutschlandweiten Lockerungen könnten Kirchen und Gaststätten zu neuen Corona-Hotspots werden. Die wichtigsten Fragen zu den Fällen in Frankfurt am Main und dem niedersächsischen Leer beantwortet ntv.de.

Was ist in Frankfurt am Main passiert?

Am 10. Mai kamen Dutzende Gemeindemitglieder der Baptisten in Frankfurt am Main zusammen, um gemeinsam zu beten. Infolge des Gottesdienstes im Frankfurter Stadtteil Rödelheim haben sich mindestens 107 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, wie der hessische Gesundheitsminister Kai Klose mitteilte. Ein Mann liegt im Krankenhaus, die anderen sind nach Auskunft der Behörden nicht allzu schwer erkrankt.

Warum kam es zu der Masseninfektion?

Wie viele Menschen beim Gottesdienst anwesend waren, ist bislang nicht bekannt. Der Verein "Gemeinde Evangeliums - Christen - Baptisten Frankfurt e.V." zählt laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mehr als 100 Mitglieder. Im Verein herrscht demzufolge eine enge, fast familiäre Bindung. Nach gemeinsamen Gebeten sollen viele Gläubige sonntags auch zusammen Mittag essen. Womöglich ist der Corona-Ausbruch deshalb auch weniger in dem Gottesdienst selbst und mehr in der engen Gemeinschaft an sich zu suchen. Denn ersten Erkenntnissen des Frankfurter Gesundheitsamtes zufolge hätten sich die meisten Infizierten nicht bei, sondern nach dem Gottesdienst angesteckt. Die Einzelfälle würden nachverfolgt, versicherte Amtsleiter René Gottschalk. "Wir haben das gut im Griff."

Gibt es trotzdem Grund zur Sorge?

Es gibt Befürchtungen, die Betenden könnten den Erreger nach der Messe geografisch weit verbreitet haben. Denn die Gemeindemitglieder stammen nicht nur aus Frankfurt, sondern aus mehreren Landkreisen in Hessen. Der Fall hat somit Auswirkungen über die Main-Metropole hinaus. So teilte die Stadt Hanau mit, dass sich im Zusammenhang mit dem Gottesdienst "mindestens 16 Personen aus Hanau mit dem Corona-Virus infiziert haben".

Wie reagiert der Verein?

Die Frankfurter Kirchengemeinde der Evangeliums-Christen-Baptisten hat bereits alle weiteren Gottesdienste abgesagt. Gottesdienste finden nur noch online statt. Der Vereinsvorsitzende befinde sich derzeit "im kritischen Zustand auf der Intensivstation befindet und der Stellvertreter ebenfalls erkrankt ist", schreibt die Gemeinde auf ihrer Homepage. Weiter versichert sie, "dass bei der Versammlung separate und kontrollierte Ein- und Ausgänge genutzt wurden, entsprechende Hinweisschilder angebracht waren, ausreichende Desinfektionsmittel zur Verfügung standen und der Abstand von 1,50 Meter eingehalten wurde".

Allerdings sei entgegen den Anordnungen der Behörden gemeinsam gesungen worden. Im Nachhinein betrachtet "wäre es für uns angebracht" gewesen, "auf den gemeinsamen Gesang zu verzichten", heißt es in dem Schreiben des Vereins. Auch sei während des Gottesdienstes kein Mund-Nasen-Schutz getragen worden. Das jedoch wird zumindest für den Weg zum Platz und vom Platz fort dringend empfohlen.

Reichen die Hygienemaßnahmen aus?

Religiöse Versammlungen sind in Hessen seit dem 1. Mai unter Auflagen wieder erlaubt. So muss in Kirchen und anderen Gotteshäusern der Mindestabstand von 1,50 Meter zwischen allen Menschen eingehalten werden, nötig sind zudem weitere Hygienemaßnahmen wie das Aufstellen von Desinfektionsmittelspendern. Gesundheitsminister Klose betonte: "Diese Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass wir alle - gerade während der Lockerungen, die jetzt wieder möglich gemacht werden - wachsam bleiben und nicht leichtsinnig werden." Denn: "Das Virus ist weiterhin da und will sich verbreiten."

So auch in Niedersachsen: Im ostfriesischen Landkreis Leer zieht der Corona-Ausbruch in einem Restaurant immer weitere Kreise. Wie der Landkreis zuletzt mitteilte, stieg die Anzahl der positiv getesteten Personen auf 18. Zu den Infizierten zählt auch der Betreiber der Gaststätte. 14 der Personen waren am 15. Mai zu Gast bei einer Feierlichkeit in dem Restaurant, 4 steckten sich später bei Gästen an. Für 118 Menschen wurde daraufhin häusliche Quarantäne angeordnet.

Was ist im Landkreis Leer passiert?

Am 15. Mai feierte die Gastwirtschaft "Alte Scheune" in Moormerland nach einer einjährigen Betriebspause eine private Wiedereröffnungsparty. Der Wirt hatte laut einer Liste 36 Personen aus seinem Umfeld eingeladen. Die Behörden gehen davon aus, dass es bei der Feier zu Verstößen gegen die Corona-bedingten Hygieneregeln gekommen ist. "Ob dies tatsächlich der Fall war, soll nun das Ordnungsamt in einem Ordnungswidrigkeiten-Verfahren klären", teilte der Landkreis Leer mit.

Wie reagiert der Inhaber des Restaurants?

Der Wirt streitet die Vorwürfe ab: "Wir möchten betonen, dass wir stets alle Hygienerichtlinien in Bezug auf das Coronavirus sowie der herkömmlichen gesellschaftlichen Sitten befolgt haben", teilte er auf seiner Facebook-Seite mit. Zudem sagte er, er wisse nicht, ob sich das Virus am 15. Mai beim Eröffnungsabend seines Lokals verbreitet habe. Es sei auch möglich, dass sich die Menschen vor oder nach dem Abend infiziert hätten.

Mit welchen rechtlichen Konsequenzen müssen Wirt und Gäste rechnen?

Dem Landkreis Leer liegen Hinweise vor, dass an dem besagten Abend Hände geschüttelt wurden, der Mindestabstand nicht eingehalten und regelwidrig auf den Mundschutz verzichtet wurde. Dies sollen Zeugen bestätigen. Dem Landrat von Leer Matthias Groote zufolge wird gegen den Betreiber des Lokals ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, um die Vorwürfe zu prüfen. Gemäß Bußgeldkatalog des Landes droht ihm eine Geldstrafe von bis zu 25.000 Euro. Auch den Besuchern drohen Strafen, kündigte Gesundheitsministerin Carola Reimann an. Sollte sich der Verdacht bestätigen, "werden die Behörden vor Ort auch gegen die Besucherinnen und Besucher Ordnungswidrigkeiten einleiten mit empfindlichen Geldstrafen als Folge".

Wer ist noch betroffen?

Von dem Corona-Ausbruch ist auch die Führungsebene der Papenburger Meyer-Werft betroffen. Die Personalchefin des durch die Corona-Krise extrem gebeutelten Kreuzfahrtschiffbauers war bei der Feier am 15. Mai anwesend und ist nun ebenso wie ein weiterer Mitarbeiter mit dem Virus infiziert. Ein Teil der Geschäftsführung sowie große Teile des Betriebsrates sind inzwischen in Quarantäne, wie das Unternehmen auf Anfrage bestätigte.

Was sagt der Gastronomieverband?

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zeigte sich bestürzt über den Fall in Moormerland. Der Geschäftsführer, Rainer Balke, sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung": "Da wurde offenbar einiges falsch gemacht, und es ist übel gelaufen." Nach siebenwöchiger Schließung durfte die Gastronomie in Niedersachsen am 11. Mai wieder öffnen - allerdings mit strengen Auflagen. So dürfen nur maximal die Hälfte der Plätze vergeben werden. Tische müssen mit einem Abstand von mindestens zwei Metern angeordnet sein, das Servicepersonal muss Maske tragen. Restaurantbesucher müssen Kontaktdaten hinterlassen, damit im Fall der Fälle Infektionsketten nachverfolgt werden können. Sollte sich nun herausstellen, dass sich die Menschen tatsächlich im Lokal in Moormerland angesteckt haben, wäre dies der erste bekannt gewordene Fall dieser Art seit Wiedereröffnung der Gaststätten.

Quelle: ntv.de, hny

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