Zahl der Patienten überschätzt? Weniger Klinik-Aufenthalte wegen Corona als gedacht
17.02.2021, 17:59 Uhr
Für das Krankenhauspersonal macht es kaum einen Unterschied, ob ein Patient wegen oder mit Corona behandelt werden muss.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Mehr als 3200 Covid-19-Patienten werden derzeit intensivmedizinisch behandelt. Aber sind wirklich alle von ihnen wegen einer Coronavirus-Infektion im Krankenhaus? Ein aktueller Bericht deckt auf, dass die Zahlen mitunter zu hoch gegriffen sind.
Die Anzahl von Personen, die wegen einer Infektion mit dem Erreger Sars-CoV-2 im Krankenhaus behandelt werden müssen, wird angeblich überschätzt. Laut einem Bericht der Wochenzeitung "Die Zeit" sind zwischen 20 und 30 Prozent der Menschen, die die offizielle Statistik führt, nicht wegen Corona in stationärer Behandlung, sondern wurden zufällig positiv getestet. Das betreffe etwa Schwangere, die zur Entbindung kommen, oder verunfallte Personen.
Auch bei der viel diskutierten Zahl von Patienten auf Intensivstationen gibt das Robert-Koch-Institut dem Bericht zufolge zu hohe Werte an: Auf den Intensivstationen werden zehn Prozent der als Corona-Fälle gemeldeten Patienten wegen einer anderen Ursache behandelt. Das bestätigt auf Anfrage der "Zeit" der Deutsche Verband der Intensivmediziner (Divi). Inwiefern die Krankheit Covid-19 im Verlauf zu einer Verlängerung des Klinik-Aufenthalts oder einer Verschlimmerung des Zustands des Patienten oder der Patientin beiträgt, geht aus dem Bericht nicht hervor.
Die Wochenzeitung hat nach eigenen Angaben bundesweit 20 Krankenhäuser nach ihren konkreten Zahlen gefragt. Viele wollten diese demnach nicht veröffentlicht sehen, bestätigten aber die rund 20 bis 30 Prozent an Doppeldiagnosen mit Corona. In Deutschland gibt es laut Statistischem Bundesamt insgesamt mehr als 1900 Krankenhäuser. Täglich melden zwischen 1200 und 1300 Krankenhaus-Standorte ihre Fälle an das Divi-Register.
Auch die Barmer-Krankenkasse beobachtet die Doppeldiagnosen. "Wir sehen einen nennenswerten Anteil von Krankenhausfällen, die ursächlich aufgrund einer anderen Erkrankung als Corona behandelt wurden, und die dennoch in der Statistik unter 'Corona-Patient' laufen", wird Uwe Repschläger, Finanzleiter der Barmer, von der "Zeit" zitiert. Er kann für seine Aussage auf Daten von 20.000 stationär behandelte Corona-Patienten zurückgreifen.
Für Kliniken ist Unterscheidung unerheblich
Verantwortlich für dieses Graufeld ist dem Bericht zufolge das deutsche Meldesystem: Alle neuen Patienten werden systematisch bei der Aufnahme ins Krankenhaus auf das Virus getestet und bei einem positiven Befund über das Gesundheitsamt an das Robert-Koch-Institut gemeldet. Für die Krankenhäuser selbst ist die Unterscheidung nicht erheblich: Ein Corona-Patient muss, ob er nun mit oder wegen Corona behandelt wird, in ein Isolierzimmer verlegt werden. Pfleger und Ärzte müssen sich bei seiner Behandlung besonders schützen. Politisch aber ist die Zahl der schweren Corona-Verläufe ein wichtiger Indikator. Sie wird und wurde in der Debatte um Lockdown-Maßnahmen immer wieder ins Feld geführt.
"Auf Grundlage der Schätzung einzelner Kliniken kann ein evidenzbasiertes Institut keine Bereinigung von Fällen vornehmen", sagt derweil das RKI auf Anfrage der "Zeit". Das harte Kriterium sei ein positiver PCR-Test. Soll heißen: Das Institut ist auf die Angaben der regionalen Behörden angewiesen und kann aufgrund der Annahme, dass 20 bis 30 Prozent der Patienten eigentlich nicht ursprünglich wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus liegen, nicht die Zahlen überarbeiten.
Zuletzt war die Zahl derjenigen, die als Covid-19-Intensivpatienten in die Statistik eingehen, weiter zurückgegangen. Wie aus dem aktuellen Divi-Intensivregister hervorgeht, werden in deutschen Kliniken derzeit 3251 Covid-19-Patienten intensivmedizinisch behandelt. Im Vergleich zum Vortag ist das ein Rückgang um 101 Patienten. Demnach müssen 1842 Patienten invasiv beatmet werden, das sind 67 weniger als am Vortag. Insgesamt sind den Angaben zufolge noch 4543 Betten in den deutschen Kliniken frei.
Quelle: ntv.de, fzö